von Barbara Camenzind, 07.12.2020
Blinddate mit Edelholz

Das international agierende StradivariQuartett spannt in diesem seltsamen Advent 2020 mit spannenden Orten, sowie Klassik-Stars wie Benjamin Engeli und Marie-Claude Chappuis zusammen. Noch bis zum 24. Dezember reist die Formation durch die Schweiz, um mit ihrem musikalischen Adventskalender live oder per Livestream Menschen an ihrer künstlerischen Arbeit teilhaben zu lassen. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Wie gut, dass wir jemanden kennen, der jemanden kennt, der.... Oder zwei Branchen spannen zusammen. Maja Weber, die umtriebige Cellistin des StradivariQuartetts ist keine, die den Kopf in den Schnee, pardon, Sand steckt. Lasst uns etwas Gutes aus der schwierigen Situation der Kulturbranche und der Gastronomie machen, war wohl ihre Devise.
Sie stampfte mit ihren Ensemblemitgliedern, Musikerfreunden, Hotels und Gastronomiebetrieben einen virtuellen Adventskalender aus dem Boden, in der das Who-is-Who der alten mondänen Schweiz seinen Auftritt bekommt. Noblesse oblige.
Natürlich begann das erste Konzert am 1. Dezember im Grandhotel Dolder in Zürich. Der Aufbau ist immer gleich: Erst eine Führung durch das Etablissement durch den Hoteldirektor, dann wird in einem besonders schönen Raum musiziert. In Zürich wurde das Kaiserquartett in C-Dur von Joseph Haydn gegeben. Es passte formidabel in das schicke Ambiente und der klassische österreichische Charme überwand die digitale Distanz mühelos.
Selbst durch den Lautsprecher klingt es schön
2. Dezember: Kaiserlich ging es weiter. Im Rorschacherbergler Schloss Wartegg residierte 1919 Kaiser Karl von Österreich mit seiner Familie. Die Habsburger Emigranten waren nicht lange am Bodensee, da der jungen Republik die geografische Nähe zu Österreich Anlass zur Sorge bereitete. Heute ist das Schloss ein Biohotel mit einem hellen, nüchtern gehaltenen Konzertsaal.
In dem sich die elegische Klänge des Steichquartetts Nr. 6 in F-Moll von Felix Mendelssohn-Bartholdy samtig ausbreiten konnten. Im Schloss Wartegg war selbst durch die Lautsprecher deutlich zu hören, wie schön die Instrumente des Cremoneser Geigenbauers klingen können, wenn sie so meisterlich gespielt werden.

Teilhabe als Grundprinzip
Mal im Hotel Linde in Luftkurort Heiden AR, mal im Paxmontana-Hotel Flüeli-Ranft, am 19. Dezember im Berghotel Schatzalp in Davos: Jeden Tag bis Weihnachten zieht das Stradivari-Quartett weiter und spielt live um 14 Uhr am jeweiligen Ort. Die Konzerte können unter Einhaltung der Corona-Bestimmungen und dem gebotenen Platzangebot besucht werden. Eintritt muss keiner bezahlt werden, es wird um einen Kollekte gebeten.
Welche Musik gegeben wird und wer als Gast, wie beispielsweise der Pianist Benjamin Engeli oder die Mezzossopranistin Marie-Claude Chappuis mitmusiziert, wird erst beim Öffnen des Türchens bekannt gegeben. So ist das halt bei Adventskalendern. Und wer die „Stradivaris“ und ihre Gastgeber besucht, kann gerne auch etwas essen und trinken. Das freut die Wirtin/den Wirt und das ist Teil der Idee.
Kloster Fischingen und Kartause Ittingen sind auch dabei
Diese Idee hat einen besonderen Nebeneffekt. Spannende Künstler erleben, Musik live geniessen, ein Stück Schweizer Hotelkultur kennenlernen geht so auch ohne grosses Portemonnaie: So geht Teilhabe, die auch jenseits der Pandemie funktionierte. Das gilt es wertzuschätzen, ob vor Ort oder als Publikum im Netz.
Denn es ist ein Angebot der „Klassikschulade“, dieselbigen zu überwinden. Wir sind gespannt, mit welchen musikalischen Köstlichkeiten Maja Weber und ihr Team in den Wochen vor Weihnachten aufwarten wird. Auch der Thurgau ist zwei Mal Spielort: Am 9. Dezember im Kloster Fischingen und am 16. Dezember wird das Türchen zu „StradivariAdvent“ in der Kartause Ittingen aufgehen. Es lohnt sich sicher, dabei zu sein, virtuell oder live.

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