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von Judith Schuck, 12.06.2025

Gemeinsames Theaterspielen und Wandern eröffnen neue Perspektiven

Gemeinsames Theaterspielen und Wandern eröffnen neue Perspektiven
Ich packe meinen Rucksack, Theater für Alle, Frauenfeld, Probe. | Bild: Judith Schuck. | © 2025, Judith Schuck

„Ich packe meinen Rucksack“: Die Freude am Theaterspielen vereint Menschen unterschiedlicher Herkunft und Alters in der neuen Produktion des „Theater für Alle“. Das Integrationsprojekt hat sich dabei um den Aspekt des Generationenübergreifenden erweitert. (Lesezeit: 5 Minuten)

14 Menschen nehmen an einem Wandertag teil. Ihre Motivation dafür ist sehr unterschiedlich: Die einen finden Wandern schlicht das Schönste, die anderen begeben sich eher unfreiwillig auf die Wandertour, weil die Freundinnen mitgehen oder der Götti es so will. Doch das Unterwegssein, der Perspektivwechsel und die Begegnungen mit anderen Menschen machen mit allen etwas. 

Johnny, gespielt von Bruno Lüscher, nimmt seinen Neffen mit auf den Wandertag und sagt: „Wandern ist eine Kindheitserinnerung. Die vielen gelben Wegweiser zeigten uns den Weg – den wir doch immer wieder verloren haben.“ Die schöne Natur, die Berge und die frische Luft sind für David (Thilag Nagarajah) der Grund, warum er sich mit der Gruppe auf den Weg macht. „Der Weg ist das Ziel!“ rufen sie alle gemeinsam.

 

Probe im Eisenwerk für "Ich packe meinen Rucksack". Zvieripause beim Wandertag. | Bild: Judith Schuck

Einen Aufruf für neue Teilnehmende brauchte es nicht, die Mund-zu-Mund-Propaganda reichte

„Ich packe meinen Rucksack“ ist die zweite Produktion des „Theater für Alle“, das Petra Cambrosio aus dem Projekt „Wer ist Wir“ entwickelte – szenische Stadtrundgänge in Frauenfeld, sollten die Integration von Menschen mit einer Fluchtgeschichte fördern. „Die Farben des Glücks“, das im April 2024 als erste Produktion des „Theater für Alle“ im Eisenwerk aufgeführt wurde, war ein Erfolg und die Aufführungen waren stets voll.

So musste Petra Cambrosio für das aktuelle Stück keinen Aufruf für Schauspieler:innen machen: Die Mund-zu-Mund-Propaganda reichte aus, um genügend Teilnehmer:innen für die aktuelle Theaterproduktion zu gewinnen. Viele der 14 Laienschauspieler:innen stammen aus dem Umfeld der Deutschkurse in Frauenfeld. Die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache ist für einige von ihnen Beweggrund fürs Mitmachen.

 

Aufwärmen für die Probe, Petra Cambrosio erklärt, wie es geht. | Bild: Judith Schuck

Die Lust, auf der Bühne zu stehen, steht im Zentrum

Bei „Ich packe meinen Rucksack“ steht aber die Lust am Theaterspielen noch viel mehr im Vordergrund als bei „Die Farben des Glücks“. In dem Stück verarbeiteten die Beteiligten stärker ihre persönlichen Schicksale und Geschichten. Bei „Ich packe meinen Rucksack“ gesellt sich zu den Themen Migration und Integration noch das Generationenübergreifende. Menschen im Alter von 8 bis 69 Jahren stehen hier gemeinsam auf der Bühne, darunter in der Schweiz Geborene und Zugewanderte. Was sie eint, ist die Freude am Theaterspielen. 

„Wir machen hier Figurenarbeit“, erklärt Petra Cambrosio bei einem Probenbesuch Ende Mai. „Manche wollten mal eine völlig andere Person spielen, als sie selber sind.“ Die Technik der Rückblende, einfache, vielseitig eingesetzte Requisiten sowie Lieder aus verschiedenen Kulturen helfen bei der Umsetzung der Szenen.

 

Mal jemand ganz anderes spielen: Bruno Lüscher als Johnny. | Bild: Judith Schuck

 

Zum Thema kam die Gruppe über Improvisation und Ausprobieren – der Wandertag und die zweite Chance kristallisierten sich hier als die Themen heraus, die auf der Bühne nun bearbeitet werden. Das Wandern ist eng verknüpft mit der Schweizer Kultur. Und für viele Menschen, die am Projekt teilnehmen, bietet die Integration in der Schweizer Gesellschaft eine zweite Chance. Aber auch das Wandern an sich kann einen Neuanfang herbeiführen.

Die zweite Chance

Anneliese, gespielt von Trudi Reitz, ist Wanderführerin. Sie will sich beruflich neu orientieren und gibt dafür ihren Job bei der Bank auf: „Wandern bedeutet für mich, neue Wege zu entdecken und das Leben neu zu gestalten.“ Für sie ist der von ihr organisierte Wandertag ebenso eine zweite Chance, wie für den Obdachlosen Bobby (Adrian Yusubov), den sie einlädt, mitzukommen. Er freut sich zunächst vor allem auf das von Anneliese versprochene „feine Essen“, findet aber schliesslich sogar neue Freunde, die ihm zu einem Zimmer verhelfen. Der idyllische Wandertag stellt die Gruppe jedoch vor eine Herausforderung, als sich die Wetterlage ändert und ein Gewitter im Anmarsch ist. 

Im Setting des Wandertags werden verschiedene Szene aus dem alltäglichen Leben ebenso wie Extremsituationen herausgegriffen und einzeln beleuchtet. Dabei stehen weniger die persönlichen Schicksale im Vordergrund; der Schwerpunkt liegt auf dem Allgemeingültigen, das am Beispiel einer Geschichte dargestellt wird.

 

Hund Juna darf auch mit auf die Wanderung. | Bild: Judith Schuck

Der Bund unterstützt das Projekt

An der Finanzierung des Projekts ist neben der Stadt Frauenfeld und dem Kulturamt des Kantons Thurgau dieses Mal auch die Eidgenössische Migrationskommission des Bundes (EKM) beteiligt, was laut Petra Cambrosio ein grosser Gewinn ist. Denn Unterstützung von Stiftungen sei momentan eher schwierig zu bekommen, sagt sie. Die Beteiligung des EKM zeige, dass die Idee des „Theater für Alle“ über die Kantonsgrenze hinaus Wellen schlage. Der grosse Andrang von Spielfreudigen ebenfalls.

Aufführungen und Reservation

Premiere feiert „Ich packe meinen Rucksack“ am 19. Juni um 20 Uhr im Theater im Eisenwerk in Frauenfeld.

Weitere Termine sind am 20. Juni und 21. Juni um 20 Uhr sowie am 22. Juni um 18 Uhr.

Platzreservation über momente@petracambrosio.ch wird empfohlen.

 

Eintritt: Kollekte.

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