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von Katharina Alder, 12.12.2011

Ein Abklatsch, der keiner ist

Ein Abklatsch, der keiner ist
Uwe Schuran und Markus Keller mit ihrer „Wochenschau“ im „Dreiegg“ Frauenfeld (v.l.). | © Katharina Alder

Markus Keller und Uwe Schuran bieten jeden Donnerstagabend im „Dreiegg“ in Frauenfeld eine erstaunlich unverkrampfte Wochenschau mit Liebe zum Detail.

Katharina Alder

Die Vorfreude auf Keller/Schuran ist gross an diesem heiligen Tag der unbefleckten Empfängnis und das ansprechende, krude Ambiente verspricht sehr viel. Das Regal auf der Bühne ist vollgestopft mit allerlei Krimskrams, mit winkenden Katzen, Leuchttürmen, Bilderbüchern und Plüschtieren. Beinahe auf die Sekunde genau um 21 Uhr startet die fünfköpfige Band Frische Fische vor vollbesetztem Haus das musikalisch einwandfreie Intro. Markus Keller und Uwe Schuran betreten die Bühne mit auffällig hässlichem Halsgebinde, es sei der Thurgauer Spezial-Schal von der präsidialen Feier des Herrn Walter. Angenehm privat wirken die zwei Männer auf der Bühne, plaudern mit der Band, interagieren mit dem Publikum und überbrücken problemlos technische und organisatorische Pannen.

Palette von subtil bis absurd

Die Themen wurden sehr breit, mit Schwerpunkt auf dem Historischen, ausgewählt und streifen so ziemlich jeden erdenklichen Aspekt des Thurgauer und Frauenfelder Alltagslebens. Das Wunderbare daran ist, dass sich Keller/Schuran nicht auf Pointen setzen und selbige im Sekundentakt produzieren möchten. Vielmehr bieten sie mit eigenen medialen Einspielern, poetischen und rührenden Texten, wie jener Bericht von Königin Hortense – ihres Zeichens die erste Asylbewerberin im Kantons Thurgau – und unsinnigen Episoden eine abwechslungsreiche Mischung. Dabei funktionieren sowohl die Schenkelklopfer wie beispielsweise Markus Kellers Anruf bei der Kantonspolizei Thurgau zur Eruierung des Erfolgsstandes des Autonummern-Scannens, als auch die bissige, politische Kritik an der Finanzierungshilfe für das Waltersche Wahlfest seitens des Lotteriefonds.

Sarkastisch mit Verena Rothenbühler

Gast bei der aktuellen Wochenschau war die freischaffende Historikerin Verena Rothenbühler, welche mit ihrem Sarkasmus und ausgesprochen humorvollen Erzählen einen wesentlich zur Kurzweiligkeit des Abends beitrug. Ohne Scheu und äusserst geistreich philosophierte sie mit Keller/Schuran über die Landwirtschaft, den sex and crime der alten Thurgauer Verwaltungsquellen und bot ihren Gastgebern eine Plattform, ihre Stärke präsentieren zu können, nämlich das Spontane.

Auf Jakob Stark programmiert

Die Zufriedenheit nach dem Auftritt hielt sich bei Uwe Schuran in Grenzen: „Unser Programm war auf die von uns gepushte Bundesratskandidatur von Jakob Stark ausgerichtet. Hansjörg Walters Nachnomination am Nachmittag hat uns da einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Ihren, der Erzählung nach durchaus lustig klingenden Film konnten sie somit nicht präsentieren. Dennoch haben Keller und Schuran ein solides Programm auf die Beine gestellt, das vor allem von den starken Details lebt. Speziell zu erwähnen wäre dabei die sinnlose Aneinanderreihung von Jahrestagen, das naive Echo, welches Markus Keller zur Erzeugung einer Kirchenatmosphäre spricht, das unauffällige Händeabwischen am Thurgauer Spezial-Schal, die witzige Filmkomposition von Assistentin Fiona sowie die Empfehlung, in Zukunft nur noch den Top-Fussgängerstreifen an der Laubgasse/Oberwiesen zu benutzen.

Starke Improvisationsleistung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass allfällige Durchhänger problemlos von der authentischen und spontanen Programmführung, den einfallsreichen und oft sehr gelungenen Beiträgen wettgemacht werden. Der Abend lebt vom bunten Durcheinander, wobei die einfachen Ideen am besten zum tragen kommen. So hat es auch das vermeintlich grottenschlechte, zum Abschluss vorgetragene Liedchen in sich, nämlich ziemlich viel Biss und Ideologie. In musikalischer Hinsicht haben die zwei Schauspieler mit den „Frischen Fischen“ eine qualitativ hochstehende Band an ihrer Seite, wobei die Auswahl des Sounds doch ein bisschen eintönig erscheint und etwas Vielfalt vertragen könnte. Keller/Schuran bieten mit ihrer Performance keinen behelfsmässigen Abklatsch eines Fernsehformats, sondern eine eigenständige und ungewöhnliche Form, auf der Bühne über Gesellschaftliches und Politik zu sinnieren. Dabei leben ihre Beiträge von der starken Improvisationsleistung und der ungekünstelten Interaktion auf alle Seiten.

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