von Manuela Ziegler, 02.05.2025
Im Wasser zuhause

Die 28-Jährige Fotografin Milena Schilling zeigt in der Konstanzer Leica-Galerie ihre Fotoserie „Origio“ mit nackten Menschen im Bodensee. Für ihr Herzensprojekt hat sie fotografisches Neuland betreten. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Schon seit sie denken könne, sei sie eine Wasserrate, erzählt die in Konstanz lebende Fotografin Milena Schilling beim Gespräch in der Leica-Galerie Konstanz. Vor der Arbeit geht sie morgens im See schwimmen - auch im Winter. Im Alltag hat sie sonst zu wenig Zeit dafür.
Sie nennt drei Beweggründe für ihr Fotoprojekt mit 45 nackten Menschen im Bodensee: Die Bedeutung von Wasser als Lebenselixier, sein rares Vorkommen als Trinkwasser auf der Erde, und ein prägendes Schwimmerlebnis im offenen Meer. Das Urvertrauen, das sie dabei fühlte, hat sie zu folgendem Entschluss bewogen: „Mein nächstes Projekt werf ich ins Wasser“, wie sie lachend bekennt.

Spontane Einsatzfreude gefragt
Auf dem Weg zum Ursprung allen Lebens musste die junge Fotografin einige Hindernisse überwinden. Viele Parameter wie etwa Wind, Temperatur, Strömungsverhältnisse und Niederschläge erschwerten es, den optimalen Zeitpunkt fürs Foto zu erwischen. Für halbwegs klare Sicht kommen ohnehin nur die Wintermonate in Frage bei Temperaturen unter 12 Grad Celsius.
Ihre freiwilligen Modelle zu finden, war trotz der Kälte einfach. Den Anfang machte eine Freundin, über Mund-zu-Mund-Propaganda und Social Media fanden sich schnell weitere Mitwirkende. Geprobt wurden die verschiedenen Choreografien der Fotografin jeweils an Land.
Nach dem Kommando der Fotografin tauchten sie ins Wasser, aus technischen Gründen ist pro Tauchgang nur ein Foto möglich. „Ich habe das Bild im Kopf, wenn es nicht entsteht, drücke ich nicht ab“, sagt die Fotografin. Das forderte Ausdauer auch von den Mitwirkenden.

Bilder wie Gemälde
Schillings künstlerische Vorbilder sind Malerinnen der Renaissance, wie etwa Peter Paul Rubens. Sie will nicht nur den skulpturalen Charakter der Modelle widerspiegeln. „Ich möchte mit den Fotos daran erinnern, dass wir alle den gleichen Ursprung haben.“ Auf ihren Farbaufnahmen treiben die Nackten in Fötus-Haltung an der blaugrünen Wasseroberfläche, ihre Körper scheinen zartrosa.
Im angrenzenden, grossen Raum der Galerie hängen Schwarz-Weiss-Aufnahmen in verschiedenen Anordnungen, einmal in Form einer langen Wellenbewegung. Die Akte bewegen sich einzeln, zu zweit oder in Gruppen in den Grautönen des Sees. Halten sich, stützen sich gegenseitig, oder umschlingen sich. Die Figuren scheinen schwerelos.
Mal flankieren Algen das Motiv, mal erleuchtet Tageslicht die Szene, oder die schillernden Luftblasen der Modelle setzen Akzente. Es sind perfekte Bildkompositionen.

