von Katharina Alder, 02.08.2012
Über das Vertrauen ins Volk und dessen Theater

In Hagenwil zeigt Walter Andreas Müller sein Können als Volksschauspieler. Ein Bericht unter anderem über Regie-Ideen.
Katharina Alder
Längst ausverkauft sind die Vorstellungen des Stücks „Der eingebildete Kranke“, das bis 1. September im Wasserschloss Hagenwil aufgeführt wird. Thurgaukultur hat einer Hauptprobe und der Generalprobe beigewohnt, wobei sich dieser zweimalige Besuch als sehr dienlich erwies. Die Ratlosigkeit dem Gesehenen gegenüber nach der ersten Hauptprobe relativierte sich dank eines kurzen Gesprächs mit Regisseur Florian Rexer vor der Generalprobe glücklicherweise ein wenig, was eine Berichterstattung zum Stück doch noch möglich machte.
Ohne künstlerischen Anspruch
Auf die Frage nach den Gründen der Stoffwahl stellte sich heraus, dass Rexer einerseits eine passende Hauptrolle für Walter Andreas Müller (WAM) bieten, andererseits eine für das Volk verständliche und somit eingängige Komödie finden musste, wobei er Shakespeare und seine Sprache bereits als zu hochstehend betrachtete. Molière war seine Lösung und das Genre ganz klar Volkstheater, laut Rexer ein einfaches Ding, wo die Leute danach zusammen ein Bierchen trinken. Einen künstlerischen Anspruch habe er keinen.
Nun denn. Für mich als Verantwortliche für die Theaterkritik hat Rexers Verweigerung eines künstlerischen Anspruchs zur Folge, dass auch ich mich der ernsthaften und möglichst objektiven Reflexion einer allfälligen künstlerischen Arbeit entziehe und mich somit, zugegebenermassen verärgert über solch despektierliche Äusserungen, lediglich auf einer persönliche Ebene zum gebotenen Stück und den Darstellern äussern kann.
Wegen WAM aus dem Häuschen
Die Aufregung vor der beinahe vollbesetzten Generalprobe, war dank des Stargastes gross, das Publikum bereits vor dem ersten Wort von WAM komplett aus dem Häuschen. Diesen Vorschusslorbeeren oder eher der bewundernden Haltung der Zuschauer wurde er auch gerecht. Müller beherrscht das Spiel des Volkstheaters perfekt. Ganz genau weiss er seine Mimik und Gestik einzusetzen, sein Timing ist absolut präzise. Davon lebt der ganze Abend und steht oder fällt mit der jeweiligen Schauspielerkombination, die auf Bühne agiert.
Der erste Teil des Stücks ist stark geprägt von Einfällen der Regie, wobei jedem selbst überlassen sei, ob er Spässchen mit eingespielten Fürzen und verschissenen Windeln lustig findet. Als besonders gelungen erachte ich vor allem den zweiten Teil mit dem Auftritt von Hans Rudolf Spühler als Béralde und Jan Opderbeck in verschiedenen Rollen, wobei letzterer bei meinem Humorzentrum ins Schwarze traf. Bigna Körner als Toinette hielt WAM mit meist kraftvollem Spiel wacker die Stange. Als vorgegaukelter Arzt mit Münchner Akzent und Wischmob auf dem Kopf fiel sie aber unglücklicherweise einem weiteren Gag zum Opfer.
Gut in den ernst genommenen Passagen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Abend Zug bekommt, wenn Rexer seine Darsteller Molière spielen lässt und die Komödie allen Genregedanken zum Trotz ernst nimmt und nicht albern absumpfen lässt. Walter Andreas Müller als Publikumsmagnet und Zugpferd ist absolut treffend in seiner Rolle, versteht sein Handwerk im Detail und bietet zusammen mit seinen Berufskollegen streckenweise ganz unterhaltendes Volkstheater.
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Besprechung in der "Thurgauer Zeitung"

 
        