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von Anabel Roque Rodríguez, 08.07.2020

Die Bildererzählerin

Die Bildererzählerin
Die Frauenfelder Illustratorin Rina Jost. | © Beni Blaser

Seit Jahren arbeitet die Frauenfelderin Rina Jost erfolgreich an der Grenze zwischen Illustration und Kunst. Ihre Arbeiten sind nicht nur Abbildungen, sie erzählen Geschichten.

Illustrationen können vieles sein. In einem Schulbuch können sie Wissen visuell vermitteln. In der Literatur können sie Gedanken der AutorInnen grafisch verarbeiten. In der Werbung werden sie eingesetzt, um bestimmte Sachverhalte zu betonen und auch im Journalismus haben Illustrationen in den vergangenen Jahren wieder an Wert gewonnen. Weil sie manchmal den Inhalt eines Textes besser veranschaulichen können als es je ein Foto könnte.

Da stellt sich schnell die Frage: Ist Illustration nicht längst eine eigene Kunstform? Die Frauenfelder Illustratorin Rina Jost hat eine Antwort für sich gefunden: «Ja, Illustration ist für mich schon eine Kunstform mit einer reichen Geschichte. Bild und Text ansprechend, erzählerisch und/oder erklärend zu verknüpfen ist eine Kunst für sich. Illustration findet nicht in einem luftleeren Raum statt, aber das tut gute Kunst schliesslich auch nicht.»

«Bild und Text ansprechend, erzählerisch und/oder erklärend zu verknüpfen ist eine Kunst für sich.»

Rina Jost, Illustratorin

Gleichwohl würde sie sich eher nicht als Künstlerin bezeichnen, wie die 33-Jährige im Gespräch mit thurgaukultur.ch erklärt: «Ich bezeichne mich als Illustratorin, in dieser Sparte fühle ich mich am wohlsten und bin Expertin.» In den vergangenen Jahren hat Rina Jost immer mal wieder auf sich aufmerksam gemacht, hat diverse Preise und Werkbeiträge gewonnen, war mehrfach auf verschiedenen Short- und Longlists internationaler Auszeichnungen. 2017 hat sie den Kultur-Förderpreis der Stadt Frauenfeld bekommen. Für das Naturmuseum Thurgau hat sie Ausstellungs-Illustrationen geschaffen. Auch für thurgaukultur.ch hat sie schon Illustrationen entworfen. Ihren Bachelor of Arts in Visual Communication / Illustration hat sie in Luzern gemacht.

Fragt man Rina Jost, was sie an ihrem Beruf mag, dann antwortet sie ohne zu zögern: «Der Beruf ist sehr vielseitig, fällt in den Bereich visuelle Kommunikation und hat viel mit Storytelling zu tun und damit, wie wir Bilder lesen. Illustration ist in der Regel angewandt und wird fast immer von einem Text begleitet. Sie prägt uns schon ganz früh in Kinderbüchern und Lehrmitteln und begleitet uns über Werbung, Bücher, Comics, Plakaten, Zeitschriften, im öffentlichen Raum, auf Informationstafeln und Gebrauchsanweisungen durch das ganze Leben.»

So sieht die von Rina Jost gestaltete Briefmarke aus. Bild: Die Schweizerische Post AG

Eine Briefmarke als Spagat zwischen analog und digital

Im Augenblick kann jeder von uns eine Rina-Jost-Arbeit verschicken – eine Briefmarke. Bei dem Gestaltungswettbewerb der Post hat sich ihre Idee Anfang des Jahres gegen andere Mitstreiter durchgesetzte. Auf der Marke sieht man eine Taucherin, die in einer Bibliothek unter Wasser in einem Buch blättert und neben sich den Computer ausgebreitet hat. «Die Idee zur Marke ist daraus entstanden, dass ich mich gefragt, was man auf keinen Fall in einer Bibliothek will. Mir fiel Wasser ein. Daraus habe ich dann ein paar Ideen entwickelt, die zum Thema Eintauchen geführt haben. Das Eintauchen in Verbindung mit Wissen, funktioniert einfach gut und ist auffällig genug, dass man gerne wissen will, was es damit auf sich hat», erklärt Rina Jost ihr Motiv.

Hält man die Briefmarke vor sich, kann man im nächsten Schritt die Post App runterladen und einfach über die Marke scannen, dann wird die Marke als Augmented Reality digital animiert. Übrigens, kann man alle Sonder-Briefmarken (auch nicht animierte) mit der App abscannen und gelangt dann zu einer Seite, die mehr Informationen zu der Marke enthält.

