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25.11.2020

Tobias Pagel erhält Feldkircher Lyrikpreis 2020

Tobias Pagel erhält Feldkircher Lyrikpreis 2020
Ausgezeichnet: Tobias Pagel erhält den Feldkircher Lyrikpreis 2020. | © zVg

Im Zwiegespräch mit dem Planeten und sich selbst: Der in Konstanz lebende Dichter und Lehrer holte sich mit seinen zeitgeistigen Gedichten den ersten Preis des Feldkircher Theater am Saumarkt. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Lyrik ist ja oft auch Abbild unserer Zeit. Keine andere literarische Form kann so unmittelbar auf das Jetzt reagieren. Da passt es ganz gut, dass in diesem Jahr Tobias Pagel den Feldkircher Lyrikpreis bekommt. Der in Konstanz lebende Dichter und Lehrer schreibt über das Hier und Jetzt und zeigt uns unsere Welt in einem poetisch-melancholischen Licht. „Die Gedichte werfen ein Blitzlicht auf dieses momentan unauflösliche Spannungsfeld, sind Wimmelbilder des als Anthopozän gelabelten Zeitalters, in dessen Landschaften viel menschengemachte Dynamik sichtbar wird“, lobt die Jury in ihrer Laudatio.

So klingen Gedichte von Tobias Pagel

was trägst du da in deinem brustkorb spazieren? eine gute
frage, fragile landschaft. wir zählen eins und eins zusammen,
nehmen uns ins gebet. verbrieft ist die faszination fremder
zungen, spaltbares material. deine lippen sind begehbare
auslagen, mein mund ein offenes geheimnis. eins ergibt das
andere. deine pupillen: ich-kreise, singularitäten. deine haut ist
ein positionspapier, deine zunge: eine warteschlange. bis wir
die falsche antwort sind, uns abziehen, wunde rachen. bis
weniger bleibt als die summe unserer teile, gespinste aus luft.

 


 

du siehst den ort. the place to be. die partitionen.
planquadrate, parallelen. du siehst: den stauraum,
komprimiertes. den überlandverkehr: autopiloten,
kilometerfresser, leichtflüchtige elemente. unter tage:
sedimente, seltene erden, schichtwechsel. die eltern meiner
eltern meiner. du siehst: im niemandsland: flurbereinigte
landschaftsreserven, fragen der nachverdichtung, spaltmaße. in
den wachstumsfugen knirschen: vor-orte, kapital anlagen,
dislozierte heimatsplitter. du siehst: die knotenpunkte streuen
schon: nester aus licht. neue formen von: erosion. 

Der Feldkircher Lyrikpreis wird seit 2003 in der Stadt Feldkirch in Vorarlberg vom Theater am Saumarkt vergeben. Die Künstlerin und Schriftstellerin Erika Kronabitter hatte ihn damals initiiert. Sponsoren sind die Österreichische Bundesregierung, Vorarlberger Regierungsinstitutionen, Banken sowie eine Privatstiftung.

Pagels Gedichte, so schreibt Laudator Lars Arvid Brischke weiter, seien Ballungsräume „der Seelen- und Nutzlandschaften, die sie beschreiben und sie zeigen die Grenzen auf, die diese Landschaften durch ihre Beschaffenheit dem Menschen setzen.“

Video: Tobias Pagel liest eines seiner Gedichte

Der zweite Preis geht an Simone Scharbert

Der zweite Platz des Wettbewerbs geht an Simone Scharbert. Die Dichterin zeige die Tragik von Frauenschicksalen, schreibt die Jury. Frauen, die im Schatten anderer standen, werde in den Versen von Simone Scharbert ein beeindruckendes Denkmal gesetzt. Der dritte Preis des Wettbewerbs wird in diesem Jahr erstmals als Publikumspreis vergeben: Noch bis Samstag, 28. November, 17 Uhr, kann per Mail abgestimmt werden. Wer mitmachen will, findet hier alle Infos.

Video: Simone Scharbert liest ein Gedicht

 

Das ist Tobias Pagel

Tobias Pagel, geboren 1981 in Sigmaringen, lebt und arbeitet in Konstanz als Lehrer, seit Wintersemester 2016 auch als Lehrbeauftragter für eine Textwerkstatt Lyrik an der Universität Konstanz. Studierte Germanistik, Geschichte und Sportwissenschaft sowie am Studio für Literatur und Theater in Tübingen. Schreibt vor allem Gedichte sowie Lieder und fotografiert. Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, zuletzt in „die horen“ (274) und „metamorphosen“ (25). 2017 und 2019 Stipendiat des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg. 2017 Finalist beim 25. Open Mike in Berlin und beim 20. Leonce und Lena-Preis in Darmstadt, 2019 Finalist beim Irseer Pegasus. 1. Preis bim 18. Feldkircher Lyrikpreises 2020.


 

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