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16.01.2013

Hinter dem Rampenlicht

Hinter dem Rampenlicht
Florence Leonetti, Regieassistentin, und Daniel Gründler, Lichtgestalter, halten in der Operette Sirnach fast alle Fäden in der Hand. | © Kathrin Zellweger

Sie arbeiten im Hintergrund, damit im Vordergrund alles klappt. Daniel Gründler, Lichtgestalter, sitzt hinten links im Saal; Florence Leonetti, Regieassistentin, steht vorne rechts hinter dem Vorhang. Auf der Bühne in Sirnach wird die Operette „Viktoria und ihr Husar“ gegeben.

Kathrin Zellweger

Im Programmheft steht: Daniel Gründler, Licht-Gestalter. „Nein, das bin ich nicht; ich setze um und bin überdies für die gesamte Bühnentechnik verantwortlich. Wo und wann es welche Lichtstimmung braucht, haben Regisseur Leopold Huber und Bühnenbildner Klaus Hellenstein erarbeitet.“

Das Kabäuschen im Dreitannensaal Sirnach, indem der gelernte Elektromonteur sein Reich hat, sieht aus wie eine Kommandozentrale: Links das Lichtregiepult mit Anzeigemonitor und Steuer-PC, in der Mitte die Steuerungen für die Saal- und Orchesterbeleuchtung sowie für die Monitoren für Sängerinnen und Sänger, rechts Videoserver, Bildrechner für Videoeinspielungen, Laptop für Werbung und Sponsoring und zu guter Letzt noch der Kontrollmonitor für die Bildübertragung. Und das alles auf einer Fläche von 2.5 mal 1.5 Meter. „Ich fühle mich hier hinten nicht als König“, sagt Gründler, „auch wenn ich weiss, dass ich eine wichtige Aufgabe habe. Dass das Publikum keine Ahnung hat und vielleicht unterschätzt, was ich tue, macht mir nichts aus.“ Im Licht, das er befehligt, stehen die anderen. Und so soll es sein.

Zum ersten Mal Videoeinspielungen

Für Gründler ist es die neunte Operette, bei der er fürs Licht zuständig ist. Zum zweiten Mal hat er die Hauptverantwortung; zum eingespielten Team gehören seit langem auch Josef Schmucki und Daniel Stump. Das diesjährige Stück, „Viktoria und ihr Husar“, forderte den gewieften Fachmann trotz seiner Erfahrung besonders heraus. Einerseits ist diese Inszenierung näher bei der eines Musicals als bei einer Operette, was ein Vielfaches an technischem Aufwand verlangt; andererseits werden zum ersten Mal auch Videos eingespielt. Davor hatte der 47-Jährige gehörig Respekt, „weil teuer und komplex. Heute kann ich sagen: Wir haben es geschafft und ohne finanziell auszubluten.“

Bis zur Premiere muss Gründler seine Arbeit eigentlich getan haben. Vom Dimmen der Saallampen bis zum Flutlicht beim Schlussapplaus – alles muss er „im Kasten“ haben. 77 Lichtszenen hat er in stundenlangen Proben notiert, dann umgesetzt und abgespeichert. Lichtszenen, von denen das Publikum wahrscheinlich nur etwa zwölf verschiedenen Einstellungen wahrnimmt – dank Gründlerscher Finesse und Raffinesse. Stunden-, ja wochenlang hat er dafür gearbeitet – ehrenamtlich. Die heute schier grenzenlose Vielseitigkeit in der Lichtgestaltung ist nicht mehr von Hand zu bewältigen. „Die Lichtszenen sind alle elektronisch gespeichert. Bei einem Störfall ist es daher viel schwieriger oder gar unmöglich manuell einzugreifen.“ Früher hatte er vor sich ein zweiteiliges Pult mit 24 Kanälen, die er mit Reglern aktuell bediente. Mehr als 30 Einstellungen pro Inszenierung waren nicht möglich. Gründler ist kein Nostalgiker, der immer noch gerne Schieber rauf und runter bewegen würde, sondern zum Glück ein ausgesprochener Technikfreak. „Meine Arbeit ist sowohl spannender als auch einfacher geworden.“

Licht hat eine Rolle wie ein Schauspieler

Mit Licht werden Stimmungen erzeugt und Aussagen unterstützt. Auf ein bestimmtes Zeichen hin, ein Wort, eine Geste, drückt Gründler die Vorwärts-Taste und die nächste gespeicherte Lichteinstellung wird automatisch abgefahren. Im Drehbuch, das während der Vorstellungen vor ihm liegt, sind die Lichtsequenzen durchnummeriert. Das Licht, so scheint es, spielt nicht nur eine wichtige Rolle, es hat seine eigene Rolle wie Schauspieler und Chor. Je mehr Vorstellungen er begleitet hat, umso gelassener kann Daniel Gründler in seiner Ecke hinten links im Saal sitzen. „Etwa so wie ein alter Bekannter des Bühnenstücks, der die Aufführung wohlwollend beobachtet und begleitet, dem aber nichts entgeht.“

