30.10.2020
Der Weg der Erinnerung
Entschieden: Die Münchner Künstlerin Karolin Bräg gestaltet ein Zeichen der Erinnerung an die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen sowie an die Medikamententests in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen zwischen 1940 und 1980.
Was bedeutet die Würde des Menschen? Und wie schützt man sie? Diese beiden Fragen stehen im Zentrum eines Werkes der Münchner Künstlerin Karolin Bräg, das an die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 sowie an die Medikamententests in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen zwischen 1940 und 1980 erinnern soll. Acht KünstlerInnen hatten an einem vom Regierungsrat ausgerufenen Wettbewerb teilgenommen. Brägs Entwurf überzeugte die Fachjury am meisten. Diesem Votum ist nun auch die Politik gefolgt. Im Frühsommer 2022 soll der Erinnerungsort eröffnet werden. Der Kunst-Wettbewerb ist Folge eines grossen Forschungsprojektes zum Thema.
Welche Idee steckt hinter dem Entwurf von Karolin Bräg? Am Anfang, so heisst es in einer Medienmitteilung, stehen Gespräche mit Menschen – Betroffenen ebenso wie Nichtbetroffenen. Die Essenz der Gespräche soll anschliessend in die Bearbeitung eines Kunstwerks einfliessen, „dessen Prämisse darin besteht, dass das «Zeichen der Erinnerung» im ehemaligen Spitalfriedhof von Münsterlingen selber bereits vorhanden ist, durch Ergänzung mit einer Skulptur aber erneuert werden kann und soll“, wie es in einer Medienmitteilung des Regierungsrats heisst.
Ein dreigeteiltes Erinnerungszeichen, das zum Nachdenken anregen will
Auf die Wände eines kleinen Hauses, das an den Beginn des Wegs über den Friedhof zu stehen kommen soll, will die Künstlerin in ihrer eigenen Handschrift jene Satzteile schreiben, die sich für sie als Essenz der Gespräche ergaben. „Vom Haus werden dann zwei Teile abgetrennt und als Partnerzeichen am See (Psychiatrische Klinik Münsterlingen) und in Kalchrain gesetzt – eigentliche Gedenksteine, die auf das Hauptzeichen verweisen und mit diesem zusammen das Ganze ergeben“, schreibt der Regierungsrat. Doch damit sei das Kunstwerk nicht abgeschlossen. Die Abdankungshalle werde zudem zu einem Dokumentationsort gestaltet, in dem die Auseinandersetzung mit der Geschichte vertieft werde und weitergehen könne.
In der Begründung der Jury zur Entscheidung für Karolin Bräg heisst es unter anderem: „Die Bewegung, die ihr Kunstwerk entstehen lässt, ist die Bewegung, die Erinnerung selbst macht - und immer machen muss, wenn sie nicht erstarren und damit ins Vergessen sinken will.“ Ein älteres Werk der Künstlerin befindet sich auch in der Sammlung des Kunstmuseum Thurgau.
Vier Entwürfe werden im Staatsarchiv ausgestellt
Insgesamt acht KünstlerInnen nahmen an dem Wettbewerb teil. Die Projekte von Judith Albert, Karolin Bräg, Jan Kaeser und Anna-Sabina Zürrer werden vom 3. bis 27. November 2020 im Seminarraum des Staatsarchivs und anschiessend in Münsterlingen öffentlich ausgestellt. Das «Haus der Erinnerungen soll im Frühsommer 2022 eingeweiht werden. Um die Realisierung sicherzustellen, hat der Regierungsrat nach eigenen Angaben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die unter dem Präsidium von alt Regierungsrätin Christa Thorner steht.
Die anderen Wettbewerbsteilnehmer
Insgesamt acht KünstlerInnen nahmen an dem Wettbewerb teil: Judith Albert, Zürich; Joëlle Allet, Sirnach; Karolin Bräg, München; Gabriele Gerber/Lukas Bardill, Schiers; Cornel Hutter, Amriswil; Jan Kaeser, St. Gallen; Ernst Thoma, Stein am Rhein und Anna-Sabina Zürrer, Luzern). Im Februar 2020 wurden die acht eingereichten Ideenskizzen juriert; vier Arbeiten wurden ausgeschieden (Allet, Gerber/Bardill, Hutter, Thoma), vier Kunstschaffende (Albert, Bräg, Kaeser, Zürrer) eingeladen, ihre Ideen zu Projekten weiterzuentwickeln. Am 17. September 2020 wurden schliesslich die vier Projekte beurteilt. Das Beurteilungsgremium kam einstimmig zum Ergebnis, dem Regierungsrat das Projekt «Haus der Erinnerungen» von Karolin Bräg zur Ausführung zu empfehlen. Der Regierungsrat ist dieser Empfehlung gefolgt und hat das Projekt freigegeben.
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