von Inka Grabowsky, 19.02.2018
Lesung unter Gleichgesinnten
Die Reihe „Literatur in den Häusern“ vom Theater Konstanz in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Musik und Literatur trifft auch bei ihrer Kreuzlinger Durchführung auf begeisterte Resonanz.
Von Inka Grabowsky
Nur für eine einzige der neun Kreuzlinger Lesungen hatte es am Sonntagabend noch Restkarten geben. „Alle anderen Auftritte waren vollkommen ausverkauft“, erzählt Paul Stähli, der Koordinator der Kreuzlinger Aktivitäten, kurz bevor bei ihm zuhause Axel Fündeling aus dem Ensemble des Theaters Konstanz mit seiner Vorstellung von„Exgüsi“ von Sandra Willmeroth und Fredy Hämmerli beginnt. Der „Knigge für Deutsche und Schweizer zur Vermeidung grober Missverständnisse“ schildert die Probleme, die üblicherweise zwischen Schweizern und Deutschen auftreten. Die beiden Autoren – sie Deutsche mit Wohnsitz in Zürich, er Schweizer – machen sich über die typischen Charakteristiken der beiden Völker lustig. Einfaches Germanen-Bashing findet nicht statt, auch Schweizer Eigenarten werden kritisch beleuchtet.
Betroffenenhumor an der Grenze
Jeder der Zuhörer kann bei diesem Thema eigene Anekdoten beisteuern. „Man gewöhnt sich schnell an die Schweizer Höflichkeit“, sagt ein Deutscher in der Pause. „Erst aus der Entfernung merkt man, wie respektlos man in Deutschland miteinander umgeht.“ „Ich arbeite in Konstanz im Einzelhandel“, erzählt eine Zuhörerin. „Einiges, was ich heute über Schweizer gelernt habe, kann ich vielleicht mal dem Praxistest unterziehen.“ Als Fündeling von der Anpassungsfähigkeit ostdeutscher Frauen für ihre Schweizer Ehemänner erzählt, muss eine Dame laut auflachen: „Ich erfülle jedes Klischee“. Der Schauspieler ist selbst Betroffener. „Deshalb habe ich ja dieses Buch gewählt. Meine Frau ist Schweizerin. Nach unserem ersten gemeinsamen Besuch in einer Bäckerei bekam ich einen zehn-minütigen Vortrag darüber, was ich alles falsch gemacht habe.“ Dann liest Fündeling von der bemerkenswerten Liebe der Schweizer zu Aromat. Paul Stähli steht auf, geht in die Küche und stellt dem Vorleser zwei entsprechende Dosen auf’s Pult. „Es stimmt“, sagt er dazu.
Paul Stähli von der Gesellschaft für Musik und Literatur Kreuzlingen ist Koordinator und Gastgeber der Reihe "Literatur in den Häusern". Bild: Inka Grabowsky
Das Buch sei leider inzwischen vergriffen, muss der Vorleser dem Publikum eröffnen. Aus dem idealen Geschenk für Freunde aus dem Nordkanton wird also nichts. „Aber wir haben es noch in der Bibliothek“, ruft Monika Müller von der Büecherbrugg aus dem Zuschauerraum.
Gastgeber aus Überzeugung
Zwanzig Personen passen ins Wohnzimmer der Stählis. „Das ist noch übersichtlich“, sagt Elsbeth Stähli. „Wir wissen ja, wer kommt.“ Sie hat extra gebacken, Getränke bereitgestellt und die Wohnung umgeräumt. „Wir haben selbst vor Jahren als Zuschauer angefangen“, erzählt ihr Mann. „Wir sassen damals in einem alten Haus in Konstanz auf einem Sofa in der letzten Reihe mit einem Glas Wein in der Hand und haben es einfach genossen. Das hat uns angesteckt.“ Nun sind die Stählis seit rund acht Jahren selbst Gastgeber. „Literatur in den Häusern tut immer ein Fenster auf“, bilanziert der Gastgeber am Schluss. Neue Einblicke und Erkenntnisse gäbe es zu Genüge. „Wer sich nun angeregt fühlt, die von meiner Frau zubereiteten Blätterteig-Stangen mit Aromat zu würzen, darf das gerne tun.“
Video der Lesung
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