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01.12.2013

Erweiterungsbau Kunstmuseum Thurgau: juristische Fragen abgeklärt

Erweiterungsbau Kunstmuseum Thurgau: juristische Fragen abgeklärt
Modell des geplanten Erweiterungsbaus für das Kunstmuseums Thurgau. | © pd

Auf Grund einer „neuen Rechtslage“ sollen die Bauaufträge nach den Regeln des Beschaffungsrechts vergeben werden. Der Architekturauftrag ist davon nicht tangiert.

Im Zusammenhang mit dem Erweiterungsbau für das Kunstmuseum des Kantons Thurgau durch die Stiftung Kartause Ittingen sei in jüngster Zeit die Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen ein Thema, schreibt das Departement für Bau und Umwelt in einer Mitteilung. Für Kanton und Stiftung sei nun nach eingehender juristischer Prüfung klar, dass die entsprechenden Aufträge nach den Regeln des Beschaffungsrechts vergeben würden, da über 80 Prozent der Investitionssumme durch einen Beitrag aus dem kantonalen Lotteriefonds finanziert werden solle. „Differenzierter ist die Sache lediglich hinsichtlich der Planungsleistungen zu betrachten“, so wörtlich.

Geschäft mit Besonderheit

Der Kanton Thurgau betreibe seit über 30 Jahren sein Kunstmuseum in Räumlichkeiten der Kartause Ittingen. Die Liegenschaft stehe im Eigentum der «Stiftung Kartause Ittingen». Mit einem Erweiterungsbau und der Sanierung der bestehenden Ausstellungsräume solle eine nachhaltige und zukunftsgerichtete Entwicklung des Museums sichergestellt werden. Dazu habe der Regierungsrat dem Grossen Rat mit der Budgetbotschaft 2013 entsprechend Antrag gestellt. Dieser Antrag ist nächsten Mittwoch, 5. Dezember, im Grossen Rat traktandiert. Die Besonderheit dieses Geschäfts liege darin, erklärt das Departement, „dass eine privatrechtliche Stiftung Bauherrin der Erweiterung sein wird und in der Folge auch die neuen Räumlichkeiten dem Kanton zur Verfügung stellen wird“.

„Neue Rechtslage“

Als Eigentümerin der Kartause Ittingen habe die Stiftung von Anfang an klar gemacht, dass sie den Erweiterungsbau als Bauherrin in eigener Regie ausführen werde. Unter diesen Voraussetzungen habe sie sich bereit erklärt, nach den Bedürfnissen des Kantons Räumlichkeiten für eine Erweiterung des bestehenden Kunstmuseums zu errichten und wie bisher unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Bekanntlich wird mit Kosten von 11,25 Mio. Franken gerechnet. Davon will der Kanton der Stiftung 9 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds gewähren. Das sind 80 Prozent der Gesamtinvestitionssumme. Daraus ergebe sich mit Blick auf die für den Erweiterungsbau zu erteilenden Aufträge eine neue Rechtslage, schreibt das Departement. „Da die Stiftung mehr als 50 Prozent der Investitionssumme mit öffentlichen Geldern finanziert, hat sie bei der Beschaffung der subventionierten Leistungen die Vorschriften des öffentlichen Beschaffungswesens zu beachten.“

Planungsverhältnis zugelassen

Vor diesem Hintergrund habe die Tatsache, dass die Stiftung die entsprechenden Planungsaufträge einem vor Jahren in einem Wettbewerbsverfahren als «Hausarchitekten» bestimmten Büro direkt vergeben habe, für Irritationen gesorgt. Wie auch in den Unterlagen an den Grossen Rat offengelegt, sei die Stiftung mit dem 2001 ausgewählten Planungsteam ein Langzeitverhältnis eingegangen. „Es macht Sinn, dass die Verantwortung für Um- und Ausbauten im historisch wertvollen Areal auf längere Sicht in einer Hand liegt. Das öffentliche Beschaffungswesen lässt ein solches Vorgehen zu.“

Die rechtliche Grundlage für den fest vergebenen Architekturauftrag sei in Paragraf 15 Absatz 1 Ziffer 8 der Verordnung zum öffentlichen Beschaffungswesen festgehalten, sagt Regierungsrat und Baudirektor Jakob Stark auf Anfrage. Im übrigen gehe er davon aus, dass sich an Bauterminen und Kosten infolge der Bauauftragsvergabe nach öffentlichem Beschaffungsrecht nichts ändern werde.

SP will Kredite streichen

Anlässlich der Eintretensdebatte des Kantonsparlaments zum Budget 2013 hat SP-Fraktionspräsidentin Cornelia Komposch einen Antrag zum Kunstmuseum in Aussicht gestellt. Trotz der nun erfolgten Stellungnahme des Departements für Bau und Umwelt sagt sie auf Anfrage: „Wir werden den Antrag stellen. Er wird meines Wissens lauten: Streichung der Kredite für Renovation und Erweiterung des Kunstmuseums, DEK und DBU. “

Verzicht auf Wettbewerb rechtlich fraglich

Kurt Egger, Kantonsrat der Grünen und kantonaler Kulturkommissionspräsident, ist erfreut, dass das Departement für Bau und Umwelt die Sachlage abgeklärt habe und - „leider erst auf politischen Druck hin“ - zum Schluss komme, dass die Realisierung des Erweiterungsbaus dem öffentlichen Beschaffungswesen unterstehe. „Somit sollte mindestens gewährleistet sein, dass die künftigen Vergaben rechtskonform erfolgen. Der Verzicht auf einen Wettbewerb jedoch dürfte einer gerichtlichen Überprüfung vermutlich nicht stand halten.“

„Krasse Gesetzesumgehung“

Der Thurgauer Rechtsanwalt, der den Regierungsräten Jakob Stark und Monika Knill vorgängig zu deren juristischer Abklärung einen Brief geschrieben hatte (thurgaukultur.ch vom 23.11.2012), akzeptiert die Begründung zum Architekturauftrag nicht. Er hat deshalb mit einem neuen Brief nun auch die Fraktionspräsidenten des Grossen Rates angeschrieben. Wenn tatsächlich auf dem eingeschlagenen Weg weitergemacht werden sollte, behalte er sich „ausdrücklich rechtliche Schritte vor, um eine derart krasse Gesetzesumgehung zu verhindern“, schreibt er. Der Kanton sei unbestreitbar Bauherr, der Bau eines Kunstmuseums sei Staatsaufgabe, die Beanspruchung des Lotteriefonds folglich ungesetzlich. Auch die Berufung auf Paragraf 15 Absatz 1 Ziffer 8 der Verordnung zum öffentlichen Beschaffungswesen sei unhaltbar. Damit lasse sich die Umgehung des öffentlichen Beschaffungsrechts beim Planungsauftrag nicht nachträglich legalisieren. Nach Ansicht des Rechtsanwalts wird „die Ausschreibung nachzuholen sein“. (ho)

Aus der Verordnung des Regierungsrates zum Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen
vom 23. März 2004

Freihändiges Verfahren

 

§ 15
1 Ein Auftrag kann unabhängig vom Auftragswert unter folgenden Voraussetzungen direkt und ohne Ausschreibung vergeben werden:

 

8. die Auftraggeberin oder der Auftraggeber vergibt einen neuen gleichartigen Auftrag, der sich auf einen Grundauftrag bezieht, der im offenen, selektiven oder Einladungsverfahren vergeben wurde. Sie oder er hat in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen für das Grundobjekt darauf hingewiesen, dass für solche Aufträge das freihändige Vergabeverfahren angewendet werden kann.

 

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