von Sarah Thurnheer, 18.08.2014
LAINA VIVA - eine Erfolgsgeschichte

Sarah Thurnheer
Zahlreiche Thurgauer Theaterschaffende und Musiker waren intensiv in die Produktion zum 100-jährigen Jubiläum des Schweizerischen Nationalparks involviert. Ein Blick zurück.
Die letzte, ausverkaufte Vorführung
Gut eingepackt in Decken, ausgerüstet mit Skijacken, warmen Schuhen, Skiunterwäsche, Mützen und Handschuhen - die Besucher der letzten Vorstellung von LAINA VIVA in Zernez haben sich gut auf die kalten Temperaturen eingestellt. Immerhin ist es trocken.
Trotz der Vorkehrungen: nach gut zwei Stunden packendem Theater sind die Glieder steif, die Kleider klamm und die Nase kalt. Ein warmer Applaus, begeisterte Zuschauer. Die letzte Verbeugung vor ausverkaufter Tribüne. Rund 17 Mal durfte das Ensemble, bestehend aus neun professionellen Schauspielern, 31 LaiendarstellerInnen und der Musikformation Ils Fränzlis da Tschlin diesen Anblick geniessen. Insgesamt 18 Vorstellung, zwei davon Dank grosser Nachfrage zusätzlich aufgeführt, insgesamt über 7500 Zuschauer. Eine Erfolgsgeschichte, wie sie nicht vorausseh- und planbar war. Denn das Wetter und der dezentrale geografische Standort waren grosse Unbekannte.
Wie alles seinen Anfang nahm
Begonnen hat alles damit, dass sich die Theaterwerkstatt Gleis 5-Macher aus Frauenfeld im März 2011 zum ersten Mal bei den Verantwortlichen des Schweizerischen Nationalparks (SNP) per Mail gemeldet haben. Zu diesem Zeitpunkt waren sich die Akteure des SNP selber noch nicht einig, in welcher Form das Jubiläum gefeiert werden soll. Einige Monate später erfolgten die Jubiläums-Ausschreibung und die offizielle Projekt-Eingabe. Mit dem Zuschlag für das Projekt der Frauenfelder Theatermacher Ende 2011 haben die Verantwortlichen des SNP einem jungen Team Vertrauen geschenkt. Hanz Lozza, Leiter Kommunikation SNP: „Das erfrischendste und kreativste Projekt hat das Rennen gemacht.“
Die Thurgauer Giuseppe Spina erzählt nach der Derniere, dass es ihnen sehr bewusst war, dass es für die Frauenfelder Theatertruppe ein Entwicklungsprojekt, Herausforderung und grosse Chance in einem ist. Zum ersten Mal eine so grosse Kiste zu fahren, mit Profis und Laiendarstellern, an einem fremden Ort, für eine Institution, zu denen viele Einheimische ein ambivalentes Verhältnis haben.
Giuseppe Spina (Regie und Produktion) noch mit Bart und mit neuem Schal und Simon Engeli (Autor und Schauspieler) nach der Derniere in Zernez.
Besondere Herausforderungen
Obwohl das Laien-Schauspiel im Engadin eine lange Tradition hat, war es gar nicht so einfach, genügend Laien-DarstellerInnen für die Produktion zu finden. Es ist der Hartnäckigkeit und Überzeugungskraft von Stefan Triebs und Hans Lozza des SNP zu verdanken, dass genügend Personen gefunden und bei der Stange gehalten werden konnten. Dass die professionellen Schauspieler, die Laien und Musiker, sowie all die „Schwarzen“ und „Grauen“, also, die Techniker, Bühnenbauer, Choreographen, Organisatoren, Helferinnen und Helfer, wie sie bei der Schlussrede genannt wurden, zu einer verschworenen Truppe zusammengewachsen sind, war im Stück spürbar. Es ist eine runde, stimmige Produktion geworden. Auch das ganze Drumherum passt. Vom wunderschönen Erscheinungsbild, gestaltet von Madlaina Janett, ebenfalls mit Thurgauer Wurzeln, bis über das kulinarische Angebot rund um die Veranstaltung.
Was es alles braucht....
Für Giuseppe Spina war es die erste Grosse Regiearbeit. Von den Schauspielern, Profis und Laien, wurde er „der Zauberer“ genannt, weil er aus allen das Maxium herauskitzeln könne. Bei der Dernierenfeier wurde er mit einem langen, von einigen Laien-Schauspielerinnen während den Vorstellungen hinter der Bühne und in der Maske gestrickten Wollschall, beschenkt. Eine schöne Geste, aber auch Anerkennung für sein Freilichttheater-Regiedebut. Überhaupt wird einem bei der Abschlussfeier wieder einmal bewusst, wie viele Menschen für eine Projekt dieser Grössenordnung an einem Strick ziehen müssen und was es alles braucht, so vielen Zuschauern einen gelungenen Theaterabend bieten zu können.
