von Jürg Schoop (1934 - 2024), 29.10.2015
Wilhem Tell bei den Sieben Zwergen (Video)
Der COMEDYexpress ist im Filmgeschäft gelandet: mit der Chaos-Produktion „TAUSENDundEINE LACHT“. Ein Besuch.
Der geneigte Zuschauer merkt es sogleich: Hier ist eine Filmequipe am Werk, die einen neuen Meilenstein in der langen Geschichte der Märchenverfilmungen setzen möchte. Regisseur Rolando Rolanski hält sich mit unzähligen Espressi auf Trab, besitzt eine gewaltige Stimme und hat fast alles im Griff. Er weiss sehr genau, wann die Sache aus dem Lot läuft und wenn es Zeit ist, das unfähige Hilfspersonal zusammenzustauchen und vom Set zu jagen.
Es braucht schon ein gewaltiges Knowhow und eine beachtliche Einfühlung in die zahlreichen Märchenfiguren vom Froschkönig bis Aladin, um alles in eine einzige, finale Produktion zu integrieren. Die immer wieder empfindlich in Frage gestellt ist, wenn beispielsweise der Wolf in Grossmutters Bett mit falschen Zähnen ausgestattet wurde. Nein, ein Vampirfilm soll es denn nicht auch noch werden.
Links: Der Prinz macht noch schnell ein Selfie - Mitte: Rapunzel mit dem schönen Zopf - rechts: Rotkäppchen bei der angeblichen Grossmutter. (Bilder: Jürg Schoop)
Oder wenn es Rapunzel nicht gelingt, den langen Zopf, wie es sich gehört, vom Turm zu lassen. Auch Gala Würmli, die Abgesandte der Obstproduzenten, die sich eine Szene mit einem Thurgauer Apfel ausbedungen hat, stört den Aufnahmebetrieb immer wieder. Ein Regisseur etwas altmodischer Herkunft, hält halt von Produktplazierung nicht allzu viel.
Ein Schock natürlich für die ganze Crew, als Wilhem Tell mit seiner Armbrust aufkreuzt, ein geltungssüchtiger Schauspieler, der sich gleich mit einem gekonnten Apfelschuss empfohlen hat. Im falschen Film! hörte man da deutlich rufen. Aber Tell gibt sich gelassen: gibt es denn nicht auch eidgenössische Märchen?
Clown Olli Hauenstein, Peter Wenk, Kunst- und Theaterpädagoge haben zusammen die kurzweilige Unterhaltung zusammen mit Ambrosia Weisser, die Kostüme und Bühnenbild und manch anderes unter sich hatte, mit Bewohnern und Bewohnerinnen der Bildungsstätte Sommeri improvisiert und inszeniert.
Ein kurzer Einblick ins Stück, unterlegt von herzhaften Lachern des Publikums. (Video: Jürg Schoop)
Clown Olli, als Best-Boy des Regisseurs, der auch mal als Hauptdarstellerin aushalf, hielt auch mit seiner Hilfe die Aufnahmen am Laufen. Witzige Bild- und Text-Hinweise inklusive. Gewiss hätte die eine oder andere Szene noch eine kleine Straffung vertragen, aber die grosse Perfektion ist da nicht gefragt. Wenn einige Darsteller gelegentlich etwas schwer zum Verstehen sind, so eifern sie nur den Stars der deutschen Krimiserien nach, deren Sprachpflege oft auch Mühe bereitet. Es geht im Besonderen auch darum, dass Menschen mit „special needs“ (wie der korrekte Ausdruck heute lautet) am allgemeinen gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
Links: Die Hexe - rechts: Hänsel & Gretel suchen sich einen Weg im Wald.
Ihnen ermöglichen, ihre Fantasien und Emotionen unmittelbar auszudrücken, den Mitmenschen darzubietem - das ist gelungen! Ein zahlreiches Publikum hat die Aufführungen begleitet, geschmunzelt und ebenso viel gelacht wie bei einem Erich Vock.
Leider löst sich dieses spezielle Ensemble, das auf eine bewegte Tradition zurückblicken darf, mit diesem Stück auf. Olli Hauenstein geht andere, neue Wege, will aber die Arbeit mit beeinträchtigten Menschen nicht aufgeben.
Auch Peter Wenk und die Seinen ruhen sich nicht aus, setzen ihre Arbeit fort, und wir dürfen gespannt sein, was uns als nächstes erwartet.
Weiter Infos & weitere Spielzeiten
Fr. 30. Okt., 18.30 Uhr, Kulturforum Amriswil (mit Theater-Dinner)
So. 15. Nov., 17.00 Uhr, Gasthaus Trauben Weinfelden (mit Theater-Dinner)
Der COMEDYexpress ist ein Tourneetheater, das im Verlauf der letzten zehn Jahre nicht nur überregionale Bedeutung erlangt hat, sondern heute zu den erfolgreichsten nationalen Theatergruppen mit Schauspieler/innen mit Handicap zählt.
comedyexpress@bs-sommeri.ch
Tel.: +41 71 414 43 43
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