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von Inka Grabowsky, 25.08.2023

Stadtlabor im Stadtmuseum

Stadtlabor im Stadtmuseum
Museums-Mitarbeiterin Vanessa Karrer zeigt die ausmasse des Piktogramm-Kubus. | © Inka Grabowsky

Im Kreuzlinger Rosenegg-Museum stellen Bürgerinnen und Bürger aus, was sie an die Stadtgeschichte erinnert. Die Kuratoren ergänzten aus der eigenen Sammlung. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

«Manche Kreuzlinger haben wohl nur darauf gewartet, endlich ihre Geschichte erzählen zu können.» Der Leiter des Rosenegg-Museums, David Bruder, freut sich über die grosse Resonanz auf seine Bitte, Gegenstände aus der Kreuzlinger Geschichte ins Museum zu bringen. Das Transformationsprojekt, das mit kantonalen Mitteln gefördert wurde. transformierte das Museum tatsächlich: Es wurde partizipativ. «Es hat den Menschen viel Freude gemacht, sich zu beteiligen. Und auch wir haben das sehr genossen.» 

Für einmal durften die Museums-Mitarbeiter Detektive spielen und erforschen, woher ein Objekt stammt und was es zu erzählen hat. Nun will das Museum Rosenegg mit den Betrachter:innen der aussergewöhnlichen Gegenstände ins Gespräch kommen. Die Stadt habe sich stark gewandelt und wandele sich weiter, meint Bruder. «Wir stellen auch die Frage: Verändert sich die Stadt zu sehr? Denn das bewegt die Menschen.» 

Ein Leuchtturm im Foyer

Die Kreuzlinger Künstlerin Marianne Jost-Schäffeler schuf 1975 für das neue Egelsee-Areal bunte Piktogramme, die auf die Schule, die Tribüne oder die Saune hinweisen sollten. «Wenn ihr Mann nicht gesehen hätte, dass der Kubus Anfang der 2000er abgebaut wird, wären die Glas/Plexiglas-Paneele vielleicht einfach entsorgt worden. So lagerten sie im Keller der Künstlerin und können uns nun von den siebziger Jahren erzählen, als Piktogramme den Menschen den Weg wiesen.» 

Nicht alles ist nach 50 Jahren immer noch verständlich: Ein Doppelkreuz weist auf eine Röntgenstation hin. «Damals wusste jeder, dass Reihen-Röntgen-Untersuchungen gegen die Tuberkulose eingesetzt wurden.» Geschichten wie diese sind auf Objektkarten gedruckt, die jeder Besucher mitnehmen kann. 

 

Die Bilder des Stereoskops sind über rot-grün Brillen auch in der Vergrösserung zu bewundern. Bild: Inka Grabowsky

Ein lohnenswerter Blick auf die Details

Die farbenfrohe grosse Installation prägt das Foyer des Museums. Doch es lohnt sich, auch die unscheinbareren Schaustücke zu betrachten und zu hinterfragen. Bereits Anfang der fünfziger Jahre brachte jemand einen hölzernen Pfahl ins Museum. Damals wurde die Flachwasserzone an der Seestrasse aufgeschüttet – ein Ölgemälde zeigt die Situation vor der Massnahme. Artefakte aus Zeit der Pfahlbauer wurden unzugänglich, bis auf diesen einen behauenen Holzstamm. 

Neben ihm in der Vitrine zeugen Steinbeile von der Besiedlung der Region vor Jahrtausenden. An ihrer Seite - auf den ersten Blick unverständlich – kleine ägyptische Grabfiguren aus etwa der gleichen Zeit. «Sie gehörten zu einer Antiken-Sammlung, den dem Museum von Max Schuler, dem Besitzer der Seifenfabrik Emmishofen, übereignet wurde», erklärt David Bruder. «Und deshalb sind sie Zeuge unserer eigenen Sammlungsgeschichte.» 

Sammlungsgeschichte erzählt auch Stadtgeschichte

Zwei Gewehre verweisen ebenfalls auf die Entwicklung des Museums. Sie sind die Reste einer umfangreichen Waffensammlung, die irgendwann einmal nicht mehr ins Programm des Heimatmuseums passte und abgegeben wurde. 

Das Rosenegg-Museum begann als «Sammelsurium», wie Bruder erklärt. «Es war wie eine Wunderkammer. Und sie wurde in den dreissiger Jahren stark gefüllt, weil die Regierung mit Blick auf einen möglichen Krieg und damit verbundenen Bombenangriffen appellierte, die Estriche von brennbaren Gegenständen zu entrümpeln. Man fürchtete Brände. In der Zeit kamen zahllose Möbelstücke und alte Werkzeuge zu uns.» 

