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03.03.2014

Alder und Ullmann im Kunstraum

Alder und Ullmann im Kunstraum
Family Mississippi von Ueli Alder. | © zVg

Im Kunstraum der Thurgauischen Kunstgesellschaft in Kreuzlingen zeigen ab 7. März Ueli Alder Fotografien unter dem Titel „Mississippi Desaster“ und Timo Ullmann (im Tiefparterre) „wilds of the world“.  Bis 27. April.

UELI ALDER

Auf den Spuren des Blues und der Suche nach der eigenen Identität ging der als Appenzeller Cowboy bekannte Fotokünstler Ueli Alder für ein Jahr in die USA. Er kehrte mit zahlreichen Fotos und einem Video zurück, das seine Fahrt durch die Canyon-Landschaft in den Badlands in South Dakota dokumentiert. Das leise Rauschen der aufzeichnenden Kamera und der Wechsel von Blues- und Rockmusik durchbrechen die Monotonie und untermalen die Stimmung in der Wildnis, die sich hier nicht, wie aus Western vertraut, in sengender Hitze, sondern von Schnee bedeckt präsentiert. Nur die rechte Fahrspur ist vom Schnee befreit, so als ob der Weg ein One-Way wäre.

Zunächst ein Desaster

Während seines Amerikaaufenthaltes fuhr der Künstler zu mystischen Orten und zur Geburtsstätte des Rock’n’Roll ins Mississippi-Delta. Der Ausflug entpuppte sich, zurück in Chicago, zunächst als ein Desaster. Erst hinterher stellte Alder fest, dass die Kamera defekt war und somit ein Grossteil der Filmrollen unbrauchbar war. Ein Glücksfall hingegen sind die wenigen dort entstandenen Mehrfachbelichtungen, in denen sich infolge der Überlagerung der Bilder die verschiedenen Realitätsebenen narrativ miteinander verknüpfen. So scheinen sich drei Aufnahmen, die wie von Geisterhand zu einem Bild verbunden sind, auf die Legende von Robert Johnson, dem King of Delta Blues, zu beziehen.

Zufall und Inszenierung

Das fotografische Werk von Ueli Alder lebt von dem Zufall und der Inszenierung. Neben menschenleerenstimmungsvollen Landschaften und Interieurs setzt sich der Künstler häufig selbst inSzene. Für das Bild,das Alder in seinem Atelier in Chicago zeigt, platzierte er wohldurchdacht Gegenstände. Gleichsam wie ein Fremdkörper im eigenen Studio gibt die über eine Stuhllehne geworfen Appenzeller Tracht Auskunft über die für Amerikaner exotische Herkunft des Künstlers. Vor allem aber nimmt Alder hier mittels Gestik und Details Bezug auf das berühmte Bild von Jeff Wall „After Invisible Man“.

 Desaster canons von Ueli Alder (oben); Desire Diorama von Timo Ullmann (unten). Bilder: zVg

Desaster canons von Ueli Alder (oben); Desire Diorama von Timo Ullmann (unten). Bilder: zVg

Immer wieder finden sich in seinen Arbeiten kunsthistorische Referenzen, die nicht immer beabsichtigt sind, sondern durchaus auch spontan im Moment der Aufnahme entstehen können. Ob nun Zufall oder Konstruktion, allen seinen Bildern gemeinsam ist, dass sie ähnlich dem Blues ein Gefühl und eine besondere Stimmung ausdrücken, die von Trauer und Hoffnung gleichzeitig erfüllt ist. (Ute Christiane Hoefert) 

  
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www.alderego.ch

Vernissage „Mississippi Desaster“, Ueli Alder: Freitag, 7. März, 19.30 Uhr, im Kunstraum Kreuzlingen mit Walter Keller Zürich

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TIMO ULLMANN

In Video- und Klang-Installationen thematisiert Timo Ullmann das Internet als multidirektionales Medium, das sämtliche Nutzer weltweit in Echtzeit vernetzt und aufgrund dieser medienspezifischen Eigenschaften beeinflusst. Die Ausstellung im Tiefparterre zeigt aktuelle Arbeiten, die sich der Wildnis im Kontext des Cyberspace annehmen. Untersucht werden Schnittstellen, wo Wildnis auf Medium, Kontrolle auf Eigendynamik, inszenierte Räume auf Naturbilder treffen.

Sehnsucht nach Ursprünglichkeit

Der romantisch geprägte Wildnisbegriff ist mit einer Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, Abenteuer, Leidenschaft und individueller Freiheit konnotiert. Als symbolischer Gegenpol der zivilisierten Ordnung liegt der Reiz im Entzug von Kontrolle und der Beziehung dazu. Während die Wildnis zunehmend kultiviert, geformt, vermarktet und aus der Natur verdrängt wird, wächst das Internet zu einem eigendynamisch wilden Territorium. Im Sinne einer Beobachtung der Beobachtung beleuchtet der Künstler die Wildnis aus verschiedenen Blickwinkeln und regt zur Reflexion der eigenen Wahrnehmung an. (pd)


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www.timoullmann.com

Vernissage „wilds.of.the.web“, Videoistallation im Tiefparterre des Kunstraums Kreuzlingen: Freitag 7. März, 19.30 Uhr, mit Nils Röller, Leiter Vertiefung Mediale Künste ZHdK

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Führungen für Schulen sind im Kunstraum kostenlos : Anmeldung 079 376 13 35 oder tisserand@kunstraum-kreuzlingen.ch    

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Hinweise:

✗ Kunstraum-Soirée der Thurgauischen Kunstgesellschaft: Samstag, 15.März, 19 Uhr, zur Ausstellung von Ueli Alder. Musikalisches Nachtessen mit dem Appenzeller Echo und Ernst Hohl, Ernst Hohl-Kulturstiftung, Haus Appenzell, Zürich. Kostenbeteiligung: Fr. 100/Pers. Anmeldung an: rita.conrad@greenmail.ch

✗ Ausser Haus: Hecht an der Grenze, Donnerstag, 27. März, 18 Uhr, Führung mit Richard Tisserand, Ausstellung Hotel Performance, 21. bis 30. März, Gottlieben.
www.derhechtandergrenze.ch oder auf thurgaukultur hier.
    




 

www.kunstraum-kreuzlingen.ch

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