Ein grosses Ziel für die Theaterwerkstatt-Truppe war unter anderem, das Budget einzuhalten. Budgetiert wurde eine 60-prozentigen Auslastung. Schlussresultat: eine Auslastung von über 100 Prozent! Dass der Mut der SNP-Leitung und die Arbeit der Thurgauer Theatermacher mit solch bestechenden Zahlen belohnt wird, ist für alle Beteiligten mehr als erfreulich.
Wir freuen uns auf die nächsten Projekte des Theaterwerkstatt Gleis 5-Ensembles. LAINA VIVA hat die Messlatte hoch angesetzt.
Erfolgs-Produktion mit viel Thurgauer Herzblut
Das witzige Stück in verschiedenen Sprachen gespielt, wurde von Simon Engeli geschrieben. Im Stück spielte er den Naturboy und Aussteiger Felix.
Simon Engeli, geboren 1978, hat die Scuola Teatro Dimitri in Verscio abgeschlossen und ist seit 2004 als freischaffender Schauspieler tätig. Er lebt mit seiner Familie in Kreuzlingen.
Regie führte Giuseppe Spina, welcher auch die Produktion leitete.
Ebenfalls an der Scuola Teatro Dimitri ausgebildet, ist der 1979 geborene Schauspieler, Musiker, Sänger, Regisseur und Leiter von Theaterkursen.
Die Puppenspielerin Rahel Wohlgensinger mimte den vorwitzigen Capricorn, welcher beim Publikum besonders gut angekommen ist.
Ausgebildet wurde Rahel Wohlgensinger an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Seit 2007 ist sie als freischaffende Puppenspielerin unterwegs und lebt mit ihrer Familie in Kreuzlingen.
Als Wilderer spielte Eine Andrea Noce Noseda eher eine finstere Rolle. Der 1978 geborene Schauspieler hat 1998 die Scuola Teatro Dimitri abgeschlossen und übernimmt seit 2003 Regie und Bearbeitungen von Theaterstücken. An der Kantonsschule Romanshorn unterrichtet er Theater.
Alle vier gehören zum Gründungsteam der Theaterwerkstatt Gleis 5, in Frauenfeld.
Astrid Keller vom See-Burgtheater verkörperte in einer Doppelrolle Mutter Natur und den greisen Botaniker Schröter.
Thurgauer Bezug hat ebenfalls die Musikerfamilie Janett aus Sulgen, vertreten durch Curdin Janett (2. von rechts) als Mitbegründer der Engadinder Formation Ils Fränzlis da Tschlin und musikalischer Leiter der Produktion. Ebenfalls Wurzeln im Thurgau haben die Musiker Cristina, Domenic und Madlaina Janett, Kinder von Curdin Janett.
Madlaina Janett (zuhinderst auf dem Bild) hat zusammen mit David Bühler das Erscheinungsbild der Produktion entwickelt.
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Rückblick Giuseppe Spina, Regie LAINA VIVAWährend der Dernierenfeier soll der in Eishockey-Play-off-Manier gewachsene Bart gefallen sein. Befreit von der Last der grossen Verantwortung, stand der Regisseur nach der Derniere Red und Antwort:
Welche Erinnerung an die Zeit im Engadin wird Ihnen bleiben?
Was war die grösste Herausforderung für Sie?
Welches das freudigste Ereignis in der Zeit?
Worauf freuen Sie sich, wenn Sie in den Thurgau zurückkehren?
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Rückblick Astrid KellerAstrid Keller hat sich nach 25 Jahren sommerlicher See-Burgtheater-Arbeit zum ersten Mal für eine andere Produktion verpflichten lassen und im Stück LAINA VIVA, fern von Bodensee und Familie, eine Doppelrolle gespielt.
Was war die grösste Herausforderung für Sie?
Welches das freudigste Ereignis in der Zeit?
Worauf freuen Sie sich, wenn Sie in den Thurgau zurückkehren?
Was werden Sie vermissen? |
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Rückblick Rahel Wohlgensinger
Welche Erinnerung an die Zeit im Engadin wird ihnen bleiben? Der Blick in den Himmel - Regen?
Den rechten Arm oben zu halten. So ein Steinbock hat schwere Hörner. Welches das freudigste Ereignis in der Zeit? Das bei jeder Vorstellung die ganze Familie mitgespielt hat.
Auf unser Zuhause und die Freunde.
Neugewonnene Freunde, Schmetterlinge, ausverkaufte Vorstellungen |
Mehr zu diesem Thema:
"Thurgauer Stück für Nationalpark", MAGAZIN 12.7.2014
www.theaterwerkstatt.ch
www.nationalpark.ch
www.fraenzlis.ch
Weitere Produktionen:
Irma la Douce", MAGAZIN 11.4.2014
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