von Katrin Zürcher, 16.06.2014
Trommelwirbel und Trachtenglück

Ausgelassen feiert der Thurgau am Wochenende in Frauenfeld: Zehntausende von Besucherinnen und Besuchern vergnügen sich am eidgenössischen Tambouren- und Pfeiferfest.
Katrin Zürcher
„Z Basel a mim Rhii, joo do mecht i sii …“: Trotz dieser häufig gehörten Melodie scheint es den Pfeifern ganz wohl zu sein in Frauenfeld an der Murg, und auch die Trommler wirbeln sich mit eindrücklicher Präzision durch die Gassen. Seit Donnerstag haben die rund 100 Gruppen am 26. eidgenössischen Tambouren- und Pfeiferfest um die Wette gespielt; am Sonntagnachmittag ziehen sie bei der sprichwörtlichen Sonne über Frauenfeld durch die Stadt, unermüdlich beklatscht von einem begeisterten Publikum. Nachwuchsprobleme scheint diese Musik, obschon nicht dem Massengeschmack entsprechend, nicht zu kennen: In vielen Gruppen spielen junge Leute mit, in manchen sogar Kinder. Die zum Teil militärisch anmutenden Uniformen – mal napoleonisch, mal preussisch inspiriert – schrecken sie offenbar nicht ab.
Huldvoll grüsst die Regierung
In manchen Walliser Örtchen scheint das halbe Dorf bei den Tambouren und Pfeifern dabei zu sein, so gross sind ihre Gruppen. An der Spitze jeder Formation schreiten Fähnrich, Dirigent und Ehrendamen. Letztere tragen fast alle die Tracht ihrer Kantone – auch blauweisse Thurgauer Werktagstrachten sind dabei. Von den umstrittenen Dirndln ist weit und breit nichts zu sehen. Zur Eröffnung des Umzugs defiliert grüssend allerlei Thurgauer Politprominenz in offenen Oldtimern vorbei. So royal-huldvoll wie Regierungspräsident Claudius Graf winkt niemand sonst. Auch wenn an den drei Festtagen kaum die angekündigten 100‘000 Besucherinnen und Besucher aufmarschieren, so sind es für Frauenfelder Verhältnisse doch extrem viele. Und sie sind extrem festfreudig!
Die Hütt’n vor der Thurgauer Zeitung
Am Samstagabend wähnt man sich eher in einer quirligen Stadt Lateinamerikas denn im Thurgauer Kantonshauptort. Immer wieder trifft man in den Strassen auf ausgelassen tanzende Menschen, viele mit bunten Stoffblütenkränzen geschmückt. An jeder Ecke spielt eine Band, und jede zieht eine bestimmte Altersklasse an. Ob Rock’n’Roll, Deep House oder „Hudigäggeler“ – für alle ist etwas dabei. Volkstümlich geht es auf der „Alp14“ beim Meitlibrunnen in der Altstadt zu und her, bayrisch-bierselig in der „Hütt’n“ vor dem Gebäude der Thurgauer Zeitung. Vielleicht könnte man das urchige Chalet ja gerade stehen lassen als neue Heimat für die Redaktion. Dann müsste sie nicht demnächst ihren angestammten Sitz in Blicknähe zur Kantonsregierung verlassen und ins Kurzdorf übersiedeln.
Im freien Fall
Während im nächtlichen Luna-Park das beleuchtete Riesenrad Prater-Stimmung verbreitet, lassen sich die Adrenalin-Junkies ein ums andere Mal für zehn Franken auf 80 Meter Höhe heben, um im freien Fall vom Swiss Tower hinunterzusacken. Früher oder später treibt der Hunger aber fast alle zu einem der über 50 Essensstände oder Festzelte. Durch die Promenade wehen die Düfte von indischem Curry und Bratwürsten. Vor der Pizzeria Cittadella gibt es noch einen freien Tisch. Eine Gruppe Männer, die eben noch pfeifend vorbeigezogen ist, lässt sich daran nieder und bestellt eine Runde Bier. Noch einmal heben sie ihre zierlichen Piccolo-Flöten an die Lippen und spielen „Z Basel a mim Rhii …“. Dann legen sie die Instrumente ab und stossen mit ihren Humpen an: Auf das 26. Eidgenössische, auf Frauenfeld an der Murg.
Bilderbogen (Kathrin Zürcher)

Manche Uniformen muten militärisch an.

Piccolos und Lorbeerkränze: Eidgenössisches Tambouren- und Pfeiferfest in Frauenfeld.

Auch Trachtenliebhaber kamen auf ihre Kosten.

Fantasievolle Uniformen und hohe Flötentöne am Tambouren- und Pfeiferfest.

Regierungspräsident Claudius Graf grüsst aus dem blumengeschmückten Oldtimer.
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