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von Andrin Uetz, 23.11.2020

Böse Lieder, liebe Jungs

Böse Lieder, liebe Jungs
Die Thrash-Metal-Band Honor: Tobias Glarner, Luca Ramsauer, Donagh Ramseyer und Luc Burtscher. | © Noemi Müller.

Die Thurgauer Band Honor steht im Finale des Band-X-Ost Wettbewerbs 2020. Ihre Songs sind kontrovers, aber eigentlich wollen die Jungs einfach nur Musik machen. Lesesdauer ca. 4 Minuten

„Wart kurz, meine Freundin schläft noch”, bittet Ramseyer im Wohnzimmer Platz zu nehmen und schliesst vorsichtig die Tür zu seinem Zimmer. «Wotsch en Kafi?» Es ist ja fast schon ein Klischee, doch je härter die Musik, desto netter die Leute, welche sie produzieren.

Es geht um ernste Musik, um grenzwertige Texte, doch das Gespräch ist äusserst angenehm; der junge Mediamatiker ein aufmerksamer Gastgeber. Eine Metal-Band die Honor heisst, da befürchtet ein linker Journalist erstmal das Schlimmste – doch Ramseyer winkt lachend ab: «Das ist einfach so ein Jugendwort, Ehre dies und das, Ehrenmann und Ehrenfrau. So kam der Name irgendwie zustande. Aber ja, es gibt in Polen sogar eine rechtsradikale Band, die sich ebenfalls Honor nennt. Denen nehmen wir hoffentlich etwas Wind aus den Segeln.»

Reinhören: So haben sich Honor ins Finale gespielt

Band besteht erst seit Anfang 2020

Honor, dass sind neben Ramseyer noch Tobias Glarner am Schlagzeug, Luc Burtscher an der Lead-Gitarre und Luca Ramsauer am Bass. In dieser Besetzung besteht die Band erst seit Anfang 2020.

Geprobt wird jedes Wochenende in einem Luftschutzkeller in Flawil. Doch um so ein Tempo hinzubekommen an der Gitarre, verrät Ramseyer, muss man schon jeden Tag eine halbe Stunde üben, mindestens!

Idole: Havoc, Slayer und Metallica

«Wir hören unterschiedliche Sachen, aber die grössten Vorbilder sind Havoc, Slayer und Metallica, also zumindest für mich», kommt Ramseyer ins Schwärmen. Bezüge zu Havoc sind allein schon durch das ähnliche Bandlogo zu erkennen.

Genauso wie Slayer lotet Honor nicht nur die Grenzen von musikalischer Härte und spielerischem Tempo aus, sondern bewegt sich auch im Grenzbereich zwischen Meinungsfreiheit, sozialem Gewissen und Provokation. Eine Song trägt etwa den problematischen Titel «Zyklon B», wobei Ramseyer betont, dass es keineswegs um eine Glorifizierung des Holocaust gehe, sondern darum, sich in die Perspektive der Opfer versetzen.

Bei Slayer gibt es unter anderem eine grosse Kontroverse um den Song «Angel of Death» (1986), welcher sich auf Josef Mengele bezieht.

Video: Die Band stellt sich selbst vor

Breitbeiniger Testosteron-Rock

«Metallica ist die grösste Band. Hör Dir mal das Lied ‘One’ (1989) an. Da geht es um einen Soldaten, der im Krieg beide Beine, Arme, sowie sein Augenlicht, seine Sprache und sein Gehör verloren hat. Dennoch halten ihn die Ärzte am Leben und machen Versuche mit ihm, obschon er nur noch sterben will.»

Genauso wie ihre Idole stehen auch die vier Jungs von Honor breitbeinig auf der Bühne, etwas Testosteron, Dosenbier und jugendlicher Übermut ist da sicherlich auch im Spiel. So gibt es etwa ein Stück, dessen Text sich auf das Ausrufen des Wortes «Dickpics» beschränkt. Ramseyer beruhigt aber, selbst nie solche zu verschicken.

Killdozer und Dickpics

Der Song «Killdozer» befasst sich mit der Geschichte des Schweissers Marvin Heemeyer, der aus Frustration mit diversen behördlichen Schikanen seinen Bulldozer zu einem Panzer umbaut und damit einige Gebäude in seinem Dorf in Colorado zerstört um sich darauf selbst hinzurichten. Heemeyer wird zu einer Art Antihelden für Leute, die sich vom Staat verlassen und betrogen fühlen. Ein vermeintlicher Average-Joe, der sich gezwungen sieht, zu extremen Mitteln zu greifen.

«Wir sagen nicht, dass das, was Heemeyer getan hat, richtig ist. Doch es geht darum, dass wir diese Frustration nachvollziehen können. Es gibt weltweit immer mehr Probleme vom Klimawandel, Überwachung bis zur schwindenden Meinungsfreiheit. Solche Dinge beschäftigen uns, doch wir wollen uns auch nicht als links oder rechts einstufen. Damit würden wir ja dann die eine Seite ausschliessen. Uns geht es einfach um Musik, um die Energie», differenziert Ramseyer.

Honor live an der Band-X-Ost Qualifikation in Buchs. Bild: Noemi Müller

Live macht einfach am meisten Freude

Die bisherigen Demos hat Honor zuhause und im Proberaum aufgenommen, alles DIY. Die Qualität kann sich sehen lassen. Die Rhythm-Section grundiert mit wummernden Staccatorhythmen in höchster Geschwindigkeit, die Lead-Gitarre legt ein paar flinke Soli hin, und die Stimme von Ramseyer hat eine beeindruckende Kraft.

«Uns geht es zur Zeit vor allem darum soviele Konzerte wie möglich spielen zu können. Natürlich hoffen wir, den Bandcontest zu gewinnen, aber wir nehmen es wie es kommt. Mit dem Auftritt in der Grabenhalle ist ja bereits etwas gewonnen. Live spielen macht riesigen Spass!»

Wider die Political Correctness ist es – post Corona – vielleicht einfach mal wieder angesagt das Haar zu schütteln, die Heads zu bangen und sich beim Moshen blaue Flecken zu holen. Wer darauf Bock hat, ist mit Honor sehr gut bedient.

Die Entscheidung: Das Finale des bandXOst-Wettbewerb 2020 läuft am 28. November in der Grabenhalle St. Gallen. Im Livestream könnt ihr das Finale verfolgen.

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