Kreativität auf begrenztem Raum

Wie kam es zu der Idee eine Briefmarke zu animieren? «Die Nationalbibliothek ist sehr innovativ und sammelt viele unterschiedliche Sachen mit Bezug zur Schweiz, auch im digitalen Bereich. Die Briefmarke soll den Spagat der Institution zwischen analog und digital feiern. Ich bin total gerne in Bibliotheken.», erläutert  Rina Jost den Kontext zum Projekt.

Dabei kann man sich vorstellen, dass es eine Herausforderung ist im begrenzten Raum einer Briefmarke künstlerisch tätig zu sein. «Beschränkungen setzen Kreativität frei. In formalen Rahmenbedingungen kann man sich oft freier bewegen, als wenn man zu viele Optionen hat. Man sagt oft, dass Illustratoren visuelle Problemlöser seien», findet Jost.

Illustration und neue technische Möglichkeiten

Was sie an dem Briefmarken-Projekt reizte, beschreibt die Frauenfelderin so: «Der Reiz an Augmented Reality ist die Schnittstelle zwischen traditioneller Illustration, Animation und Storytelling. Dort, wo das Digitale mit dem Analogen verschmilzt, entsteht ein spannender Bereich für Experimente. Augmented Reality ist aber nur eine der Möglichkeiten mit denen man experimentieren kann. Ich habe gesehen, dass man auch mit Geschmack arbeiten kann, da gibt es Methoden, dass man die Briefmarken abschleckt und sie schmecken nach etwas. Eine Erweiterung des Formats muss nicht nur digital sein.»

Derzeit interessiert die Illustratorin das Thema Conductive Paint, dabei handelt es sich um Farbe die elektrische Impulse leitet und sich hinter der Farbe kleine Schaltkreise verbergen, so dass, wenn man auf dem Träger drückt plötzlich Dinge passieren zum Beispiel Farben zu sehen sind oder Töne erzeugt werden.

Das Kinderbuch von Anita Fahrni-Minear hat Rina Jost auch illustriert. Bild: zVg

Einen eigenen Comic hat sie auch schon publiziert

Es muss aber nicht immer digital sein, die Illustratorin arbeitet auch gerne mit Papier und Farbe. Von August bis September 2013 reiste die Frauenfelderin entlang der transsibirischen und der transmongolischen Eisenbahnstrecke von Russland bis nach China. Ihre Erfahrungen zu dieser Reise veröffentlichte sie in dem Comic Der Hase auf dem Rücken eines Elefanten.

Überhaupt inspirieren sie ihre Reisen immer wieder zu neuen Arbeiten «Auf meinen Reisen habe ich natürlich auch viele Kunstmuseen und zeitgenössische Ausstellungen besucht, das ist immer inspirierend. Auch KünstlerInnen wie Madame Tricot, die in anderen Medien arbeiten, inspirieren mich. Und ganz generell Outsiderkunst, Volkskunst, Mythologie, und natürlich Filme, Serien und Bücher, weil da Geschichten erzählt werden.» 

Vorarbeiten für einen Comic. Bild: Rina Jost

Die Geschichte zum Plakat für das Out in the Green Garden

Im Gespräch verrät sie, dass sie seit fünf Jahren an einer weiteren Idee für einen Comic arbeitet und gerade dabei ist das Projekt zu ordnen und für den nächsten Schritt vorzubereiten. Ausserdem hat sie das Kinderbuch der Frauenfelderin Anita Fahrni-Minear illustriert. Das Buch wird im Sommer in der Mongolei gedruckt und dort gratis als englisch-mongolisches Kinderlesebuch verteilt. Anita Fahrni-Minear engagiert sich bereits seit vielen Jahren in verschiedenen Sprach- und Bildungsprojekten für das Land.

Die Illustratorin hat auch die Plakate für das Out in the Green Garden-Festival in Frauenfeld illustriert, das leider bedingt durch COVID-19 ausfallen muss. «Kurz zusammengefasst ging es darum, dass das Signet/Logo sowohl das Tagesprogramm im Murg-Auen-Park als auch das Nachtprogramm auf Gelände B repräsentiert. Ich wollte den Kolibri von den Vorgängerjahren irgendwie integrieren und so entstand schlussendlich das Kippbild, das ich auch animiert habe. Beim Gesamtauftritt ist der Festivalname „Out in the Green Garden“ Programm und die Gestaltung als Jubiläumsausgabe eine Art Hommage an die bisherigen Auftritte und an den einzigartigen, originellen und etwas exotischen Charakter des Out in the Green Gardens in der Festivallandschaft.»

Wer mehr Werke von Rina Jost sehen möchte, findet eine Auswahl ihrer Werke auch im Kollektiv-Shop #supportyourlocalartist online.

Wie Rina Jost arbeitet.

 

 

 

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