Beruf klar vor Augen
Die Fotografin hat nichts dem Zufall überlassen. Sogar einen Motorboot- und einen Segelschein habe sie gemacht, um geeignete Orte unter Wasser ansteuern zu können. Doch, wenn sie erzählt, haben ihr auch glückliche Zufälle und Talent den beruflichen Weg geebnet. Und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt habe, ziehe sie das durch. „Wenn man sich nicht traut, weiss man nicht, ob es klappt“, antwortet Schilling. „Und man hat nur ein Leben, in dem sollte man machen, was einen glücklich macht“, fügt sie hinzu.
Was sie glücklich macht, war früh klar. Als Teenagerin hatte sie mit dem Vater zusammen den Dachstock des elterlichen Bauernhauses in Grießen, Landkreis Waldshut, zum Fotostudio ausgebaut. Nach dem frühen Abi mit 17 überbrückte sie das Jahr bis zum Studienbeginn mit dem Praktikum in einer Designagentur. Und arbeitete bereits als selbständige Fotografin.
Anschliessend studierte sie an der Konstanzer Hochschule für Technik, Wissenschaft und Gestaltung die Fächer Fotografie, Film und Werbung. Bewusst habe sie sich als Art Direktorin in Hamburg beworben, um die andere Seite des Berufs kennenzulernen. In Dortmund hat sie ihr Masterstudium Fotografie absolviert und ist schliesslich wieder ihrer Seesucht gefolgt.
Glückliches Talent
Just während ihrer Fahrt zurück zum Bodensee wurde sie als Dozentin für Fotografie an der hiesigen Hochschule angefragt. Ein Glücksfall, dem weitere folgten. So stellte ihr die Firma Leica eine Profikamera, Aquatech ein Unterwassergehäuse zur Verfügung, als sie von dem Fotoprojekt erfuhren. Und nun kam die Leica-Galerie wegen der Ausstellung auf sie zu. Die 28-Jährige ist die jüngste Fotografin, deren Arbeiten bisher in diesen Räumen gezeigt wurden. Die Stadt Konstanz und die Firma Whitewall fördern die Ausstellung.
Über Wasser hält sie sich im beruflichen Alltag mit Werbe-, Unternehmens- und Porträtfotografie. „Am liebsten fotografiere ich Menschen“, sagt sie. Nicht jedem Fotografen – noch dazu in so jungen Jahren – gelingt es bei Medien wie Zeit, Spiegel und Stern zu landen. Auch international durfte sie bereits mehrfach ausstellen und hat schon zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
Die Ausstellung
Die Ausstellung «Origio» von Milena Schilling ist noch bis 12. Juli 2025 in der Leica Galerie Konstanz zu sehen.
Die Öffnungszeiten
Montag bis Freitag: 10 bis 18.30 Uhr
Samstag: 9.30 bis 17 Uhr
Oder nach Vereinbarung. Die Kontaktdaten gibt es auf der Internetseite der Galerie.

Biografie von Milena Schilling
Milena Schilling, geboren 1996, lebt und arbeitet als Fotografin in Konstanz am – und häufig im – Bodensee. Solowerke ebenso wie Gruppenausstellungen der jungen Nachwuchskünstlerin wurden bereits in Deutschland sowie international beispielsweise in Frankreich oder dem Iran gezeigt und mit bedeutenden Preisen gewürdigt.
Ländlich aufgewachsen auf einem ehemaligen Bauernhof in Süddeutschland, begann sie mit 14 Jahren, den Menschen durch die Linse zu erforschen. Doch nicht nur der Mensch – auch die umgebende Natur spielte schon immer eine prägende Rolle in ihren Werken. Ihre erste Spiegelreflexkamera finanzierte sie aus einem Erbe ihrer Großmutter und richtete ein Fotostudio auf dem elterlichen Dachboden ein. Schon als Schülerin sah Milena Schilling ihren Weg als Fotografin klar vor sich und liess sich von diesem Traum durch nichts abbringen.
Mit einem Bachelor in Konstanz und einem Masterabschluss in Photographic Studies in Dortmund trieb Milena Schilling ihre beeindruckende Karriere voran: Heute lebt sie nicht nur Vollzeit von ihrer Fotografie, sondern unterrichtet dieses Fach auch an der Hochschule Konstanz, wo sie als Stipendiatin für junge Professorinnen ausgezeichnet wurde. Ihre freien Projekte und Auftragsarbeiten basieren auf starken Konzepten und sind von künstlerischen Einflüssen durchzogen. Sie bewegen sich zwischen Corporate-, Editorial-, Porträt- und Werbefotografie.
Milena Schilling ist aktives Mitglied in Netzwerken wie dem BFF, dem Female Photoclub sowie dem Fotobus e.V. und engagiert sich ehrenamtlich als Jurorin bei Fotografie-Awards.

Von Manuela Ziegler
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