von Claudia Koch, 25.02.2020
Auf Streifzug mit Marie Bachmann

Das Historische Museum Thurgau feiert sein 60-Jahr-Jubiläum mit einem Rundgang durch die eigene Geschichte. Reiseführerin ist keine geringere als Fräulein Marie Elise Bachmann, die frühere Schlossbesitzerin.
Ist meine Auflage, im Schloss Frauenfeld ein Museum einzurichten, umgesetzt worden? Um diese Frage zu klären, nimmt Marie Elise Bachmann (1879-1955), letzte Besitzerin und Schenkerin, die Besucherinnen und Besucher mit auf eine Entdeckungstour. Marie Bachmann, letzter Spross einer Stettfurter Richterdynastie, ist es ein Anliegen, persönlich nachzuprüfen, ob im Schloss ein historisches Museum realisiert wurde.
Sie möchte auch wissen, ob Teile des ebenfalls vermachten Nachlasses – eine Sammlung aus rund 1000 Objekten – in den verschiedenen Räumen aufzufinden sind. Denn die Familie Bachmann aus Stettfurt hatte eine gemeinsame Leidenschaft: das Sammeln. Und die Bachmanns konnten sich die wertvollen Stücke wie Kunstschätze, Waffen, exotische Souveniers und Kuriositäten, die sie als reise- und kulturinteressierte Familie sammelten, auch leisten.
Schon der Grossvater Maries war Oberrichter, der Vater gar Bundesrichter in Lausanne, wo die Familie einige Jahre lebte. «Heute würde man uns als Bildungsbürger bezeichnen», sagt Marie Bachmann, gespielt von Historikerin Aline von Raszewski, die sich für die Ausstellung eingehend mit den Recherchen zu Marie beschäftigt hat.

Einer der Thurgauer Köpfe
Es gibt gleich zwei Gründe, warum das Historische Museum Frauenfeld Marie Bachmann in den Fokus stellt: Einerseits soll das grosszügige Legat, das die Eröffnung des Museums vor 60 Jahren überhaupt ermöglichte und die Person dahinter gewürdigt werden. Andererseits ist Marie Bachmann einer der Thurgauer Köpfe, die in der gemeinsamen Ausstellung der sechs kantonalen Museen vom 25. April bis 18. Oktober beleuchtet werden.
Dass das Verständnis um das Legat in den Mittelpunkt gestellt wird, findet Besucherin Andrea Hofmann Kolb aus Frauenfeld sehr wichtig. «Als ehemalige Schlossführerin möchte ich nun gerne mehr über das Leben von Marie Bachmann erfahren», sagt sie. Erste Erkenntnisse über das Schloss selber, dessen Wehrturm 1240 gebaut wurde, sowie Stücke aus der Sammlung finden sich im ehemaligen Vorratskeller.
Verschiedene Waffen sind hier aufgereiht, wobei Marie Bachmann deren Zugehörigkeit nicht mehr genau feststellen kann. Eine mittelalterliche Stollentruhe, zwar nicht aus ihrem Nachlass, erinnert sie an die vielen Reisen, die sie mit ihrer kranken Schwester Clara nach Italien oder Frankreich unternommen hat. Dabei zieht sie aus ihrer Tasche Fotos, die die Familie an Erholungsorten zeigen.
Grosszügige Stifterfamilie
Während sich die Gästeschar in das obere Stockwerk begibt - «Irgendwo müssen doch die Wappenscheiben sein» – unterhalten sich zwei Besucher aus Stettfurt. «Ich habe als junges Mädchen direkt neben Marie Bachmann gewohnt», sagt Margarete Stettler. Sie erinnert sich an eine eher zurückgezogene Frau, die aber ein wichtiger Bestandteil des Dorfes war. Hansjörg Schmid kannte sie nicht persönlich, weiss aber um die Verdienste der Stettfurter Familie: «Sie haben den Turm und das Geläute der Kirche gestiftet», so Schmid.
Im Raum der Reformation findet Marie Bachmann endlich die gesuchten Wappenscheiben, an denen gar das Landesmuseum interessiert war. «Ich mag mich aber davon nicht trennen», sagt sie und erläutert eine um 1550 entstandene Wappenscheibe, die Hans Locher gestiftet hat. Locher hat sich und seine Frau gleich selber sowohl mit Namen und Bild auf der gestifteten Scheibe verewigt.
Wie der Grossvater das Schloss vor Abriss rettete
Weiter geht die Suche nach persönlichen Gegenständen. Dazu erzählt Marie Bachmann von ihrer Mutter Anna Gertrud Lüti, die als Hausvorstand eine aufwendige und umtriebige Aufgabe hatte. «Heute würde man dazu Managerin sagen», sagt eine Besucherin.
Im nächsten Raum stösst Marie Bachmann auf ihre Reisetruhe, in der zum Teil persönliche Gegenstände wie ein Collier zu betrachten sind. Auch ein gemaltes Porträt ihres Grossvaters, der das Schloss 1867 mit einem höheren Angebot gegenüber der Hypothekenbank vor dem Abriss rettete, ist in der Truhe ausgestellt.
Wie inszeniert man eine Tapete?
Zu ihrer grossen Freude, und auch jener der Gäste, findet sie die Tapete, die ihre Mutter aus einer herrschaftlichen Villa in Zürich nach Frauenfeld bringen liess, da das Haus abgerissen wurde. Mit einer Lichtinstallation und vier verschiedenen Stimmungswechseln werden die Szenen der Tapete scheinbar zum Leben erweckt.
Marie Bachmann zeigt sich zum Schluss ihres Rundgangs zufrieden mit dem Ergebnis. Begeistert sind auf jeden Fall die Besucherinnen und Besucher, wie etwa Hedy Steuble aus Au (SG), die extra für die öffentliche Führung angereist ist.
Weitere Informationen zu Führungen für Gruppen oder Schulklassen unter www.historische-museum.tg.ch
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