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von Katrin Zürcher, 30.04.2013

Wo Musik Weltsprache ist

Wo Musik Weltsprache ist
“Musik ist eine Weltsprache, wie es sonst keine gibt“, sagt der künftige Gesamtleiter der Musikschule Frauenfeld, Marcel Maij. | © Katrin Zürcher

„Jedes Kind soll das Recht auf musikalische Bildung haben“, sagt Marcel Maij, Leiter der Jugendmusikschule Frauenfeld. Er hat gerade seine Masterarbeit über Musikschul-Fusionen geschrieben und weiss, dass die Strukturen an den 14 Thurgauer Musikschulen besser sind als im Aargau.

Katrin Zürcher

Marcel Maijs Arbeitsplatz klingt. Früh am Morgen hört man erst die Vögel, die draussen vor dem Haus in den alten Bäumen zwitschern, aber mit fortschreitender Stunde ertönen aus den Musikzimmern an der Zeughausstrasse in Frauenfeld immer mehr Instrumente. Insgesamt 32 kann man an der Jugendmusikschule lernen. Marcel Maij, der seit gut zwei Jahren als Co-Leiter tätig ist, übernimmt auf das neue Schuljahr die Gesamtleitung.

Seit der gelernte Kaufmann im Alter von 32 Jahren die Jazzschule St. Gallen absolviert hat, ist Musik seine Welt: „Musik ist mein Hobby, mein Beruf, meine Leidenschaft.“ Eben hat er zusammen mit der Romanshorner Musikschulleiterin Julia Kräuchi seine Masterarbeit über Fusionen von Musikschulen fertiggestellt. Dabei hat er festgestellt, dass im Thurgau mit seinen 14 Musikschulen eine bessere Schul- und Qualitätsentwicklung möglich ist als im Aargau mit seinen insgesamt 82 Musikschulen.

70 Lehrkräfte und 1100 Kinder

An der Jugendmusikschule Frauenfeld leitet Marcel Maij 70 Lehrerinnen und Lehrer. Diese unterrichten – zumeist in Teilzeit – 1100 Mädchen und Buben und vereinzelt auch Erwachsene. Marcel Maij freut sich auf die Herausforderung, ab Sommer zu 100 Prozent als Schulleiter zu arbeiten. „Einziger Wermutstropfen ist, dass ich nicht mehr selber unterrichten kann.“ Sein Instrument war und ist seit früher Jugend die Gitarre. In Musikschulen gilt sie als Klassiker, den die Kinder zusammen mit Blockflöte und Klavier immer wählen. Andere Instrumente sind Modeströmungen unterworfen. „Vor etwa zehn Jahren gab es eine Harfenwelle und vor zwei Jahren war das Hackbrett total in.“ Marcel Maij spielt in seiner Freizeit in zwei Formationen mit. Mit „Froilein Heidelberger“ macht er Soul, Pop und Rock; mit „Lö Fönk“ Soul und Funk. „Das ist rein hobbymässig“, betont er.

40-Jahr-Jubiläum mit 14 Anlässen

Einen typischen Tag im Berufsleben von Musikschulleiter Maij gibt es nicht. „Je nach laufenden Projekten bin ich mit ganz Unterschiedlichem beschäftigt.“ Im Zentrum seiner Arbeit steht Personalführung, Schulentwicklung, Organisation des Schulbetriebs und Verwaltung. Wichtig sei auch das Organisieren von Veranstaltungen, von denen es in diesem Jahr eine ganze Reihe gibt: Die Jugendmusikschule Frauenfeld feiert ihr 40-Jahr-Jubiläum mit insgesamt 14 Anlässen. Das Programm hat im Februar mit einem Kammermusik-Abend im Rathaus begonnen und wird im Dezember mit einer Glitzernacht an verschiedenen Plätzen in der Altstadt enden. Dazwischen lag der Festakt vom 26. April und liegen die Endausscheidung des Wettbewerbs „Contest 13“ am 26. Mai, ein Kinderkonzert mit Linard Bardill und dem Projektchor der Jugendmusikschule am 2. Juni oder das im Herbst erstmals durchgeführte Rock/Pop-Lager in Parpan.

PH vernachlässigt Fach Musikunterricht

Kerngeschäft der Thurgauer Jugendmusikschulen ist Instrumental- und Tanzunterricht für Kinder und Jugendliche. Weil es in Frauenfeld zwei private Ballett- und Tanzschulen gibt, ist dieser Bereich an der Jugendmusikschule rückläufig. Marcel Maij könnte sich eine Zusammenarbeit mit den privaten Schulen vorstellen. Im Moment stehen aber andere Projekte im Vordergrund. Besonders freut ihn die Zusammenarbeit mit der Primarschulgemeinde. In ihrem Auftrag führen Lehrkräfte der Jugendmusikschule seit zwei Jahren in den Schulanlagen die musikalische Grundausbildung für alle Erst- und Zweitklässler durch. Im ganzen Kanton erhielten zwar 80 Prozent der Erstklässler diese Ausbildung, doch in Frauenfeld erstrecke sie sich erfreulicherweise auch auf die Zweitklässler. „Schön wäre es natürlich, wenn der Unterricht bis zur sechsten Klasse stattfände.“ Musikunterricht stehe zwar auf dem Lehrplan der Primarschule, doch an der Pädagogischen Hochschule werde das Fach vernachlässigt.

Verschiedene Tarife

Organisiert sind die allermeisten der 14 Jugendmusikschulen im Kanton Thurgau als Vereine. Finanziert werden sie zu 50 Prozent durch den Kanton. Weil sich die einzelnen Gemeinden zudem in unterschiedlicher Höhe an den Kosten beteiligen, bezahlen nicht alle Eltern im Kanton gleich viel für den Instrumentalunterricht ihrer Sprösslinge. In Frauenfeld etwa gibt es vier verschiedene Tarife, die sich danach richten, aus welcher Wohngemeinde die Kinder und Jugendlichen kommen und wie alt sie sind. Im Zusammenhang mit der Finanzierung stört sich Marcel Maij neben diesen unterschiedlichen Tarifen auch daran, dass von „Subventionierung“ der Musikschulen die Rede ist. „Kultur ist nichts, was man subventionieren muss“, sagt er, „Kultur muss man haben. Die Volksschule wird auch nicht ‚subventioniert‘.“ Kultur sei das, was erhalten bleibe aus der Vergangenheit. Auch aus der Religion sei viel Musisches wie Architektur und Kunst entstanden.

Marcel Maijs Vision ist, dass jedes Kind die Möglichkeit hat, Musikunterricht zu besuchen, unabhängig vom Portemonnaie der Eltern. Noch sei es leider so, dass sich nicht alle Familien Instrumentalunterricht leisten könnten. “Dabei ist Musik eine Weltsprache, wie es sonst keine gibt. Mit einem Japaner kann ich mich zwar nicht verbal unterhalten, doch wir können gemeinsam musizieren und uns über die Musik verständigen.“ Musik verbinde Menschen, fördere das Miteinander, die Motorik, den Ausdruck. „Musikunterricht hat positive Auswirkungen auf alle anderen Schulfächer.“

www.jmf.ch

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