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von Manuela Ziegler, 19.06.2015

Schuran der Betreuer

Schuran der Betreuer
Schauspielende unter sich: Uwe Schuran und Catherine Phiri in Meersburg. | © Selfie / zVg

Schauspieler Uwe Schuran, bekannt von "KellerSchurans Wochenschau", betreut derzeit Akteure beim Internationalen Strassentheater in Konstanz. Und er träumt schon von grossartigen Projekten im Thurgau.

Manuela Ziegler

Zufällig sah Uwe Schuran einen Flyer vom Stadttheater Konstanz und wurde neugierig auf das Internationale Strassentheater „mind your position“. Der Schauspieler und Kabarettist, im Thurgau bekannt durch die satirische Wochenschau „KellerSchuran“, bewegt sich in der Grenzstadt zurzeit ausschliesslich hinter den Kulissen. Für die Aufführungen transportiert er Technik und Requisiten zu den Spielorten auf Strassen und Plätzen, macht Ansagen, verteilt Flyer, spricht Passanten an, übernimmt die Kollekte nach dem Stück und kümmert sich ums Wohlbefinden der Gruppenmitglieder, die aus Malawi und Kuba kommen. Und letzteres ist ein weites Feld.

Den Boden bereiten

Denn für die Schauspieler ist es eine besondere Situation. „Die meisten waren noch nie in Europa und müssen sich auf viel Ungewohntes einstellen“, meint Schuran. Das betrifft nicht nur die Organisation von SIM-Karten fürs Mobiltelefon, sondern auch schnelle Hilfe im Notfall. So habe sich vergangene Woche die Tochter eines Schauspielers aus Malawi in ihrer Heimat schwer verletzt und brauchte dort schnell einen guten Arzt, was nicht leicht zu finden und teuer ist. Das Stadttheater organisierte den schnellen Geldtransfer, und der schockierte Schauspieler wurde betreut.

Spontane Einlagen beim Ausflug nach Meersburg: Die Passanten waren begeistert. (Bild: zVg)

Dies war freilich eine Ausnahmesituation. Normal ist ein Tagesbetreuer pro Gruppe ausserdem für Freizeitangebote zuständig. So stand zum Beispiel schon ein Ausflug nach Meersburg auf dem Programm. Schuran initiierte auch privat einige Aktionen, beispielsweise einen Säntis-Besuch mit vergünstigten Bergbahn-Tickets. „Fast alle haben noch nie Schnee gesehen.“

Letzte Aufführung am 27. Juni

Schuran ist unermüdlich im Einsatz. Am 6. Juni fiel der Startschuss, die letzte Aufführung wird am 27. Juni sein. Ab diesem Wochenende spielt auch die Gruppe „Teatro de la Luna“ aus Havanna mit und erzählt das Märchen von einer Küchenschabe. So sind es drei Gruppen, die ihre Stücke an den Wochenenden täglich jeweils viermal aufführen. Das ergibt pro Tag zwölf Aufführungen. „Es ist sehr speziell, dass Gruppen aus diesen Ländern zu uns kommen. Sie haben wenig Geld und könnten sich so eine Reise nie leisten“, sagt der Schauspieler.

Szenen aus dem Stück "Indras Traum" der kubanischen Theatergruppe El Estudio Teatral Vivarta.  

Für einmal wurde der Bodanplatz zur Bühne. (Bilder:Veronika Bula/Theater Konstanz)

Förderung durch Deutsche Bischofskonferenz

Auch fürs Konstanzer Theater, das schon länger Kontakte mit afrikanischen Theatergruppen pflegt, wär das allein nicht zu stemmen. Die Förderung durch die Deutsche Bischofskonferenz ist also ein Glücksfall. Sie initiierte ein grosses Kunstprojekt im Rahmen des Jubiläum des 2. Vatikanischen Konzils in Rom. Konstanz feiere sein Konzilsjubiläums und es lag also nahe, das hiesige Theater anzufragen, so Karoline Konrad, Assistentin des Intendanten. Für Strassentheater entschied man sich, um alle Menschen im Vorübergehen anzusprechen und das Thema des Kunstprojektes „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ leichter zugänglich zu machen.

Sensationell professionell

Das Festival eröffnet also neue Horizonte nicht nur für die eingeladenen Theaterleute, sondern auch für Konstanzer und Schweizer Zuschauer. Sie haben vielleicht die einmalige Gelegenheit, Theater aus Malawi oder Kuba zu erleben. Die Theatergruppen nehmen sich dem gefühlvollen Motto des Kunstprojekts mit verschiedenen Produktionen an. Nanzikambe Arts aus Malawi adaptiert „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett sowie „Animal Farm“ von George Orwell im gesellschaftlichen Kontext des Herkunftslandes. El Estudio Teatral Vivarta aus Havanna erzählen von einem Menschen, der vom Fliegen träumt.

