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von Katrin Zürcher, 18.11.2012

Die Regiobank

Die Regiobank
Hat das Ruhebänkli in freier Natur ausgedient? In der Region Frauenfeld stehen einige dieser riesigen Holzsofas. | © Katrin Zürcher

Katrin Zürcher

Von den alten Römern sagt man, dass sie ihre opulenten Mahlzeiten auf speziellen Speisesofas im Liegen zu sich genommen haben. Jedenfalls sofern sie Männer der Oberschicht waren, denn die Sklaven standen und die Dame des Hauses sass auf einem Stuhl. War also der in Eschenz ausgegrabene dreibeinige römische Stuhl, der im Museum für Archäologie in Frauenfeld zu bewundern ist, die Sitzgelegenheit einer adligen Römerin? Sitzmöbel waren offenbar damals schon Statusmöbel und sind es noch heute. Auch in Thurgauer Büros wird der repräsentativste Stuhl meist vom Chef oder der Chefin besessen.

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Das Essen in der Horizontalen ist nicht besonders bequem, weshalb sich die römische Liegekultur wohl nicht durchgesetzt hat. Heute setzen sich die meisten Menschen zum Essen lieber auf Stühle und benützen das Sofa zum Entspannen. Etymologisch passt das, denn das Wort leitet sich ab vom arabischen „suffa“ und bedeutet Ruhebank. In den vergangenen Jahrzehnten wurden im Thurgau auch die Ausdrücke Diwan (persisch), Kanapee (französisch) und Couch (englisch) verwendet. Auch die Möbel selbst haben sich im Lauf der Zeit verändert. Wer heute das Geld und den Platz hat, leistet sich eine Wohnlandschaft.

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Der Trend zu ausladenderen Sitzmöbeln zeigt sich auch in der Natur: In der Region Frauenfeld stehen seit diesem Sommer ein paar völlig überdimensionierte Holzsofas, die zum Verweilen an wunderschönen Aussichtslagen einladen. Da nimmt man gerne in Kauf, sich beim Sitzen wie ein kleines Kind zu fühlen. In Privatgärten und Gartenwirtschaften gibt es kaum mehr herkömmliche Gartenstühle und –tische, sondern Lounge-Möbel. Und in manchen Bars haben Hocker ausgedient, wie ich kürzlich auf einem Werbeprospekt gesehen habe: Da räkelten sich junge Menschen auf weissgepolsterten, bettenähnlichen Liegen; die Getränke und Snacks standen auf kleinen Beistelltischchen. Es sah ausgesprochen gemütlich aus. Ich könnte mir vorstellen, dass das bei den alten Römern auch so angefangen hat.

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