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18.01.2021

«Dann bin ich bereit zu sterben»

«Dann bin ich bereit zu sterben»
Erst Verunsicherung, dann Befreiung: Der Schauspieler und Regisseur Giuseppe Spina spricht bei #meinerstesmal offen über seine Gefühle bei Premieren. | © Brigitte Elsner-Heller

#meinerstesmal: In der neuen Serie erzählen Kulturschaffende von ihren ersten Bühnenerlebnissen. Wie sie sie prägten und was sie daraus lernten. Heute: Der Schauspieler Giuseppe Spina. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Grundsätzlich ist da bei mir ein Antrieb da, mich mit einem Publikum austauschen zu wollen. Ich gehe dabei von einem inneren Mitteilungsbedürfnis aus. Es gibt Themen, die mir wichtig erscheinen, die mich umtreiben, und die will ich in irgendeiner Form auf die Bühne bringen.

Wenn es dann so weit ist, und das Stück mit meinen Gedanken und Regungen schliesslich einer Öffentlichkeit gezeigt wird, fühle ich eine sehr grosse Verwundbarkeit.

«Kurz bevor ich dann ins Rampenlicht trete, öffnet sich etwas in mir, mein Blick wird wacher, meine Sinne werden schärfer und ein Gefühl der Befreiung kommt auf.»

Giuseppe Spina, Schauspieler

Der Druck, der in den Minuten kurz vor so einer Premiere entsteht ist enorm. Schliesslich setzt man sich einem Urteil aus, wie wenn man vor Gericht stehen würde. In diesen Momenten bin ich bereit zu sterben. Es ist als ginge es gleich um mein Überleben.

Kurz bevor ich dann ins Rampenlicht trete, öffnet sich etwas in mir, mein Blick wird wacher, meine Sinne werden schärfer und ein Gefühl der Befreiung kommt auf. Dann fühle ich keine Angst oder Verunsicherung mehr. Die kommen gelegentlich nochmals auf, wenn während der Vorstellung etwas nicht wie erwartet läuft oder eine Publikumsreaktion nicht so eintritt, wie man ich es erwartet hatte.

Als Regisseur ist der Druck noch grösser

Ich habe viele Premieren erlebt, die mich stark mitgenommen haben. Zum Beispiel meine ersten Auftritte während der Ausbildung an der Scuola Teatro Dimitri. Ich kann mich noch heute an die urteilsvollen Blicke der älteren Kommiliton*innen erinnern, während ich meine Einball-Jonglage-Szene zeigen musste. Hingegen die ersten Lacher bei der Premiere des Varietés oder meines Diplomstücks, bei dem meine Eltern extra aus der Deutschschweiz angereist waren, öffneten so ein Tor in die Zukunft, was an diesem Beruf so toll sein würde.

In der Regel fühle ich mehr Druck, wenn ich als Regisseur ein Stück inszeniere oder als Autor eines Stückes dastehe. Da haben dann nämlich mehrere Menschen über eine längere Zeit mir und meinem Urteil komplett vertraut. Und wenn dann das Publikum zum ersten Mal da ist, hoffe und bete ich, dass alles gut geht und sich die Darsteller*innen wohl fühlen und Spass an dem haben, was sie da auf der Bühne unter meiner Anweisung umsetzen müssen.

Giuseppe Spina im Internet: https://www.laspina.ch/

 

Die Serie #meinerstesmal

Dinge zum ersten Mal zu tun, ist immer etwas Besonderes. Der erste Schultag, der erste Kuss, die erste eigene Wohnung - fast jeder kann sich an diese ersten Male erinnern. Bei Kulturschaffenden ist so ein besonderer Moment - das Debüt. Oder das erste Mal vor Publikum stehen. Genau dieses Gefühl wollen wir mit der neuen Serie einfangen.

 

Was treibt diese Menschen an? Wie fängt man so was an? Und wie fühlt sich das an, wenn man mit einem künstlerischen Debüt, ganz gleicher welcher Sparte, vor ein Publikum tritt? Wenn man gewissermassen über sein eigenes Leben hinaus und in das Leben der anderen hinein tritt? Man plötzlich öffentlich wahrnehmbar wird, sich zeigt und, nun ja, heraus ragt?


Jeder kann mitmachen: Möchtest Du uns auch Deine Geschichte von Deinem ersten Mal erzählen? Dann mach das doch! Das Format ist aber offen für jeden Künstler: Wer seine Geschichte mit uns teilen möchte, schreibt einfach eine Mail mit seinem Text (auch Video- und Audiodateien sind möglich) an unsere Mailadresse: michael.luenstroth@thurgaukultur.ch

 

Alle Texte auf einen Blick: Wir sammeln alle Beiträge der Serie in einem Themendossier. Das findet ihr hier.

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