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von Brigitta Hochuli, 12.02.2011

FILM AB für Fräulein Bitsche!

FILM AB für Fräulein Bitsche!
Monica Schär gewinnt mit einem Porträt über die Papeteriebesitzerin Rosmarie Bitsche den Publikumspreis der Kreuzlinger Videotage 2011. | © Brigitta Hochuli

Der Publikumsliebling der Kreuzlinger Videotage ist «Zeitreise – Begegnung mit Rosmarie Bitsche» von Monica Schär. Kein Wunder: Fräulein Bitsche kennt jeder.

Brigitta Hochuli

Am Freitag wurden im Rahmen der Kreuzlinger Videotage 2011 fünf mit je 2000 Franken prämierte Filme gezeigt. Über 150 Zuschauer überraschten die Organisatoren von der Kreuzlinger Kunstkommission. Der Film über die Papeterie-Besitzerin Rosmarie Bitsche wurde mit 1000 Franken zusätzlich prämiert. Die Filmautorin Monica Schär war langjährige Mitarbeiterin beim Kreuzlinger Lokalfernsehen. Durch den Abend führte als Moderator der Konstanzer Video- und Lichtkünstler Markus Brenner.

 

Jurymitglied, Projektleiter, Künstler und Lehrer Martin Maeder, sagt, was ihm an den Filmen unter dem Titel „Zeitsprünge“ besonders gefällt.

***

Herr Maeder, Am Freitag wurden fünf Videos gezeigt. Wieviele musste oder durfte die Jury insgesamt sichten?

Martin Maeder: Wir bekamen dieses Mal leider nur fünf Projekte. Alle Projekte waren aber vom Skript her interessant genug, um Werkbeiträge zuzusprechen. Daher haben wir die Frist nicht verlängert und nicht nochmals Werbung gemacht. Wir wollten, dass alle Projekte realisiert würden. Was uns faszinierte, war, dass jeder Film auf seine Art eine ganz eigene Perspektive von Kreuzlingen zeigte. Wir haben gedacht, dass dies ein sehr spannender Kreuzlinger Abend werden könnte.Die fertigen Filme haben dann eingelöst, was wir erhofft hatten. Es gab keine Enttäuschung. Alle Filme sind eigenwillig, persönlich und gut.

Wie lange sassen Sie für diese Arbeit vor dem Bildschirm?

Martin Maeder: Eine Jury der organisierenden Kreuzlinger Kunstkommission, bestehend aus Adrian Latzer, Christian Schneeberger und mir, sowie der Konstanzer Videokünstler Markus Brenner haben alle Filme angeschaut und ein sinnvolles Programm zusammengestellt. Der gesamte Zeitaufwand für das Lesen der Projekte, das Diskutieren, die Vorschau und die Organisation betrug auf unserer Seite im Zusammenhang mit den Filmen etwa 10 Stunden.

Zehn Stunden und alles mit einem Bezug zu Kreuzlingen als Bedingung der Wettbewerbsteilnahme! Das kann man sich kaum vorstellen. Was ist - in einer Tendenz zusammengefasst - so interessant an Kreuzlingen?

Martin Maeder: Es gibt sehr viel Interessantes in Kreuzlingen. Ein Vorort von Konstanz, ein Durchgangsort der Geschichte. Unwahrscheinliche Veränderungen des Ortbildes, der Gebäude und der Architektur. Ein relativ kleiner Ort mit drei Bahnhöfen. Ein hoher Ausländeranteil, der mit seinen Kulturen und Traditionen das Stadtleben würzt. Ein Immigrationszentrum. Ein Bildungsort. Eine Stadt, die boomt und stark wächst. Eine Stadt, die kulturell vieles bietet und erst noch am See in einer wunderschönen Landschaft und in der Nähe einer Psychiatrischen Klinik liegt.

Was von diesem breiten Angebot wird in den fünf Filmen zu sehen sein?

Martin Maeder: In den Filmen werden Themen wie Bildungsort, Psychiatrische Klinik, Geschichte, individuelle Geschichten und Bahnhöfe aufgegriffen.

Fünf Geschichten über Kreuzlingen, worin gleichen sie sich oder stossen sich ab?

