von Andrin Uetz ., 27.06.2019
6000 Jahre Geschichte in 15 Minuten
Der neue «Entdeckungsrundgang Archäologie und Geschichte» rund um das Schloss Arbon ist eröffnet. Er zeigt, was möglich ist, wenn Archäologen und Architekten zusammen arbeiten.
Von den Pfahlbauten zum Imperium Romanum übers Mittelalter in die Frühe Neuzeit bis zur Industrialisierung in nur 15 Minuten? Unmöglich? Mit dem Entdeckungsrundgang in Arbon sind nun tatsächlich in einem kurzen Spaziergang Zeitzeugnisse aus den verschiedenen Epochen erlebbar.
Trotz grosser Hitze versammelte sich am Montagabend eine interessierte Gruppe von rund 70 Bürgern und Bürgerinnen im Innenhof der Schloss Arbon, um den historischen Entdeckungsrundgang zu begutachten. Stadtpräsident Dominik Diezi sowie Stadtrat Peter Gubser sprachen beide in ihren eröffnenden Gruss- und Dankesworten von der Notwendigkeit der Sanierungsarbeiten – Teile der alten Stadtmauern mussten vorher aus Sicherheitsgründen mit Baugerüsten und Flachen abgedeckt werden –, mehr noch aber betonten sie die Attraktivität und aussergewöhnliche Qualität davon, was nun innerhalb von vier Jahren entstanden ist.
Gut 600 Tonnen Stein und Beton von Hand verbaut
Der Rundgang besteht aus sieben Stationen. Es findet sich jeweils eine Tafel mit Informationen sowie zwei Guckrohre (für Gross und Klein), welche auf besonders interessante Details hinweisen. Mal der berühmte Fussabdruck des heiligen Gallus, mal die Megalithen des mittelalterlichen Burgturmes, um 1200 Residenz von Bischofs Hermann des I., mal eine Tafel zum Schlossbau durch Hugo von Hohenlandenberg im 16. Jahrhundert und vieles mehr, das es nun wieder neu zu entdecken gilt.
Weil sich das Schlossareal in einer Archäologischen Zone befindet, war das Amt für Archäologie genauso wie das Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau von Anfang an involviert. Kurt Sonderegger (zusammen mit Feliciano Gervasi federführender Architekt der Sanierung) sprach nicht von einem Neubau, sondern vielmehr von einer Freilegung der römischen Castellmauer, welche durch eine diskrete Inszenierung der nicht mehr vorhandenen Türme mit Hilfe von Metallplatten ergänzt wird. Er lobte die Geschicklichkeit der auf historische Rekonstruktionen spezialisierten Maurer, welche von Hand rund 410 Tonnen Bollen- und Sandsteine verbaut, sowie rund 205 Tonnen Mörtel gemischt und in die Fugen gestossen hätten.
Keramiken und Münzen aus der Römerzeit gefunden
Die Archäologin Iris Hutter sprach von einer Win-Win-Situation. Einerseits konnten die Architekten auf vorhandenen Pläne des Amtes für Archäologie zurückgreifen, andererseits konnten diese Pläne durch die Freilegung bisher ungesehener Stücke der Castell-Mauern ergänzt und verbessert werden. Nicht nur kann jetzt die Grösse und Dicke der Mauern besser abgeschätzt werden, diese sollen über zwei-einhalb Meter dick und mindestens acht Meter hoch gewesen sein, sondern es wurden auch Keramiken, Fibeln und Münzen aus der Römerzeit gefunden.
Diese römischen Mauern wurden nicht einfach wieder aufgebaut, sondern vielmehr mit einer den ruinenhaften Charakter würdigenden Schutzmauer versehen, die zwar stilecht aussieht, aber durch das Fehlen von Ziegelsplittern eine klare Unterscheidung zwischen Original und Neubau zulässt. Eine solche Verbauung ist nötig, um die römische Mauer vor dem Eindringen von Wasser und damit vor Erosion zu schützen. In der Schlichtheit und Formstrenge des Gesteins wirkt diese ebenso funktional wie ästhetisch ansprechende Lösung modern und historisch zugleich.
Beteiligt an der Erarbeitung des Rundgangs waren auch Arbon Tourismus, die Stadt Arbon, die Museumsgesellschaft Arbon und die Katholische Kirche.
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