09.08.2011
Kulis KulThurbetrachtung 9

Um mich von meinen Kulturerlebnissen im Thurgau zu erholen, beschloss ich, nach Paris zu fahren. Mit dem TGV ist das keine Sache, man ist da, bevor man einen mittelprächtigen Krimi zu Ende gelesen hat.
Erst nahm ich mir einige Kirchen vor, dann die schönen Parks, die Seine, schliesslich widmete ich mich den Prachtboulevards. Fertig Ferien, schon hatte mich der Thurgau eingeholt. Bei der Pariser Stadtplanung kommt unser Arenenberger und Thurgauer Ehrenbürger Napoleon III ins Spiel. In seiner Amtszeit liess er die verwinkelten Teile der Stadt platt walzen und baute sie geometrisch auf, vor allem die breiten Boulevards in der Stadtmitte und die grossen Plätze sind das Resultat dieser Stadtplanung. Natürlich geschah dies nicht nur aus Freude am kreativen Prozess, vielmehr wollte Napoleon III, beeindruckt durch die Ereignisse von 1848, breite Strassen, damit man mit einer Armee besser gegen aufständische Bürger vorgehen konnte.
Einen Museumsbesuch, ohne an den berühmten Thurgauer erinnert zu werden, gibt es hier nicht. Auch bei der bildenden Kunst mischte sich der wackere Spross vom Untersee kräftig ein, die Unabhängigkeit der ‚Ecole des beaux arts’ war ihm ein Dorn im Auge. Die arrivierten Künstler verteidigten ihren Einfluss und auch ihren ‚Salon’, bei dem sie gute Geschäfte machen konnten. Dabei wachte eine strenge Jury über den Kunstgeschmack. Kurzerhand unterstützte Napoleon III die Konkurrenz und half, den ‚Salon des Réfusés’ auf die Beine zu stellen. Dabei zeigten nicht Feld-, Wald- und Wiesenkünstler ihre Werke, vielmehr ebnete Napoleon III Manet, Pissarro, Cézanne und weiteren Impressionisten den Weg, obwohl ihm die Bilder eigentlich gar nicht gefielen.
Nun frage ich mich, wie der Thurgau aussehen würde, hätte man den französischen Kaiser bei uns machen lassen. Wie wäre Napoleon III mit der unabhängigen Kulturstiftung umgegangen, wie mit der Kulturförderung durch den Kanton? Eines ist mir jetzt aber klar: Will man thurgaufreie Kulturferien, ist Paris definitiv das falsche Ziel.
Kuli

 
        