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von Samantha Zaugg, 29.11.2018

Von Männern und Schubladen

Von Männern und Schubladen
Können auch schon posen für Bandfotos: The Solar Temple - einziger Finalist aus dem Thurgau beim diesjährigen BandXOst. Von Links: Giovanni Fortunato, Raffael Burri, Jan Kiper, Raphael Schmid, Vincenzo Restuccio. Es fehlt: Severin Beerli. | © Samantha Zaugg

Beim Final des grossen Ostschweizer Contests «BandXOst» ist die aus dem Thurgau stammende Band The Solar Temple gerade Dritte geworden. Wir stellen die Musiker jetzt ausführlich vor: Im Interview sprechen die Jungs über Drogen, Schubladisierung und das Marktmonopol in der Musikszene. 

Sprechen wir über Drogen.

Jan: Das fängt ja gut an.

Wie steht ihr dazu?

Raffi: Liberal. Also sicher keine Ablehnung. Aber Respekt.
Jan: Es kommt auch darauf an, was für Drogen. Alkohol und Tabak sind ja auch Drogen.

Eure Band definiert sich aber schon über Drogen.

Raphi: Ich glaube, das ist nur der Eindruck, den man vermutlich von der Musik bekommt.

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Ihr habt Songs mit Lyrics wie «the mushrooms you took are setting» oder «Sleepless nights caused by psychoactive substances». Das finde ich jetzt schon recht explizit.

Gio: Es geht immer um den Kontext. «The Mushrooms», das ist aus dem Song «Tripping back to the Gulag». Der Song erzählt die Story eines Typen, der sich in Drogen verliert und dementsprechend halt Scheisse baut. Später im Song kommt dann auch Mord vor. Ich bin kein Fan von Mord. Nur weil ich über etwas singe, muss das nichts heissen. Aber ja, bei «Minds Garden», da ist es eine Verherrlichung, ganz klar.
Vinc: Songs erzählen immer Geschichten. Ein Teil sind eigene Geschichten, ein anderer Teil sind solche, die man mal gehört hat, oder sich einfach vorstellt. Songs können auch Warnungen sein für gewisse Sachen.
Raphi: Psychedelische Musik wird immer schnell in Verbindung gebracht mit psychedelischen Drogen. Oft ist es aber nur ein Stilmittel.

Reinhören: Tripping back to the Gulag



Ein anderes Stilmittel sind eure Looks. Kleidung, Logo, Covers, das erinnert alles an die Sixties, Seventies. Ihr distanziert euch aber davon, eine Revival Band zu sein. Wieso?

Raphi: Ich glaube nicht, dass wir uns bewusst davon distanzieren. Ich finde, wir sind schon nicht voll Sixties Sound. Das hättest du in den Sixties, Seventies so nicht gehört. Aber trotzdem, wird man in diese Schubladen gesteckt.
Raffi: Wir sind einfach keine Revival Band, wir machen eigenständige Musik. Klar hat man private Interessen, und die haben dann einen Einfluss. Aber gerade in unserem Sound sind die Sixties nicht massgebend.
Gio: Ganz am Anfang haben wir schon überlegt, eine Revival Band zu sein. Als wir die Band gründeten mussten wir einen gemeinsamen Nenner finden um uns überhaupt festzulegen wohin es geht. Und das mit der Kleidung und den Instrumenten, das sind mehr persönliche Präferenzen. 

Link zu Instagram-Video der Band 

Werdet ihr durch euer Auftreten kategorisiert, oder in Schubladen gesteckt?

Vinc: Ja, auf jeden Fall. Menschen wollen halt kategorisieren.
Gio: Wir leben grundsätzlich in einer Gesellschaft, die schubladisiert. Das mit den Sixties hat auch damit zu tun, dass wir Neo-Psychedelic Rock machen. Da hast du das Psychedelic im Namen und der Begriff stammt ganz klar aus den Sixties. Da kann sich auch jeder etwas dazu vorstellen, alle denken gleich an Woodstock und Janis Joplin.

Leidet ihr unter dieser Schubladisierung?

