von Inka Grabowsky, 13.12.2021
Unterm Weihnachtsbaum bei...

Mit Musik, Monopoly und viel Gemeinschaft: So verbringen die vier Thurgauer Kulturschaffenden Lara Stoll, Dani Felber, Ruth Erat und Goran Kovačević das Weihnachtsfest. (Lesedauer: ca. 5 Minuten)
Im Radio ist Lara Stoll derzeit an den Adventssonntagen als tablettensüchtige Polizistin Nico in der Krimiserie „Advent, Advent“ zu hören. Schon in der ersten Folge der zweiten Staffel ist der Esel, mit dem der Samichlaus unterwegs sein wollte, ermordet worden - keine guten Vorzeichen für das Fest, ausser man ist Weihnachtshasserin wie Nico.
Im richtigen Leben sagt Lara Stoll: „Weihnachten ist von allen Feiertagen im Jahr mein Lieblingsfest.“ Sie wird wie jedes Jahr ihre Eltern im thurgauischen Rheinklingen besuchen. Auch ihr Bruder mit seiner Familie findet sich dort ein: „Es ist der eine fixe Termin, an dem die Familie zusammenkommt und sich entschleunigt.“
„Weihnachten ist von allen Feiertagen im Jahr mein Lieblingsfest.“
Lara Stoll, Kabarettistin (Bild: Jonas Reolon)
Es sei lustig gewesen, die Weihnachtshasserin zu spielen. „Tatsächlich fiel es mir nicht schwer, mich mit ihr zu identifizieren. Ich kann meine schlechte Laune ebenfalls zelebrieren – wenn auch hoffentlich nicht auf so asoziale Weise wie Nico.“ Und selbstverständlich könne einem manch ein Weihnachtsritual auf die Nerven fallen. „Wir haben letztes Mal bis morgens um 4 Monopoly gespielt. Davon habe ich bis heute genug.“
Auch Weihnachtsmärkte mit entsprechenden Menschenmassen gehören nicht zu den bevorzugten Plätzen von Lara Stoll. „Es unverzichtbares Ritual ist für mich dagegen, die Fondue-Saucen gemeinsam mit meiner Mutter vorzubereiten. Die gekauften find ich fürchterlich.“ Also gibt es Curry- oder Cocktailsauce à la Lara im Hause Stoll.
„Die Zeit rund um die Festtage mache ich Pause – einfach mal sein, statt immer herumzurennen.“
Lara Stoll, Kabarettistin
In der Adventszeit muss die Kabarettistin noch das eine oder andere Mal arbeiten, die Zeit rund um die Festtage aber hält sie sich frei. „Da mache ich Pause – einfach mal sein, statt immer herumzurennen.“
Das Herumrennen auf der Jagd nach dem idealen Geschenk hat Familie Stoll schon lange aufgegeben. Es sei immer nur zusätzlicher Stress gewesen, so die 34-Jährige. „Inzwischen allerdings habe ich Nichten – und für sie geniesse ich es sogar, mal wieder in einem Spielwarengeschäft herumzustöbern.“
Der religiöse Aspekt des Fests ist für sie nicht relevant. „Mir geht es um die Atmosphäre. Wenn man die Kerzen am Weihnachtsbaum anzündet, dann liegt etwas Besonderes in der Luft.“
Reinhören: Lara Stoll in der Krimiserie «Advent, Advent»
Dani Felber schickt Grussbotschaften
Vier Kinder und zwei Enkelkinder hat der Trompeter, Komponist und Bigbandleader aus Ermatingen. Und Weihnachten sollen alle zusammenkommen. Dementsprechend hat sich Dani Felber die Feiertage freigehalten. Das war früher gelegentlich anders. „Ich durfte oft an den Festtagen auftreten – und es war für mich tatsächlich immer ein Dürfen, kein Müssen.“
Weihnachten sei für ihn eine Zeit der Liebe, die Menschen zusammenführe, sagt er. „Die vergangenen zwei Jahre haben die Menschen verändert. Es ist viel Misstrauen entstanden. Weihnachten ist deshalb umso wichtiger, um einmal wieder Gemeinschaft zu spüren.“
„Die vergangenen zwei Jahre haben die Menschen verändert. Es ist viel Misstrauen entstanden. Weihnachten ist deshalb umso wichtiger, um einmal wieder Gemeinschaft zu spüren.“
Dani Felber, Musiker
In der Adventszeit ist er sehr beschäftigt. Zwar hat ihm die Pandemie erneut einen Strich durch seine Tournee-Planungen gemacht – eine Reihe von Konzerten in Deutschland wurde abgesagt - doch in kleinem Rahmen spielt er sein „Sweet Soul Christmas“ ein paar Mal in der Villa Felber.