Martin Maeder: Uns gefiel, dass sie sich eigentlich in nichts gleichen. Fünf spannende Puzzlestücke, die wie ein Kaleidoskop Splitter einer Stadt aufzeigen, die nebeneinander existieren und doch zusammen eine Gestalt ergeben.

Der Wettbewerbstitel heisst "Zeitsprünge". Gab es auch Sprünge in der Qualität? Von wo bis wo reichte die Palette? Gibt es Unterschiede zu den Resultaten der Videotage 2003 und 2005?

Martin Maeder: Man kann die Resultate nicht mit den früheren Videotagen vergleichen. Wir haben uns bemüht, flexibel zu bleiben und jedes Mal eine andere Ausschreibung zu machen. Die Resultate sind alle durchaus professionell und qualitativ hochstehend. Es gab keinen Absturz. Den würden wir dann auch nicht präsentieren. Die Anforderungen waren höher und die Ausschreibung eingeschränkter als früher. Der Preis war, dass wir konzentriertere Filme bekamen - aber leider auch weniger Anmeldungen. Vielleicht war für einige die Messlatte zu hoch um mitzumachen. Uns interessiert vor allem auch die Gesamtheit und wir denken, dass jeder Kreuzlinger, der an den Präsentations-Abend kam, noch etwas über seine Stadt erfahren konnte.

Die Resultate liessen sich sehen, schrieben Sie auch in der Einladung. Welche Kriterien waren bei der Jurierung massgebend? Künstlerische? Inhaltliche? Handwerkliche?

Martin Maeder: Alle Aspekte. Phantasie, Innovation, künstlerische Gestaltung, Inhalt und handwerkliches Können in der Umsetzung. Es haben eigentlich nur Personen Projekte eingereicht, die beruflich professionell auch mit dem Medium Film zu tun haben.

Haben die Filme sogar die Qualität, auch einem überregionalen Publikum zu gefallen?Können die Kreuzlinger Videotage für einen Filmer, eine Filmerin, ein Karrieresprungbrett bedeuten?

Martin Maeder: An ein Sprungbrett glaube ich eigentlich nicht. Aber man weiss ja nie. Manch einer wird berühmt mit einem Film auf youtube und bekommt dann Aufträge. Ich denke, dass die Filme stark mit der Region Kreuzlingen zu tun haben und primär für jene interessant sind, die die Region auch kennen. Von der technischen Qualität her könnten diese Filme aber absolut auch an einem überregionalen Filmfestival gezeigt werden.

Eine grundsätzliche Frage zum Schluss: Wo ordnen Sie den Videofilm künstlerisch ein? Es gibt das breite Feld von youtube-Filmchen, es gibt Künstler wie Moderator Markus Brenner oder Pipilotti Rist, für die Video Kunst bedeutet, es gibt Video in der Nachrichtenproduktion. Wo sehen Sie die Zukunft dieses Mediums?

Martin Maeder: Videofilme sind ein fantastisches Medium. Es ist wirklich alles möglich. Es gibt ausgezeichnete Filme auf youtube. Es steckt ein enormes Potenzial darin, wenn Millionen von Menschen Filme machen können - nicht nur ein paar hundert reiche, vernetzte Regisseure. Natürlich gibt es auch millionenhaften Schwachsinn, aber hie und da taucht dann was wirklich Geniales auf. Das war früher in der bildenden Kunst auch nicht anders. Ein wirklich künstlerisches Auge hat nicht jeder, aber wenn jemand eine wunderbare Idee hat, kann er heute dank technischer Mittel fast alles umsetzen. Das war früher bestimmt nicht so. Mich interessiert das Potenzial und die Veränderung der Filmsprache. Da ist der Kunstfilm an vorderster Front. Diese Filme verändern die Wahrnehmung und damit das Leben und die Betrachtungsweise der Menschen. Diesen Prozess finde ich enorm spannend und zukunftsträchtig.

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Die Videos

- «Wiege des Geistes» von Markus Oertli | 16’
- «Marina . Rebell . Mutter» von Simon Albert Keller | 25’
- «nebenan ist anderswo» von Christine Hagin Witz | 15’
- «Zeitreise – Begegnung mit Rosmarie Bitsche» von Monica Schär | 26’
- «Kreuzkönig» von Strähl / Ruchti / Münger | 15’

 

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