Raphi: Leiden glaube ich nicht.
Gio: Also ich finde es unheimlich scheisse.
Vinc: Ja, es ist schon scheisse, aber man leidet nicht darunter.
Gio: Nein. Leiden nicht. Aber es ist einfach dämlich. Dass man jeden einordnen können muss.

The Solar Temple - einziger Finalist aus dem Thurgau beim diesjährigen BandXOst. ⎝	Bildunterschrift, falls gewünscht:  Von Links: Giovanni Fortunato, Raffael Burri, Jan Kiper, Raphael Schmid, Vincenzo Restuccio. Es fehlt: Severin Beerli.
The Solar Temple - einziger Finalist aus dem Thurgau beim diesjährigen BandXOst. Die Band sind: Giovanni Fortunato, Raffael Burri, Jan Kiper, Raphael Schmid, Vincenzo Restuccio. Es fehlt: Severin Beerli. Bild: Samantha Zaugg

 

Wie grenzt ihr euch ab von der Musik, die euch zwar inspiriert, aber die ihr nicht kopieren wollt?

Raffi: Der Sound. In den Sixties oder Seventies hättest du so etwas was wir machen nicht gehört. Es ist Neo-Psych.
Raphi: Aber schon heavy. Heavy-Psych. Es ist ein treibender, schwerer Sound. Wir arbeiten viel mit repetitiven Elementen.

Mit welchen Stilmitteln setzt ihr das um?

Gio: Wir experimentieren viel. Es stehen immer wieder neue Sachen zur Debatte. Raffi will jetzt mal einen Synthesizer besorgen. Die Sitar wollen wir in Zukunft auch mehr einsetzen. Wir sind auch vielseitig mit den Perkussionsinstrumenten. Maracas, Shaker, Schellenkranz…
Raffi: Ich denke, das Experimentieren ist auch etwas was uns Freude macht. Es gibt viele Instrumente, mit denen man den Sound bereichern kann. Da sind wir auch immer dran, das ist ein stetiges weiterkommen und weiterentwickeln.
Jan: Das spürt man auch, die Band hat eine Entwicklung gemacht. Ich finde, jetzt haben wir den roten Faden gefunden, wo es durchgehen soll, und daran orientieren wir uns jetzt.

Reinhören: Exitation > Expectation

Was ist euer roter Faden?

Vinc: Ich denke, wir versuchen interessante Stimmungen zu schaffen mit möglichst repetitiver, treibenden Musik.
Gio: Für mich ist es ein Mitteilen, das interessante Musik nicht mega überproduziert und technisch ultimativ oberkrass sein muss, sondern, dass man auch mit drei Akkorden und drei Tönen Menschen, Räume und Körper bewegen kann. Es geht nicht darum, sich als einzelner Musiker zu profilieren. Bei manchen Songs spielen gewisse Instrumente nur einen Ton. Aber dieser Ton ist massgebend für den Song.
Raffi: Dieses Repetitive schafft eine ganz eigene Stimmung. Es entsteht eine Art Trance. Das ist etwas, was wir anstreben.
Vinc: Die Musik ist auch ein Statement zu der ganzen heutigen Musik, zu dem ganzen Überproduzierten. Wir nehmen essentielle Sachen raus und machen einen Song daraus. Wir haben die Bestätigung, dass die Leute unsere Musik mögen.

Nächstes Wochenende tretet ihr auf am Finale des BandXost. Kritiker sagen, das Niveau am Contest sei hoch, aber es fehle der Mut zu neuem. Sind junge Musiker in der Schweiz zu angepasst?

Gio: Das hat mit den Medien zu tun. Es wird nur gespielt, was populär ist. Wenn man sich diesen Mainstream ansieht, tönt auch alles gleich. Aber wenn man diesen Mainstream verlässt, wenn man in Clubs geht, sich wirklich für die Szene interessiert, dann findet man wirklich geile Bands. Aber die bekommen nicht so viel Aufmerksamkeit, erreichen kein breites Publikum.
Vinc: Viele Bands wollen vor allem von Radiosendern gespielt werden. Damit sind sie automatisch in dieser Pop-Schiene drin. Pop ist auch sehr vielfältig, das will ich gar nicht sagen damit. Aber es ist halt vieles radiotauglich und dadurch recht ähnlich.

