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von Brigitta Hochuli, 03.05.2011

DREI FRAGEN AN...

DREI FRAGEN AN...
Stefan Keller, Autor und Stiftungsrat der Kulturstiftung des Kantons Thurgau. | © Caroline Minjolle, Kulturstiftung des Kantons Thurgau.

... STEFAN KELLER, Stiftungsrat der Kulturstiftung Thurgau, Historiker und Journalist, über das preussische Neuenburg und ein Gespräch Napoleons III. auf Thurgauisch.

Herr Keller, Sie haben in der deutschen Wochenzeitung „DIE ZEIT“ eine ganze Seite über Stadt und Kanton Neuchâtel geschrieben, die fast 150 Jahre lang dem König in Berlin gehört hatten und 1856 den kriegerischen Zorn der Preussen auf sich zogen. Wie kamen Sie auf dieses Thema?

Stefan Keller: Eigentlich wollte die „ZEIT“ in Hamburg seit langem etwas über die Geschichte der Uhrmacher im Jura, ich hatte auch schon Material dazu vorbereitet. Aber dann kam uns dieses Neuenburger Jubiläum dazwischen: 1000 Jahre Neuenburg. Und die Idee, dass bei den Preussen wohl kaum jemand mehr weiss, dass Neuenburg einst preussisch war und sich von seinem Fürsten in einer Revolution befreite. Über die Uhrmacher schreibe ich bei nächster Gelegenheit.

Einem Ihrer Facebook-Einträge ist zu entnehmen, dass ein Schweizer Gesandter die Verhandlungen mit Napoleon III. am Cheminéefeuer auf Thurgauer Deutsch geführt habe. Diese Passage sei leider für die „ZEIT“-Veröffentlichung gestrichen worden. Worum ging es in diesen Verhandlungen?

Stefan Keller: Mein Text war auch länger als abgemacht. Und die „ZEIT“ bringt immerhin 18‘000 Zeichen auf eine Seite. Napoleon III. war ja teilweise auf dem Arenenberg aufgewachsen, er war von Henri Dufour militärisch ausgebildet worden und gehörte auch zu den Gründern des Thurgauer Schützenvereins. Als nun Preussen 1856 die Schweiz erobern wollte, schickte der Bundesrat zuerst General Dufour nach Paris, um die Unterstützung des Kaisers zu gewinnen. Danach schickte man den Thurgauer Politiker Johann Konrad Kern aus Berlingen, der den Kaiser aus der Jugend kannte. Napoleon empfing Kern zu einer Privatsoirée und der Thurgauer war so beeindruckt von dem Gespräch, dass er sich mit rein mündlichen Zusicherungen abspeisen liess.

Jetzt dürfen Sie uns aber das originale Thurgauer Deutsch nicht vorenthalten. Wie lautet das von der „ZEIT“ gestrichene Zitat?

Stefan Keller: Das Originalzitat ist nicht so wichtig. Ich finde die Idee einfach lustig, dass der französische Kaiser in den Tuilerien mit Kern auf Thurgauer Deutsch verhandelt hat. Das wird in der Literatur ab und zu behauptet, grad finde ich aber die Quelle nicht mehr. (ho)

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Stefan Keller

Stefan Keller (1958) stammt aus Birwinken TG und ist Schriftsteller, Journalist und Historiker.
Zwei seiner Bücher sind
● Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe, Zürich 1993, und
● Die Zeit der Fabriken. Von Arbeitern und einer roten Stadt (Arbon, red.), Zürich 2001.
Keller ist seit 1988 Redaktor der Wochenzeitung (WOZ) in Zürich und seit 2001 Mitglied des Stifungsrats der Kulturstiftung des Kantons Thurgau. Für sein zweites Buch „Grüningers Fall“ hat ihm 1997 die Universität Basel nachträglich einen Doktortitel verliehen. (red.)

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Der „ZEIT“-Artikel „Preussens Perle“ ist hier nachzulesen.

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