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von Barbara Camenzind, 28.08.2023

Neue Musik auf Krimipfaden. Oder: Wo ist Melissa G?

Neue Musik auf Krimipfaden. Oder: Wo ist Melissa G?
Viel Spass bei den Proben im öffentlichen Raum: das Team von Nœise heckt seine musikalischen Pfade durch Weinfelden aus. | © Nœise

Nach den drei Interaktionen im vergangenen Jahr, hat Nœise-Initiant Christoph Luchsinger drei neue Klangstreiche ausgeheckt. „Stadt-Land-See“ beginnt am kommenden Donnerstag mit “Stadt” in Weinfelden - und will das Publikum auf interaktive Klangpfade schicken. Ein fiktiver Kriminalfall, eine Gerichtsverhandlung, das Haupt der Medusa, Stimmen im Ohr und der Musikverein Weinfelden als Komplize: Nœise bringt wieder lustvoll neue Töne unters Volk. 

 
Um Anmeldung wird gebeten. Und: Glauben sie ja nicht, bei dem „Konzert“ können Sie sich in den Sessel fläzen. Sie werden eingeteilt. Mitnehmen müssen Sie das Handy und Kopfhörer. Kunst konsumieren war einmal. Klänge erleben und aktiv mitgestalten: Das ist Nœise 2023. In dem multimedialen Musiktheater in der Stadt Weinfelden, wie Christoph Luchsinger in seiner Pressemitteilung schreibt, wird das Publikum auf drei Pfade geschickt.
 
Aber ganz der Reihe nach, ein Versuch der Projekt-Auffädlung: Wo ist Melissa G? Der Privatdetektiv Percy wird beauftragt sie zu suchen. Die Spur führt zu einem Serienmörder, einem Monster… Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung im Rathaus Weinfelden, die aus verschiedenen Perspektiven gesehen und gehört werden kann. Basierend auf dieser Ausgangsgeschichte entwickeln die Protagonisten drei Performance-Pfade, zu denen man sich als Publikum einteilen lassen kann: 
 
1.     Der Audio-Video-Spaziergang. Hier wird das Publikum multimedial in die Geschichte eingebunden, mit Ankläger, Verteidigung und der Stadt Weinfelden mitsamt Musikverein als raumklingende Mitakteure. 
 
2.     Die geführte Tour, eine Art Variante der „schrägen Stadtführung“, wie sie Rorschach kennt, in der der Komponist und Performer Léo Collin zusammen mit seiner Kollegin Rita Bänziger, ebenfalls Komponistin, Schauspielerin und Sängerin, die Sage von Perseus und Medusa mit der Stadt, den Klängen und der Ausgangsgeschichten verweben. Ein Balanceakt zwischen Realität und Virtualität - oder altmodisch ausgedrückt, zwischen der mythischen Überhöhung und dem konkreten Narrativ. 
 
3.     Der Rätselpfad, die interaktive Schatzsuche durch Weinfelden: Hier ist das Publikum grundsätzlich selbst aktiv mit Handy, QR-Codes unterwegs. Auf diesem Pfad durch Weinfelden sind die Schatzsuchenden aufgefordert, sich klanglich und künstlerisch auch mit der Bedeutung des Überwachungskapitalismus auseinanderzusetzen. Restaurants, eine Bar, ein Fitnesscenter und ein Hotel, ganz alltägliche Orte werden zur Bühne für Neue Musik. 

 

Auf Video mit dabei: der Musikverein Weinfelden, hier bei der Probe. (Foto: Nœise)

Alte Bekannte und Erinnerung an „Stadt als Bühne“

Mit dabei als Akteurin und Performerin wird auch wieder Naomi Schwarz sein, die schon in vergangenen Nœise-Produktionen als rätselhaft-schöne Bewegungskünstlerin zu bewundern war. Der Franzose Léo Collin, der moderne Klangentwicklung, Samples, Poesie, Kompositionskunst und feinsinnige Gesellschaftsanalyse in seinen Arbeiten vereinigt, lässt offen, was passieren wird, wenn man in das Gorgonenhaupt blickt. 
 
Überhaupt wollen Christoph Luchsinger und sein Team noch nicht allzu viel verraten, sonst bleibts ja nicht spannend. Als Perseus Medusa den Kopf abschlug, entsprang ihrem Körper Pegasos, das geflügelte Dichterross. So wie in der griechischen Sage, erschafft das Grausige oft auch Schönes. Nœises neuester Streich lädt dazu ein, sich ganz neu auf einen Stadtkörper einzulassen, ihn mit Klängen und Clustern neu wahrzunehmen. 
Das Projekt erinnert an „Stadt als Bühne“, das soziologische Projekt, das in den Nullerjahren von Selina Ingold und Mark Riklin in Rorschach durchgeführt wurde. Allerdings stellen diese szenischen Eingriffe in einen Stadtkörper, wie sie Christoph Luchsinger, unterstützt auch vom Technik-und Digitalteam Leandro Gianini und Dalius Singer die so genannt Aufsuchende Öffentlichkeitsarbeit noch einmal auf ein anderes Level, mit künstlerisch-musikalischem Fokus und noch etwas mehr Hintersinn. Auf jeden Fall wird thurgaukultur.ch an diesem Fall der Melissa G. dranbleiben und berichten. 

 

Hoch gepokert beim Nœise-Musikkrimi? Das lässt sich nächstes Wochenende in Weinfelden herausfinden. Spielkarten liegen auf dem Tisch.
Hoch gepokert beim Nœise-Musikkrimi? Das lässt sich nächstes Wochenende in Weinfelden herausfinden. (Foto: Barbara Camenzind)

Aufführungsdaten: 

Es finden jeweils 2 Performances pro Tag statt.
 
Donnerstag, 31. August 2023
Performance 1: 19.00 – ca. 20.30 Uhr
Performance 2: 20.15 – ca. 21.45 Uhr
 
Freitag, 1. September 2023
Performance 1: 19.00 – ca. 20.30 Uhr
Performance 2: 20.15 – ca. 21.45 Uhr
 
Samstag, 2. September 2023
Performance 1: 13.30 – ca. 15.00 Uhr
Performance 2: 14.45 – ca. 16.15 Uhr
 
Treffpunkt für alle Aufführungen: Rathaussaal Weinfelden (Rathausstrasse 2, 8570 Weinfelden)
 
Eintritt frei, Unkostenbeitrag willkommen
 
Platzreservation über www.noeise.ch erwünscht, begrenzte Platzzahl! 
 
Die Performance beinhaltet auch einen Audio-Video-Guide: Bitte bringen Sie Ihr Mobiltelefon und passende Kopfhörer mit! 

 

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