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von Samantha Zaugg, 12.12.2016

In der Schule des Schauens

In der Schule des Schauens

Am Anfang war der Strich. Dann kommen Farben, Formen und Musik. Eine Schulklasse entdeckt das Werk des Schweizer Künstlers Gottfried Honegger und lernt dabei, richtig zu schauen.

von Samantha Zaugg

Zäher Nebel über der Frauenfelder Altstadt. Auch das Bernerhaus ist verhüllt. Drinnen ist es warm und bunt. Schüler hantieren mit Formen aus Kunststoff. Kreise, Quadrate und Dreiecke. Die vierte Klasse aus dem Schulhaus Spanner besucht heute das Kunstvermittlungsprojekt zum Werk von Gottfried Honegger.

 

Video-Beitrag

 

Sehen ist nicht gleich schauen

Honeggers Werk ist geprägt von geometrischen Formen. Seine Bilder und Plastiken sind grafisch und geometrisch aufgebaut. Von Strenge ist trotzdem keine Spur, spielerisch ordnet er Farben und Formen. Kinder und Kunst waren ihm schon immer ein Anliegen. Er wollte den Kindern das richtige schauen beibringen. Erst diesen Januar ist der Künstler im Alter von 98 Jahren verstorben. Doch schon zu Lebzeiten hat er ein Lehrmittel entworfen: Den Viseur.


Bildlegende: Der Viseur, ein kunstpädagogisches Lehrmittel. Mit den Formen in verschiedenen Farben soll das kreative Denken fördern. Bild: Samantha Zaugg

 

Formen kann man hören

Mit diesem Viseur spielt und lernt heute die vierte Klasse. Kunstvermittlerin Silvia Peters führt die Schülerinnen und Schüler an die Aufgabe heran. «Es ist wichtig, den Kindern ein Erlebnis zu bieten. Kunstbetrachtung funktioniert über erleben», sagt Peters. Deshalb ist das Projekt unterhaltsam aufgebaut. Zu Beginn spielt eine Musikerin verschiedene Lieder mit verschiedenen Instrumenten. Die Kinder stellen sich mit geschlossenen Augen vor, was für eine Form zu was für einem Stück passen könnte. Es gilt die Formen Kreis, Quadrat und Dreieck zuzuordnen.

Hörrätsel

Versuchen sie es selbst. Auf eine Lösung wird verzichtet. Kunst lässt sich schliesslich nicht in ein binäres System von falsch und richtig einzwängen.

 

 

Offenheit ist das Rezept

Nun experimentieren die Kinder zuerst mit Zeichnen, danach legen sie Bilder mit dem Viseur. So schärfern sie ihre Sehqualität. «Die Augen öffnen sich und werden neugierig und kritisch», sagt Gottfried Honegger selbst über diesen Prozess. Und gerade bei Kindern funktioniert das besonders gut, bestätigt Silvia Peters: «Kinder können sich stundenlang mit dem Viseur beschäftigen. Sie legen immer wieder neue Bilder. Sie sind offen und lassen sich auf das Spiel ein. » Bei den Erwachsenen sei das anders: Sie lassen sich viel schneller ablenken und können sich weniger gut konzentrieren. So simpel ist das also, das mit dem Schauen. Da können wir uns also wohl eine Scheibe von den Kindern abschneiden. Oder ein Quadrat. Oder ein Dreieck.

 

 

Vermittlungsangebot für Schulklassen

Gottfried Honegger und der konstruktiv-konkreten Kunst zu Ehren finden im Bernerhaus in Frauenfeld 25 Workshops für Frauenfelder Kindergarten- und Primarschulklassen statt. Das Projekt wird unterstützt von den Schulen Frauenfeld und der Kulturstiftung des Kantons Thurgau. Alle Klassen erhalten als Geschenk von der «Gottfried Honegger Stiftung für kunstpädagogische Lehrmittel» Exemplare des Viseur für die Weiterarbeit in der Klasse. Die Führungen sind für die teilnehmenden Klassen aus Frauenfeld kostenlos.

Die Anmeldefrist für dieses Vermittlungsangebot ist bereits abgelaufen.

 

 

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