Erst nach und nach konnten die Dinge geordnet und inventarisiert werden. «Wir sind immer noch daran», so der Museumsleiter. 

 

Eine Truhe erinnert an Louis Sauter, der die Pfadi Sturmvogel in den vierziger Jahren leitete. Patriotismus und Militarismus gehörten dazu. Bild: Inka Grabowsky

Industriegeschichte im Obergeschoss

Kreuzlingen blickt auf eine lange Industriegeschichte zurück. Heute sind nur noch Spuren davon im Stadtbild erhalten. Von der Seifenfabrik am Emmishofer Zoll sind nur noch Bilder erhalten, die in der Rosenegg mit Hilfe eines Stereoskops Tiefenwirkung bekommen. «Wir bekamen das Gerät, nachdem es jemand auf den Flohmarkt gefunden hatte. Lieder wissen wir nichts über den ursprünglichen Besitzer.» Perfekt ergänzt es nun die museumseigene Sammlung an Plakaten, Briefen und Seifenstücken.

«Sehr schmerzlich war der Niedergang der Ski- und Wanderschuh-Fabrik Raichle in den Neunziger Jahren», erzählt der Kurator der Ausstellung. Stolz zeigt er einen transparenten Skischuh, der auf Messen zeigen sollte, wie man den Schuh individuell an den Träger anpassen konnte. 

Daneben steht ein auffälliges futuristisches Modell aus dem Jahr 1968: «Das ist der Fiber-Jet», erklärt David Bruder. «Ein weiters Exemplar davon steht im MOMA in New York.» Man klappt ihn seitlich auf, um ihn an- und auszuziehen. Ausserdem trug man ihn mit einem separaten Innenschuh, mit dem an sich in der Skihütte bequem bewegen konnte. 

Nicht auf die Sonderausstellung beschränkt

Das «Stadtlabor» soll nachhaltige Wirkung haben. Die Ausstellung «Mass und Gewicht» wandert nach 15 Jahren im Museum im November in den Kulturgüterschutzraum und wird dort bei Führungen weiter zugänglich sein. Statt ihrer zieht das Stadtlabor in den Raum hinter dem Foyer, um neue Geschichten zu erzählen. 

«Es war schön, über Wochen und Monate Gegenstände zu sammeln, und dann mit unseren Beständen zusammenzuziehen», sagt Laurent Schmidt, der wissenschaftliche Mitarbeiter des Museums. «Es gab spannende Kombinationen für fantastische Geschichten.» Museumsleiter Bruder ergänzt: «Es ist wie ein Gewebe: Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Zukünftig hätten wir gern mehr Zeit dafür, die Bezüge aufzuzeigen.» 

 

David Bruder vom Museum Rosenegg und Kai Kopp von der Schule der Jugendmusik Kreuzlingen planen das Eröffnungsfest am 26. August. Bild: Inka Grabowsky

 

Samstag, 26. August: Fest mit Quartierverein und Jugendmusik

Die Sonderausstellung «Stadtlabor» wird am 26. August mit dem «Rosenegg-Fest» eröffnet. Zum ersten Mal spannen Museum, Quartierverein Emmishofen und die benachbarte Jugendmusik Kreuzlingen zusammen. Zwischen 11 und 17 Uhr kümmert sich der Quartierverein um die Festwirtschaft. Die Jugendmusik gibt in loser Folge Konzerte und stellt die Instrumente vor, die man an der Schule spielen lernen kann. Im Museum gibt es einen kleinen Flohmarkt, den die Ehrenamtlichen des Museums organisieren. Ein perfektes Fotomotiv wird Otto Egloff zur Verfügung stellen, wenn er mit dem Chrysler von 1936 vorfährt, mit dem die Fotografin Saskia Egloff in der Stadt unterwegs war.

Rahmenprogramm zur Sonderausstellung «Stadtlabor»

15. 9.23, 19 Uhr 

Vortrag: «Schlangen, die vom Himmel fallen»: Über den Kreuzlinger Vortrag des Begründers der Kulturwissenschaft Aby Warburg. 

 

20.10.23, 19 Uhr

Gesprächsrunde: «Was ist die Stadt?»

 

2. 11.23, 19 Uhr

Lesung: «Die Schweiz hat den frechen Zumutungen der herrschsüchtigen Grossmächte getrotzt» 

 

Mehr Termine:  https://www.museumrosenegg.ch/veranstaltungen 

 

Die Ausstellung ist geöffnet freitags, samstags und sonntags jeweils am Nachmittag.

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