Ausserdem hat er ein Engagement zu Silvester auf dem Bürgenstock und muss dafür die Arrangements schaffen. „Und dann habe ich noch ein neues Ritual für die Vorweihnachtszeit entwickelt. Wie jedes Jahr verschicke ich Videos mit einer persönlichen Grussbotschaft und etwas Musik per WhatsApp. Rund achtzig Stück waren es im vergangenen Jahr – und sie sind gut angekommen.“
Für 65 bis 95 Franken kann man seine persönliche Botschaft bestellen. Für den eigenen Kulturgenuss hat der Künstler rund um Weihnachten dementsprechend weniger Zeit. „Ich bin aber sehr spontan“, meint er. „Wenn ich auf etwas stosse, was mich interessiert, dann geht ich eben doch hin.“
Ruth Erat feiert „Weihnachten für alle“
Die Arboner Autorin und bildende Künstlerin wird auch in diesem Jahr an der Aktion „Weihnachten für alle“ teilnehmen. Am 24. Dezember treffen sich im Arboner Jakob-Züllig-Park ab 11 Uhr Menschen aller Altersgruppen und Religionen und feiern gemeinsam. „Ich habe dafür ‚alten Liedern entlang‘ die diesjährige Geschichte geschrieben“, erzählt Ruth Erat.
Ansonsten aber wird ihr Fest dieses Jahr anders ausfallen als zuvor. „Mein Mann ist im Mai gestorben. Ich bin also das erste Mal allein und muss noch überlegen, was ich tue.“
Früher hätten sie die Feiertage oft in Berlin verbracht und dann bei Fondue und Rotkäppchen-Sekt in der Grossstadt in der Küche gesessen. „Ausserdem haben wir uns Nachbarn eingeladen, die alleinstehend waren. Nun bin ich selbst allein.“
„Es ist doch ein Bedürfnis von uns Menschen, Gemeinschaft zu erleben und zu feiern, dass es in der dunklen Jahreszeit nun wieder hell wird. Weihnachten reicht deshalb über das christliche Fest hinaus.“
Ruth Erat, Autorin & Künstlerin
Allerdings ist Ruth Erat nicht auf Einladungen ihrer Nachbarn angewiesen. „Mein Sohn richtet zu Weihnachten immer ein ordentliches Essen für Menschen aus, die sonst nicht viel haben. Vielleicht trinke ich dort ein Glas Wein mit. Vielleicht gehe ich auch zu meiner Tochter.“
Gutes Essen und gute – vorgelesene - Literatur in netter Gesellschaft gehören für Ruth Erat immer zum Fest. „Es ist doch ein Bedürfnis von uns Menschen, Gemeinschaft zu erleben und zu feiern, dass es in der dunklen Jahreszeit nun wieder hell wird. Weihnachten reicht deshalb über das christliche Fest hinaus.“
Zu grosse Erwartungen führen zu Enttäuschungen
Die Künstlerin ist nicht sehr religiös, wenngleich Mitglied der Kirche und sehr interessiert an den Ritualen und den biblischen Geschichten. „Ich sehe die Not der Menschen, die das Bedürfnis nach einem Lichterfest zum Winteranfang begründet. Es gibt Sehnsucht nach Frieden, nach Wärme, nach Gesellschaft. Schon weil dieses Bedürfnis besteht, wird man Weihnachten nie abschaffen können.“
Prekär sei nur, dass alle besondere Erwartungen an die Festtage hätten, die zwangsläufig enttäuscht würden. „Schon deshalb engagiere ich mich bei ‚Weihnachten für alle‘.“
Doppeltes Fest bei Goran Kovačević
Sechs Jahre ist es her, dass der Akkordeonist gemeinsam mit der Jazz-Sängerin und Pianistin Isabella Pincsek-Huber mit „Wintersong“ eine eigene CD zu Weihnachten herausgebracht hat. Und tatsächlich mag er die Weihnachtszeit. Er feiert das Fest sogar gleich zweimal.
Goran Kovačević ist in Schaffhausen geboren, doch hat – ebenso wie seine Frau – die Traditionen der serbisch-orthodoxen Kirche von seinen Eltern mitbekommen. „Wir haben also am 6. Januar den Heiligabend und am 7. Januar Weihnachten. Am 24. Dezember wurden wir früher jeweils von Freunden eingeladen. Doch für unsere drei Kinder haben wir das dann etwas umgestellt. Die Kleinen bekamen in Kindergarten oder Primarschule mit, wie im Advent alles beginnt zu glitzern, und wie sich die Kollegen auf Geschenke freuten. Damit sie nichts vermissen, haben wir ihnen auch am 24. ein kleines Fest ausgerichtet.“
„Weihnachten ist die Zeit, Freunde treffen zu können. Und in Zeiten von Corona muss man das geniessen, solange es geht.“
Goran Kovačević, Musiker
Mittlerweile sind die Kinder gross – 21, 23 und 26 Jahre alt – doch die Tradition des Familienessens am 24. oder 25. Dezember ist geblieben. „In die Kirche gehen wir dann am 6. und 7. Januar. Dann sind auch meine Eltern dabei.“
Der 50-Jährige geniesst die relative Ruhe zur Weihnachtszeit. Nur selten nimmt er Engagements an. „Im Herbst ist immer viel los. Und Mitte Januar beginnt es wieder mit Konzerten und Auftritten, deshalb mache ich es mir rund um Weihnachten bewusst zuhause gemütlich, um das Jahr ausklingen zu lassen.“
Einen Gang über einen Weihnachtsmarkt gönnt er sich vielleicht. Vor allem aber pflegt er soziale Kontakte. „Es ist die Zeit, Freunde treffen zu können. Und in Zeiten von Corona muss man das geniessen, solange es geht.“

Von Inka Grabowsky
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