von Judith Schuck, 09.04.2024
Glück ist auch nur eine Frage der Perspektive

Wir alle meinen, es zu kennen, und doch ist das Phänomen Glück schwer zu fassen. Das „Theater für Alle" begibt sich mit seiner ersten Produktion „Die Farben des Glücks" auf Spurensuche. Premiere ist am 19. April im Eisenwerk. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Lucky Loser ist Glücksexperte. Seit er denken kann, ist er auf der Suche nach dem Glück. Gemeinsam mit seinen Ensemblemitgliedern möchte er dieses Phänomen genauer beleuchten. Zum Ensemble gehören der Tamile Thilagorajah Nagavajah, der Singalese Sarath Maddumage oder die Schweizerin Barbara Schwarzenbach. Sie laufen kreuz und quer über die Bühne und rufen ihre Glücksassoziationen in ihrer jeweiligen Landessprache in den Raum.
Dazu gehören auch die Schweizerin Claudia D'Angelo, die Italienerinnen Theresa Melillo und Filomena Bünter Macario sowie die aus dem Iran stammende Pakistanerin Zahra Eidizadeh. Der Russe Alex Lem komplettiert das Team für das Stück „Die Farben des Glücks" gemeinsam mit der Ukrainerin Yuliia Ladyk. Lucky Loser wird vom Schweizer Bruno Lüscher dargestellt.
Voneinander lernen
„Die Farben des Glücks" ist die erste Produktion des „Theater für Alle", dessen Gründerin die Theaterschaffende Petra Cambrosio ist. Sie freut sich, für ihre erste Produktion ein so durchmischtes, vielfältiges Ensemble gefunden zu haben. Verschiedene Geschlechter, verschiedene Kulturen, unterschiedliches Alter – was sie jedoch alle eint, ist die Lust am Theaterspielen. Doch wirklich auf der Bühne zu stehen und zu performen, ist nicht für alle gleich einfach. Einige Teilnehmende sind durch den Deutschkurs auf die Ausschreibung aufmerksam geworden, und es gibt teilweise noch sprachliche Herausforderungen für sie. Hinzu kommt die Fähigkeit, Bühnenpräsenz zu zeigen, die neben dem persönlichen Temperament kulturell beeinflusst sein kann.
Im Iran sei es beispielsweise für Frauen verboten, in der Öffentlichkeit zu singen, erklärt Petra Cambrosio. Darum sei dies für Zahra Eidizadeh ein grosser Schritt. Als Regisseurin erfährt Cambrosio aus diesen Hintergrundgeschichten viel über Tabus und Traditionen anderer Kulturen. „Für mich ist das eine spannende Zeit“, sagt sie.
Non-Sense kommt dem allgemeinen Verständnis zugute
Mit ihren zehn Ensemblemitgliedern und Irène Trochsler, die als Beobachterin von aussen die Proben begleitet, befindet sie sich gerade in der intensivsten Phase. Das Stück steht, das Bühnenbild aus Paletten unterschiedlicher Grössen sowie die Kostüme sind weitestgehend fertig, auch wenn immer noch ausprobiert wird, wie der Inhalt am besten transportiert wird.
„Wir versuchen dieses an sich positive Thema Glück aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten“, sagt Cambrosio. Dazu experimentieren sie mit Stilmitteln und Formen des Geschichtenerzählens. Was die Schauspielenden gemeinsam aufbauen, erinnert an eine Dada-Performance. Sprachen werden unwichtig, Geräusche, Laute und Bewegungen bilden ein waberndes Gebilde. Aber es werden auch klassische Szenen gespielt.
„Für mich ist das eine spannende Zeit.“
Petra Cambrosio, Projektinitiatorin
Das „Theater für Alle“ ging aus einem Projekt „Wer ist wir?" hervor, das szenische Stadtrundgänge zeigte. Darin stellten Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ihre Lieblingsorte in Frauenfeld vor, Orte, die für sie Zugehörigkeit symbolisieren. Nachdem die Stadtrundgänge im Juni 2023 endeten, fragten die Projektleitenden bei Petra Cambrosio an, ob sie ein Folgeprojekt initiieren würde. Sie sagte zu und gründete das „Theater für Alle“.
Die Idee dahinter sei, eine Brücke zu schlagen zwischen den Themen Migration, Integration und Theater. „Ich wollte Leute erreichen, die gerne Theater spielen und sich auch nach dieser ersten Produktion trauen, für andere Projekte auf der Bühne zu stehen.“ Cambrosio arbeitet oft mit Kindern und Erwachsenen zusammen, aber diese Konstellation ist auch für die erfahrene Theaterfrau neu.
Zusammenspiel funktioniert nicht nur auf der Bühne
Sie gibt zu, ein bisschen stolz auf sich zu sein, dass es ihr immer wieder gelingt, dieses heterogene Team zu verbinden. Sie betont dabei, wie schön es sei zu sehen, wie sie sich untereinander helfen würden, gerade bei der Ukrainerin Yuliia Ladyk und dem Russen Alex Lem, die sich immer wieder sprachlich austauschen, wenn es mit Deutsch nicht weitergeht.
Die Gemeinschaft geht über die Proben hinaus. So sei das Bühnenbild ein gemeinschaftliches Werk, bei dem sie vom handwerklichen Können des Schreiners Bruno Lüschers profitierten; aber auch der Ausflug in die Brocki, wo sie ihre Kostüme aussuchten, beschreibt Petra Cambrosio als ein bereicherndes Erlebnis.
50 shades of Glück
Seit August 2023 sind sie in der Stückentwicklung, die sich auch während der Intensivproben noch fortbewegt. Ausgehend von den verschiedenen Konstellationen von „du/ich/wir“ haben sie sich auf Spurensuche nach dem Glück begeben. „Was ist Glück?“ Diese Frage wird im Stück „Die Farben des Glücks“ nicht pauschal beantwortet werden. Vielmehr wird klar, dass Glück verschiedene Formen annehmen kann und für jeden Menschen etwas anderes bedeutet.
Über die persönlichen Glückserfahrungen lernen wir die Schauspielenden mit ihren Schicksalen besser kennen. „Glück kann das Gefühl des Glücklichseins beschreiben“, sagt Bruno Lüscher im Stück, „aber auch ein äusserer Zufall sein.“ Für Zahra Eidizadeh, die auf ihrer Flucht aus dem Iran anderthalb Jahre im griechischen Camp Moria verbrachte, war die Erkenntnis wertvoll, dass ihre Stärke aus ihrem Inneren kommt und nicht von einem Glücksbringer abhängig ist.
Tickets & Termine
„Die Farben des Glücks“ feiert am 19. April , 20 Uhr, im Eisenwerk Premiere.
Weitere Aufführungen sind am 20. April, 20 Uhr und 21. April 18 Uhr.
Bei hoher Nachfrage können zusätzliche Termine geplant werden.
Reservation per Mail an: momente@petracambrosio.ch

Von Judith Schuck
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