Profis auf der Strasse zusehen

Hinter dem Internationalen Strassentheaterfestival in Konstanz steht die Deutsche Bischofskonferenz. Das Festival zählt zum interdisziplinären Kunstprojekt 2015 unter dem Motto „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“. Das Projekt wurde in verschiedenen deutschen Städten anlässlich des 50-jährigen Bestehens des 2. Vatikanischen Konzils initiiert.

 

Auf den Strassen und Plätzen von Konstanz treten folgende Theatergruppen auf: Nanzikambe Arts (Malawi), Teatro de la Luna und El Estudio Teatral Vivarta aus Kuba auf. Die Stücke dauern eine halbe Stunde, etwa auf der Wiese am Zähringerplatz/Moltkestraße, am Münster-, Augustiner- und Bodanplatz, auf der Marktstätte sowie in der Hafenstraße. Aufführungen gibts an allen Juni Wochenenden um 11, 12, 16 und 17 Uhr statt; samstags auch um 21 Uhr. Bei Dauerregen Alternativprogramm im Saal der Domschule am Münster.


„"Ich bin beeindruckt von der professionellen Einstellung der Schauspieler. Sie kommen nicht, um ein bisschen zu „theäterlen“, sondern nehmen ihre Aufführungen sehr ernst und suchen sich ständig sich verbessern“, meint der gebürtige Schwabe Schuran. Sie schielten nicht nach Einnahmen und trachteten nicht danach, die Erwartungen des Publikums zu erfüllen.

„Ich war überrascht, was für gute Schauspieler das durchwegs sind“. Die Strassenkünstler sind eigentlich auf der Bühne zuhause und haben ihre Stücke speziell für dieses Festival entwickelt. Die Herangehensweisen seien sehr verschieden zum deutschsprachigen Theater, aber das mache den Austausch eben gerade spannend. „Auch für mich als Theaterschaffender ist dies ein grossartiges Erlebnis.“

Er sei selbst noch nie auf Kuba oder in Afrika gewesen. Durch Gespräche und Unternehmungen könne er ein stückweit eintauchen in ihre Kulturen. Dabei geht es mal spassig zu, aber auch ernsthaft und persönlich. Ungewohnt unkompliziert entstünden Freundschaften und Kontakte. In solchen Fällen vergisst er gern den Feierabend.

Poetisches Theater.

Ansteckendes Temperament

„Die Begeisterung der Theaterleute hier sein zu können, ist ansteckend“, weiss der Kabarettist. Auf der Fährefahrt von Meersburg fingen sie vor Freude plötzlich an zu tanzen und zu singen, so der Betreuer. Diese Impulsivität inspiriert ihn. Vergangenen Freitag integrierte er bereits zwei Schauspieler von Nanzikambe Arts in seinen Aufritt bei der Katholischen Gemeinde in Frauenfeld. Sie spielten dort ihr Stück „Waiting-Anytime for now“ als einmalige Schweizer Aufführung. „Die Vorstellung bald nach Malawi und Kuba reisen zu können und dort sogar Theaterleute zu kennen ist für mich sehr reizvoll“. Der Schauspieler träumt schon von gemeinsamen Projekten. „Ich hoffe, dass sich die Möglichkeit ergibt, auch im Kanton Thurgau eine solche Arbeit zu realisieren“.

Ungewisse Zukunft von "KellerSchuran"

Denn der Künstler kann nicht dauerhaft von Aufwandsentschädigungen leben wie momentan. Im Thurgau hat er sich sein berufliches Netzwerk aufgebaut. Er ist auch weiterhin daran interessiert, zusammen mit seinem Kollegen Markus Keller die 6.Staffel der Wochenschau zu produzieren. Die Kulturstiftung des Kantons Thurgau hatte nach fünf Jahren eine weitere Förderung abgelehnt. Begründung: Das Projekt sei nichts mehr Neuartiges. Dadurch gerieten die beiden Entertainer in eine Finanzierungslücke. Gibt es eine Chance für eine Fortsetzung? „Wunder sind auch in unseren Zeiten immer wieder möglich“, antwortet er vielsagend.

Uwe Schuran, Markus Keller: "KellerSchurans Wochenschau". (Archivbild: Rolf Müller, Dezember 2014).


***

Alle Informationen zum Internationalen Strassentheater in Konstanz hier:

www.theaterkonstanz.de

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