Beim BandXost hebt ihr euch vom Teilnehmerfeld ab. Was ist der Grund, dass ihr zu den wenigen gehört, die aus einer Nische kommen?

Raphi: Wir haben auch lange darüber diskutiert ob wir uns überhaupt anmelden wollen oder nicht.
Gio: Man hat auch ein bisschen den Spott der Szenis. Man wird in der Szene als weniger authentisch wahrgenommen, wenn man an einem Wettbewerb mitmacht, an dem alle teilnehmen können.
Vinc: Dabei geht es uns eigentlich mehr darum beweisen zu können, das Bands die nicht absolut massenkonform sind auch gut sind und Erfolg haben können. Auch in der Schweiz. Aber es ist schon so: In der Schweiz haben wir einen rechten Einheitsbrei.
Raffi: In der Schweiz haben wir vor allem eine absolute Mafia. Da gibt es ein paar wenige Interpreten die erfolgreich sind.
Gio: Ich meine, wer macht in der Schweiz all die Hits? Das kommt fast alles von einem Label. Viele der grossen Hits kommen vom gleichen Produzenten. In der Schweiz herrscht da klar ein Marktmonopol.

Bei der Qualifikation habt ihr von der Jury gute Kritik bekommen, vor allem in Sachen Komposition, technische Umsetzung und Performance. Sind das eure Stärken?

Raffi: Ja, unsere Stärke sind die Live-Auftritte. Wir sind eine absolute Live-Band.
Raphi: Ich glaube, man sieht sehr schnell, dass wir Spass haben auf der Bühne und dass wir es auch sonst gut haben miteinander. Ich glaube gerade live kommt das sehr deutlich rüber.
Gio: Jeder einzelne von uns hat eine eigene Authentizität als Musiker. Viele Bands machen auch Sachen, die auf der Bühne gar nicht wirken, weil es mehr eine Showeinlage ist. Wir machen einfach, wonach wir uns fühlen. Das geschieht oft auch spontan. Ich glaube, das gibt dann eine Art Charme.

Die Band 

The Solar Temple sind schon seit einigen Jahren Bestandteil der Neo-psych Szene. Die Band spielte schon diverse Konzerte in der Schweiz und im nahen Ausland, in Clubs und an Festivals. Für bekannte Bands, unter anderem für Allah-las, hatten the Solar Temple Auftritte als Support Act. Demnächst bringt die Band ihre erste Single auf Vinyl heraus. Die Mitglieder sind Giovanni Fortunato; Songwriting / Gitarre / Gesang, Raffael Burri; Orgel / Percussion, Vincenzo Restuccio; Gitarre, Raphael Schmid; Gitarre / Gesang, Jan Kiper; Schlagzeug und Severin Beerli; Bass.

Der Contest

Das BandXost ist ein überregionaler Contest für Nachwuchsbands. Das Final findet am Samstag, 1. Dezember, in der Grabenhalle St. Gallen statt. Türöffnung 19Uhr, Beginn 20Uhr, Eintritt 5 Franken. Unterstützt wird er von den Kantonen Thurgau, St. Gallen, beide Appenzell, Schaffhausen, Graubünden, Glarus, sowie der Kulturförderung Liechtenstein und weiterer Partner. Der Wettbewerb ist offen für Bands aller Genres. Die Teilnahmebedingungen sind regional und über das Alter geregelt: Die Hälfte der Bandmitglieder muss aus einem unterstützenden Kanton oder dem Fürstentum Liechtenstein stammen und der Altersdurchschnitt darf nicht über 24 liegen. In Vorausscheidungen qualifizieren acht der 54 teilnehmenden Bands für den Final. The Solar Temple tritt als einzige Band für den Kanton Thurgau an. Hier gibt es mehr Infos zu den anderen Finalisten. Hauptpreis sind professionelle Studioaufnahmen, Medien- und Festivalauftritte und professionelle Beratungen im Gesamtwert von 9'000 Franken.

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