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von Tabea Wick, 02.06.2022

Bunte Mischung

Bunte Mischung
Mainstreet Factory auf dem Open Air Bischofszell | © Peter Burkhalter

Das Open Air Bischofszell ist ein besonderes Festival. Nicht nur musikalisch, sondern vor allem atmosphärisch. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Eigentlich hätte dieses Jahr das Open Air auf dem Heuberg bei Schweizersholz zum 50. Mal stattfinden sollen. Da wegen der Pandemie die letzten zwei Jahre keine Veranstaltungen in dieser Grösse stattfinden konnten, ging letztes Wochenende die 48. Ausgabe des ältesten Open Airs der Schweiz über die Bühne.

Vielleicht gerade wegen der grossen und vor allem langen Vorfreude auf diesen Event, kam es dazu, dass sich bereits am Freitagabend zu den zwei Acts in der Festwirtschaft etwa tausend Konzertbesucher:innen einfanden. Mit dieser Zuschauermenge sei bisher immer erst am Samstag zu rechnen gewesen, erzählen zwei des 50-köpfigen Open-Air-Vereins.

Überraschte Bands auf der Bühne

Für die musikalische Eröffnung am Freitagabend sorgten Mainstreet Factory aus Steinach, die mit mitreissendem Indie-Rock der Menge einheizte. Schnell wurden die wenigen Stehplätze vor der Nebenbühne im Zelt zu knapp und die Leute standen in den Bankreihen auf, klatschten und wurden von der Band zum Mitsingen im Chor animiert.

Sichtlich überrascht waren die vier jungen Männer auf der Bühne, als die Melodie vom Publikum nach Beenden des Songs immer noch weiter geträllert wurde. Darauf stimmten die Musiker sich mit ihren Instrumenten nochmals in den Gesang der Zuschauer:innen ein.

Einige im Publikum fragen in die Menge: «Wie heissen die? Die muss man sich merken!» Nach dem Auftritt wirkt die Band euphorisch. Die ausgelassene Stimmung hätten sie sehr genossen, betonen sie. Maurice Manser und Jan Allensbach, die zwei Gründungsmitglieder der Band erzählen, dass sie an einem Gig in Rohrschach von einer Person aus dem Musikgremium für den Auftritt in Bischofszell angefragt worden seien.

 

Mainstreet Factory in Bischofszell. Bild: Peter Burkhalter

Mehr als 100 Bewerbungen jedes Jahr

Geehrt fühlen können sich alle Bands, die es in das Line Up des Open Airs schaffen. Kevin Leuenberger, technischer Leiter, der seit nun 20 Jahren im Verein tätig ist, erzählt, dass sie jährlich mehr als 100 Bewerbungen von Bands erhalten, die gerne auf dem Heuberg spielen würden.

Nadine Keller, die Vereinspräsidentin, die übrigens als Baby von Kevin im Kinderwagen am Open Air über den Heuberg geschoben wurde, entscheidet heute mit ihrem Musikgremium, wer die Chance erhält auf besagtem Heuberg aufzutreten.

Vieles drin: Soul, Rock, Folk, Reggae

Unterm Jahr klappern sie Konzerte von Newcomern und sonstigen Geheimtipps ab, um nach den nächsten Acts zu suchen. Dies ergibt eine bunte Mischung, die dem Publikum die ganze Bandbreite bietet: von Soul, performt von Caronline Chevin, über Rock und Folk bis hin zu Reggae mit der Band Kalles Kaviar und Country von der Band Jessie & The Gents. Sogar eine Schülerband war mit von der Partie.

An zwei Jahren hatten jeweils die Erstplatzierten des bandXost-Contest einen Platz im Line Up. Nadine traf nun die Vereinbarung, dass sie sich am Finale des Band-Wettbewerbs selbst ihren Liebling aussuchen darf, um sicherzustellen, dass jedes Mal die Musik am Openair gespielt wird, die auch nach Bischofszell passt. «Die Musiker:innen sind immer sehr stark aber wir haben eine Vorstellung davon, wer auf dem Bischofszeller die richtige Stimmung verbreiten wird».

 

Feuer frei: Auf dem Open Air Bischofszell war viel geboten. Bild: Peter Burkhalter

Auch Coverbands dürfen spielen

Manchmal gilt es eben auch für das traditionsreiche Open Air die alten Regeln zu brechen. So sagt Kevin Leuenberger bei der Ankündigung der zweiten und letzten Band am Freitagabend: «Im Musikgremium wurde einmal beschlossen, dass wir keine Coverbands ins Line Up aufnehmen. Ich bin froh, haben wir dieses Ausschlusskriterium abgeschafft».

Die Band The Duschvorhang freute sich bestimmt auch darüber. Andernfalls wäre ihr Auftritt nicht in Frage gekommen. Sie spielen vor allem verschiedene Hits aus den 70er- und 80er-Jahren. Manch einer wird sich gedacht haben, da werden Songs eins zu eins kopiert und dass die Band mehr wie eine Juke-Box, als eine Musikgruppe funktioniert. Doch diese Vermutung traf nicht zu.

Nicht nur, da sie die Lieder mit Blasinstrumenten interpretierten, sondern da wurde plötzlich ein Gitarrensolo zur Titelmelodie von den Simpsons oder der Muppet Show. Der Sänger kündigte Musik von Queen und den Beatles an. Die Hits Fat Bottomed Girls und Come Togheter wurden als ein Song performt. Die Überleitungen von einem Lied zum andern und wieder zurück gelangen so gut, dass jemand im Publikum fragte «War das jetzt von Queen oder von den Beatles?»

 

Die Coverband The Duschvorhang auf dem Open Air Bischofszell. Bild: Peter Burkhalter

Was Besucher:innen am Festival mögen

Von den Besucher:innen des Open Airs wird aber immer wieder betont, dass es nicht nur um die Musik gehe beim Bischofszeller. Viele kommen seit Jahren her wegen der besonderen Stimmung und der Diversität des Publikums.

Paul Schmidhauser ist 62 Jahre alt und war als 14-Jähriger Bueb bei der ersten Ausgabe des Open Air Bischofszell dabei. Das erste Mal auf dem Bischofszeller ist seine Frau, die von den Töchtern überredet wurde auch mitzukommen. «Jetzt bin ich noch gemütlich, sobald die Musik spielt, drehe ich auf», sagt Paul vorm Beginn.

Ebenfalls das erste Mal auf dem Heuberg ist Carol Dolder. Sie habe ihre betreuende WG-Leiterin überredet mit ihr her zu kommen. «Es hat sich gelohnt. Mir gefällt es und ich würde gerne wieder einmal herkommen».

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