von Rolf Müller, 23.08.2014
Stark wie ein Indianer

Willi Oertig malt nicht nur gut, sondern ist immer noch sein eigener bester Vermarkter. An der Vernissage im Seemuseum Kreuzlingen zog er alle Register: Träf, sympathisch – und erfolgreich.
Rolf Müller
Der seit 1989 im Thurgau lebende Künstler hatte eine sehr kurze Ansprache vor den rund 120 Gästen der neuen Ausstellung in Aussicht gestellt. Das mochte man fast nicht glauben, gilt er doch als grosszügig mit Worten. Die Spannung stieg darum nach der Begrüssung von Museumsleiter Walo Abegglen und der Würdigung der Thurgauer Kulturministerin Monika Knill.
Starke Stimmungen
Es sei bekannt, dass er gerne Geschichten erzähle, hob Oertig an. Man dachte: Jetzt gehts los! Er sagte: “Seit 43 Jahren male ich Ölbilder. Ich mache es kurz: Grosser Grind, grosser Schnurri, grosse Kunst. Danke.” Die Leute waren begeistert. Wie oft an Ausstellungen des 67-Jährigen zog er Besucherinnen und Besucher ebenso in den Bann, wie es seine Werke tun.
Noch bis am 26. Oktober 2014 zeigt das Seemuseum eine hervorragende Auswahl seiner See- und Wasserbilder. Dreiundvierzig Werke sind ausgestellt, davon befindet sich die Überzahl in Privatbesitz. Die realistischen, gleichzeitig verfremdeten und meist menschenleeren Alltagsmotive erschaffen starke Stimmungen, denen sich nur schwerlich zu entziehen ist. Das gilt besonders auch für seine Wasserbilder.
Chronist der Entwicklungen
Willi Oertig, der sich selbst als Indianer bezeichnet (“Mental bin ich so stark wie ein ganzer Stamm”), genoss das wohlwollende Publikum, machte hier eine Kaufanregung, erklärte da seine Welt und wusste noch, welcher Gast schon einmal ein Bild von ihm gekauft hatte und welches nun noch ideal dazu passen würde.
Rund tausend Bilder hat er schon gemalt, nur etwa dreissig davon befinden sich noch in seinem eigenen Besitz. “Ich male für euch”, pflegt er zu sagen. Tatsächlich funktionieren seine Bilder auch als eine Art Chronik des nun nicht mehr ganz so ländlichen Kantons Thurgau. Sie zeigen eine Zeit, als es in Bahnhöfen noch Billette und nicht Kebap zu kaufen gab, wie Regierungsrätin Knill anmerkte. Auch an der Vernissage war das Kaufinteresse gross.
Aushalten können
Im Verlauf der Ausstellung gibt es am 28. September auch eine Veranstaltung, in der Oertig mit Kindern malt. Was brauchen sie für Voraussetzungen, sollten sie danach selbst Künstler werden wollen? “Einen starken Willen. Man muss alleine sein können und einen Platz etwas am Rand der Gesellschaft einnehmen, sonst wird man vom Mainstream überspült. Die Masse ist stärker als der Einzelne. Das muss man aushalten können.”

Erklärt seine Welt: Willi Oertig mit Regierungsrätin Monika Knill und Andreas Netzle, Stadtammann Kreuzlingen (Bild: Rolf Müller)
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Weitere Informationen
Lichtblaue Stimmungen - Thurgauer Zeitung vom 29.8.2014
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