20.02.2023
Gestresste Töne
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Wenn aus künstlicher Schwingung Klang wird: Das Trio Keller-Meier-Barcélo zu Gast in der Klangreich-Reihe in Romanshorn. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Von Hagen Zimmermann
Gitarre, Schlagzeug, Trompete. Wie drei vertraute Instrumente zu einem gleichsam unerschöplichen Instrumentarium zusammenwachsen, zeigte das Trio Keller-Meier-Barcélo im Klangreich-Konzert in der alten Kirche. Bereits von der ersten Sekunde tönender Zeit an verflüchtigt sich jedwede Vorstellung konventionellen Gebrauchs des Geräts.
Wenn Trompeter André Meier pure Atemluft, begleitet von schmatzendem Ventilgeräusch, durch sein Instrumtent rauschen lässt, dazu Schlagwerker Victor Barcélo mit einem vom Geigenbogen gestrichenen Servierschälchen schrill pfeift und E-Gitarrist Beat Keller spitzes Gezirp von gesperrten Saiten schiesst, wird deutlich, dass hier eine Musik spielt, die (wie von John Cage stets erwünscht) noch niemand kennt.
Woher kommen diese Töne?
Hätte der Hörer nicht vor Augen, wie der Trompeter mit einem Stab auf sein Blech klopft, der Schlagzeuger in einen Plastikschlauch bläst und die Gitarre elektrifizierte Klänge in den Raum stellt, bliebe die Herkunft der Töne wohl auf ewig geheim.
Hin und wieder schälen sich aus dem diffusen Klangteppich kleinschrittige Bewegungen, gar winzige Figuren, heraus. Gestopft und gebogen, verfremdet, getrieben und gezerrt, winden sich zu knurrendem Gitarrenbass Trompeten-Töne, die frei von tonalem Bezug wie ziellos durch den Raum geisterten, wären sie nicht durch ein fein gesponnenes, perkussives Netz geerdet.
Der Ton in seiner reinsten Form
Kontrastierend zum durchgewalkten Material künden körperlich wohltuende glockenartige Klänge und ein hintergründiges Schwingen als Idee von einem Groove von mildem Ausklang. So lotsen ein paar schüchtern wiederholte Kleinterzen die 20-minütigen Tonreibereien zum Schluss.
Dem Ton in seiner reinsten Form widmet sich das Trio in der Kompostion „Heart of tones“ der Erfinderin des so genannten Deep Listening, Pauline Oliveros. Ursprünglich für Posaune, Tongenerator und beliebig viele andere Instrumente konzipiert – sofern diese das d‘ samt darüber und darunter liegendem Halbton erzeugen können – steht ein reiner Sinuston im Zentrum des Stücks.
Ohne Mensch kein Klang?
Der sterilen Starre der andauernden Sinusschwingung halten die Akteure ihre eigenen handwerklich erzeugten Klänge entgegen, die immer knapp über oder unter dem Sinuston liegen. So entsteigen gläsern tönende Überlagerungen, physikalische Interferenzen, die durch den Raum wandern und wellenartig das Hörorgan massieren.
Im Ringen zwischen künstlicher Schwingung und natürlichem Laut, in dem keiner obsiegt, scheint sich mitzuteilen, dass das technoide Audiosignal nur durch menschliches Zutun zum musikalischen Klang veredelt werden kann.
Geräusch, melodische Fetzen und Schlagwerkzauber
Das dritte namenlose und wieder frei gestaltete Stück eröffnet mit schnarrenden Pedaltönen vom Blech, die André Meier blitzschnell in sauber zentrierte Lagen umschaltet. Daraus formt sich ein Wechselspiel aus Geräusch, streicherartigen Klängen, melodischen Fetzen und rhythmisch geschütteltem Schlagwerkzauber.
Nach einer guten Dreiviertelstunde „tour de force“ erklatschte sich die beinahe vollzählig verbliebene Hörerschaft eine Zugabe – kurz, wild und frei!
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