Der Tipp von Florence Leonetti

Während der Name des Regisseurs dem Publikum meistens bekannt ist, weiss man im besseren Fall noch, dass er auch eine Regieassistenz braucht. Wie diese Person heisst und was sie tut, ist dagegen unklar. Seit 1989 gehört Florence Leonetti zum Inventar der Operette Sirnach: als Laienschauspielerin und -sängerin, als Vorstandsmitglied des Vereins und zum vierten Mal auch als Regieassistentin. Es ist auch nicht das erste Mal, das sie mit Regisseur Leopold Huber zusammenarbeitet. Neu ist, dass sie sich in ihrer Funktion von ihrer Freundin, Barbara Benz, oft vertreten lässt. (Leonettis neue Anstellung als Hauptverantwortliche der Tonhalle Wil musste vorgehen, was diese Aufteilung nötig machte.)
Florence Leonettis Arbeit fing nicht erst mit den Proben an, bei den sie als Regieassistentin alles ins Regiebuch schrieb, was Huber im Laufe der vielen Einzelproben und Durchläufe textlich eingefügt oder weggelassen haben wollte, wo er den Ablauf auf der Bühne schneller oder langsamer wünschte, welche Einfälle er für Requisiten, Kostüme und Choreografie hatte. Leonettis ehrenamtlicher Einsatz begann schon ein Jahr vorher, nämlich mit der Suche nach dem richtigen Stück.

Zusammen mit Regisseur, Gesamtleiter und musikalischem Leiter suchte die 45-Jährige in der Musikliteratur nach einer aufführbaren Operette mit genügend Chorstellen, mit einem Bezug zur Aktualität und die im Dreitannensaal mit Laien realisiert werden konnte. Das waren die drei Kriterien. Dass schliesslich „Viktoria und ihr Husar“ ausgewählt wurde, geht nicht zuletzt auf Leonettis Vorschlag zurück. Jetzt begann sie zu telefonieren: Sie motivierte Leute, im Chor mitzusingen; sie suchte den einen und anderen Hauptdarsteller, prüfte, ob der Profi mit Laien zu arbeiten gewillt war; sie war beim Probesingen dabei und nachher bei den meisten Proben.

Weder Mädchen für alles noch Mutter des Ensembles

Als sie die Schauspielerinnen und Schauspieler sowie den Chor mit den 16 Frauen und den 17 Männern beisammen hatte, erstellte sie den Probenplan und mietete das Probelokal. Schier zu jeder Tages- und Nachtzeit bekam sie Anrufe mit Fragen zum einen oder anderen Punkt. Zuhören, ernstnehmen, weiterhelfen. Auch bei der Requisitenbeschaffung half sie mit, legte sich ins Zeug, dass der Chor in vier verschiedenen Kostümen auftreten konnte. Kurz: Sie war und ist eine Frau, die man brauchen und auf die man sich verlassen kann. „Ich fühle mich weder als Mädchen für alles, das nur die Befehle des Regisseurs ausführen muss. Ich sehe mich auch nicht als Mutter des Ensembles. Was ich bin: Ich bin die erste Anlaufstelle. Das ist eine schöne Aufgabe.“ Noch mehr als das Organisieren, das Leonetti ohnehin liegt, schätzte sie, dass Regisseur Huber sie immer wieder um einen kritischen Aussenblick bat. Während der zweimonatigen Probenzeit schmolz ihre Freizeit dahin wie Märzenschnee, für die Familie mit den zwei Söhnen blieb knapp noch der Sonntag. Es sind ja bloss wenige Wochen, sagte sie sich jeweils, dann kann ich wieder durchatmen.

Seit die Aufführungen laufen, sitzt sie aber nicht einfach nett auf einem Stuhl und schaut zwischen den Vorhängen hindurch auf die Bühne, wie alles am Schnürchen läuft. Manchmal muss sie auf und davon rennen, weil sie irgendwo gebraucht wird und nur sie diesen „Bewegungsfreiheit“ hat. Je öfter das Stück aufgeführt werde, umso entspannter werde die Stimmung hinter der Bühne, erzählt sie. „Es ist ein schmaler Grat zwischen Locker-sein und Nachlässig-werden. Da braucht es hie und da ein mahnendes Wort.“ Die ausgebildete Sekundarlehrerin wird das Fingerspitzengefühl und das pädagogische Geschick haben, um ihren Appell so zu formulieren, dass er seine Wirkung tut und trotzdem niemanden nachhaltig vergrault. Wie wäre es, mal selbst Regie zu führen? Nein, das gelüstete sie nie. „Die Wertschätzung der Leute auf der Bühne ist mir wichtiger, als dass die Leute im Saal wissen, dass es mich gibt und was ich tue.“

 

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