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17.12.2012

Kartause Ittingen: Prokurator Kurt Schmid sagt adieu

Kartause Ittingen: Prokurator Kurt Schmid sagt adieu
„Ein bewährtes Konzept stellt man nicht auf den Kopf“, sagt ProkuratorKurt Schmid, der per Ende 2012 in den Ruhestand tritt. | © Kathrin Zellweger

Aufgeräumt räumt Kurt Schmid seinen Computer auf. Gedanklich durchlebt er die letzten 19 Jahre nochmals und ist vor allem eins: zufrieden – mit sich, der Institution und mit allen, die ihm nicht dreinredeten. Der Prokurator der Kartause Ittingen geht Ende Jahr in Pension. Aber nur als Prokurator.

Kathrin Zellweger

Jeden Tag dieser 19 Jahre sei er gern über die Rohrer-Brücke zur Arbeit in die Kartause Ittingen gefahren. In diesen eng-weiten Kosmos erster Güte, aber auch erster Komplexität. Die einen suchen hier zeitgenössische Kunst oder jahrhundertealte Kultur, die anderen das Seminarhotel; die einen den Rosengarten, die andern das Wohnheim für Behinderte; die einen Stille und Spiritualität, die andern das Ausflugsrestaurant. Und alle wollen auf ihre Rechnung kommen. „Die Kartause Ittingen führt ganz verschiedene Betriebe, aber sie ist sie nicht. Sie ist nur eines: ein Kulturort in einem weiten, im besten Sinn des Wortes“, sagt Kurt Schmid.

Kommt nicht in Frage!

Ein Biotop wie die Kartause Ittingen birgt Chancen, aber auch Konfliktpotenzial. Es gab Fälle, in denen Kurt Schmid kurz und bündig sagt: Geht nicht! Da war die Generalität, die zur Verabschiedung von Bundesrat Ogi als Chef VBS im Innenbereich Kanonenschüsse abfeuern wollte. Da wurden im Museumsshop Kondome mit Sätzen einer anerkannten zeitgenössischen Künstlerin verkauft. Meist jedoch waren die Konflikte auf Unwissen zurückzuführen. „Wenn ich unser Konzept von Erhalten und Beleben, von Vielfalt und Einheit, von Weltoffenheit und dem Bekenntnis zu klösterlichen Werten erklärte, liess sich ein Problem fast immer lösen.“ Wie damals, als ein betreuter Mitarbeiter vor eine pikfeine Seminarteilnehmerin hin trat und sagte: „Sali, sali, sali, schöni Fraue sind für alli!“
Bevor der Prokurator in die Kartause Ittingen kam, sagte ihm sein damaliger Chef am Kantonsspital Frauenfeld, Regierungsrat Arthur Haffter: „Geh nur zum Fürst, wenn du gerufen würst.“ Kurt Schmid, den die meisten besser als Jules Schmid kennen, hat diesen Rat etwas zurechtgebogen und ist damit gut gefahren. Den Stiftungsrat fragte er nur an, wenn es absolut sein musste. „Ich wollte selber lösen, was ich selber lösen konnte. Als Bauchmensch entscheide ich schnell und spontan, was heisst, dass meine Mitarbeitenden flexibel sein mussten.“ Andererseits nimmt Schmid für sich in Anspruch, geistig wie finanziell grosszügig zu sein. Übrigens: Er rät seinem Nachfolger, ebenfalls erst zum „Fürsten“ zu gehen, wenn es sein muss.

Entwicklung ist nicht gleich Wechsel

Ein Kartäuser Kloster darf Hunderte von Jahren alt sein und ist gerade deswegen interessant. Ein Betrieb aber mit einem dreissigjährigen Konzept samt Leitbild, an denen seither niemand ein Komma geändert hat, macht stutzig. Wäre es nicht an der Zeit, sich Neuem zu öffnen, anderes zu wagen, frecher zu werden, um ein weiteres Kundesegment in die Kartause Ittingen zu locken und – last but not least – mehr Geld zu verdienen? „Ein bewährtes Konzept stellt man nicht auf den Kopf. Das heisst nicht, dass mit dem personellen Wechsel nicht auch eine Strategie-Entwicklung einhergehen soll. Aber eine Entwicklung ist kein Wechsel.“ Nein, verschlafen habe man in der Kartause Ittingen trotz Respekt vor klösterlich-traditionellen Werten nichts. Er zählt auf: Es wurde die Herberge durch Seminarräume und Hotelzimmer ersetzt, das obere Gästehaus und das Wohnheim grundlegend erneuert. Die Gastronomie, „wo das meiste Geld herkommt“, wurde mehrfach erweitert, die Kulturangebote aufgestockt (Ittinger Pfingstkonzerte, Sonntagsmatineen im Winterhalbjahr, das Theater „Ittingen brennt“). „Wir wollen weder kopieren noch konkurrenzieren, was in der Region schon erfolgreich angeboten wird.“ Aber selbstverständlich sei es immer ein Thema gewesen, wie neues Publikum gewonnen werden könne. „Aber Bar, Wellness-Oase, Tennisplatz wird es auch künftig – vermutlich – nicht geben, ebenso wenig Events mit Ballon- oder Heliflug und luxuriöse Autopromotionen.“

… und dann wird er einsilbig

Bei den Stichworten geplanter Neubau und Sanierung des Kunstmuseums wird Schmid, der sonst elegant wie sein Äusseres auf jede Frage eine Antwort hat, einsilbig. Während es hinter seiner Stirn wetterleuchtet, sagt er. „Ich bin vom Regierungsrat masslos enttäuscht. Vor nächstem Frühjahr ist von der Stiftung Kartause Ittingen kein Kommentar auf den regierungsrätlichen Rückzieher zu erwarten. 2013 wird nicht gebaut.“ Wie für sich selbst ergänzt er: „Wär schön, man müsste gar niemanden fragen.“

Erst wie er von seiner Zukunft redet, schaut er wieder zufrieden. Aufgegleist ist allerhand: für den Kopf, für die Hände, fürs Herz und für seine sportliche Seite. Als erstes arbeitet er das stiftungseigene Archiv auf, bewirbt sich dann um Führungen in der Kartause Ittingen und stellt sich für Arbeiten im klostereigenen Weinberg zur Verfügung. Auf der Klarinette muss er erst noch wacker üben, bis er in der Stadtmusik Frauenfeld den Solopart übernehmen kann. Auf seinem Motorrad dagegen fühlt er sich sicher.

***

Kurt Schmid, 1948, ist der zweite Prokurator der Kartause Ittingen. Bevor er vor 19 Jahren dieses Amt antrat, war er Direktor des Kantonsspitals Frauenfeld und zuvor Hoteldirektor in Vulpera und Laax. – Er hat drei erwachsene Töchter und sieben Grosskinder. Er lebt mit seiner Frau in Frauenfeld, wo er auch aufgewachsen ist.

Nachfolger von Kurt Schmid wird per Anfang Januar 2013 das bisherige Geschäftsleitungsmitglied der Stiftung Kartause Ittingen, Heinz Scheidegger.

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