von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 09.03.2023
20 Millionen Franken für Jan Hus’ Kerker
Der böhmische Reformator wurde während des Konstanzer Konzils im Schloss Gottlieben gefangengehalten. Seit Dezember steht das Areal zum Verkauf. Jetzt gibt es einen potenziellen Käufer weniger. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Selbst in seiner Todeszelle blieb Jan Hus noch ein fleißiger Briefeschreiber. Insgesamt 53 Briefe verfasste der böhmische Reformator aus seinem Kerker. Einer davon klang so: „Der Brief ist geschrieben in Erwartung des Todesurteils, im Kerker, in Ketten, die ich – das hoffe ich – für Gottes Gesetz erdulde. Um Gottes willen lasst nicht zu, dass die guten Priester ausgetilgt werden!“ Diese Zeilen schrieb Jan Hus am 5. Juli 1415. Nur einen Tag später wurde er auf einem Scheiterhaufen in Konstanz verbrannt.
Die Kirchenoberen sahen in Jan Hus einen Ketzer, der ihre Macht bedrohte. Nachdem der Tscheche auch nach monatelanger Kerkerhaft seine reformatorischen Thesen nicht widerrufen wollte, musste er den Flammentod sterben. Der Hussenstein im Paradies erinnert noch heute daran.
Hus’ Kerkerzelle existiert bis heute
Eines von Hus’ Gefängnissen war im Schloss Gottlieben. Seit März 1415 wurde der Reformator dort gefangengehalten. Von dort schrieb er auch den eingangs zitierten Brief. Seine Kerkerzelle ist bis heute erhalten geblieben. Seit Dezember 2022 steht dieser historische Ort zum Verkauf.
Auf 15 bis 20 Millionen Franken schätzte kürzlich der Regierungsrat des Kanton Thurgau den Kaufpreis für Schloss, Remise und Park in einer Antwort auf eine einfache Anfrage der Kantonsrätin Karin Bétrisey. Darin bestätigt der Regierungsrat auch, dass der Kanton bereits in Kontakt sei mit der Immobilienmaklerin, die den Verkauf abwickeln soll, ebenso wie mit dem Rechtsvertreter der bisherigen Eigentümerin.
Zuletzt gehörte das Anwesen der Schweizer Opernsängerin Lisa della Casa, die es 1950 kaufte. Aktuell bewohnt die Tochter von Lisa della Casa das Schloss.
Es habe auch bereits erste Treffen mit den Gemeinden Gottlieben und Tägerwilen, der Stadt Kreuzlingen und den Städtischen Museen der Stadt Konstanz gegeben, erklärt der Thurgauer Regierungsrat. Mit der Erkenntnis: Es gibt ein großes öffentliches Interesse am Schloss, am Park und an der Sicherung der öffentlichen Zugänglichkeit des Areals. Bislang sind Schloss, Remise und Park Privatgelände.
Der Kanton Thurgau will das Schloss nicht kaufen
Der Kanton Thurgau zeigt in seiner Antwort Interesse an dem Thema: „Je nach Nutzung und Betriebskonzept bestehen durchaus Synergien für eine Vermarktung vom Schloss Gottlieben in Kombination mit Schloss Arenenberg. So könnte zum Beispiel die Geschichte des beginnenden 18. Jahrhunderts breiter erzählt werden, auch als Ergänzung zum Historischen Museum Thurgau.“
Der Thurgauer Regierungsrat macht in seiner Antwort auf die parlamentarische Frage allerdings auch sehr klar, dass er nicht daran denkt, das Schloss Gottlieben zu kaufen: „Es besteht die Gefahr, dass ein Kauf sehr hohe Sanierungs- und Instandstellungskosten nach sich zöge“, schreibt der Regierungsrat.
Ausserdem habe der Kanton ohnehin keine eigene Verwendung für das Schloss und ist mit drei anderen musealen Großprojekten in den nächsten Jahren vollauf beschäftigt: Das Schloss Frauenfeld – hier sitzt das Historische Museum Thurgau – soll für rund 18 Millionen saniert werden, das Kunstmuseum Thurgau wird bis 2028 für weitere rund 20 Millionen Franken saniert und in Arbon soll ein neues Historisches Museum für 40 Millionen Franken entstehen.
Auch eine Public-Private-Partnership ist denkbar
Gleichwohl schließt der Kanton nicht aus, dass er sich „an einer breiter abgestützten Lösung beteiligen würde“. Wenn eine private Trägerschaft das Schloss kaufe und öffentlich zugänglich mache, könnte eine finanzielle Beteiligung seitens des Kantons geprüft werden. Zudem seien „namhafte staatliche Beiträge von Bund, Kanton und Gemeinde an die statische Sicherung der Gebäude, die Restaurierung der wertvollen historischen Bausubstanz und die Ausstattung möglich“.
Wann genau hier eine Entscheidung fällt, ist derzeit noch unklar. Fragen zur künftigen Nutzung und Zugänglichkeit des Areals können ohnehin erst geklärt werden, wenn das Schloss eine:n neue:n Eigentümer:in hat.
Jan Hus war übrigens nicht der einzige prominente Insasse des Gottlieber Kerkers. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet Johannes XXIII., jener Papst, der Jan Hus gefangen nehmen ließ, wurde ebenfalls hierher verbannt, nachdem er im Streit der drei damals amtierenden Päpste unterlegen war. Angeblich saßen die beiden sogar noch einige Tage lang zeitgleich im Gefängnis.
Hinweis: Der Text erschien zuerst im karla magazin konstanz.
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