von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 01.10.2020
Hoffnung auf Mindesthonorare
Das Parlament in Bern hat die Kulturbotschaft 2021-2024 beschlossen. Was bedeutet das für die Kulturschaffenden? Und welche Konsequenzen hat das für den Thurgau?
Im Schatten der Entscheidungen rund um die Hilfen für die Kulturbranche im Covid-19-Gesetz des Bundes ist fast ein bisschen untergegangen, dass das Parlament auch die Kulturbotschaft für die Jahre 2021 bis 2024 beschlossen hat. Dabei könnte das langfristig für die Branche fast wichtiger sein als die Akut-Hilfen aus dem Corona-Topf.
Die nackten Zahlen dazu lesen sich so: Knapp 957 Millionen Franken will der Bund in den Jahren 2021 bis 2024 in die Kultur investieren. Das Parlament hat damit die ursprünglich angedachten Zuschüsse des Bundesrats nochmal um 22,4 Millionen Franken erhöht. Nutzniesser dieser Erhöhung sind vor allem die Baukultur (20 Millionen Franken mehr als geplant), die Förderung des Rätoromanischen (1,2 Millionen Franken mehr) und Memoriav, die Kompetenzstelle für Fragen zu analogem oder digitalem audiovisuellem Kulturerbe (1,2 Millionen Franken mehr). Entsprechend positiv äussert sich die Taskforce Culture zu den Beschlüssen: „Die Kulturbotschaft 2021 - 2024 setzt wichtige Standards und Grundlagen für die weitere Entwicklung“, heisst es in einer Medienmitteilung des verbandsübergreifenden Bündnisses.
Wie Dumpinghonorare künftig verhindert werden sollen
Eine Hoffnung, die sich mit solchen Botschaften immer verbindet ist die, dass sie nachhaltig etwas an der Lage der KünstlerInnen zum Besseren verändern. Erfüllt die neue Kulturbotschaft diesen Anspruch? „Das werden wir sehen“, sagt Alex Meszmer, Geschäftsführer von Suisseculture, auf Nachfrage. Positiv sei aber, dass die Botschaft die Einhaltung von Mindest- oder Richthonoraren der Berufsverbände als explizite Bedingung für Kulturförderung auf Bundesebene aufgenommen habe. Dumpinghonorare sollen so verhindert werden. Der Haken an der Sache: „Wie dies genau geschehen wird und was dies in der konkrete Umsetzung bedeutet, können wir aus der heutigen Warte noch nicht sagen“, so Meszmer.
Trotzdem sei dies ein bedeutender Schritt: „Insbesondere die Covid-19-Krise hat gezeigt, dass dies notwendig ist, denn Kulturschaffende können nur dann in die Sozialversicherungen einzahlen, wenn sie auch etwas verdienen“, erklärt der Suisseculture-Geschäftsführer.
Forderung: Kantone und Städte sollen dem Beispiel des Bundes folgen
Meszmers Hoffnung ist zudem, dass die Botschaft des Bundes auch Signalwirkung für Kantone, Städte und Gemeinden hat: „Der Bund setzt gewisse Standards, denen die Kantone und Städte folgen können. Die Berufsverbände haben so nun stichhaltige Argumente an der Hand um die Anerkennung der Mindeststandards bei allen Kulturförderern zu fordern“, so Meszmer. Bei der Kulturstiftung des Kantons Thurgau werde aber ohnehin seit vielen Jahren die Vorgabe gemacht, dass Honorare für Kulturschaffende bei Gesuchen budgetiert werden müssen. „Von daher gehe ich nicht davon aus, dass solche Anpassungen zu grossen Diskussionen führen werden.“
Insgesamt sieht Meszmer in der Kulturbotschaft vor allem eine „Konsolidierung und Weiterführung des Bestehenden“, wie er auf Nachfrage erklärte. Mit Blick auf die Erhöhung der Gelder durch das Parlament sagt er aber auch, dass „eine mutigere Kulturbotschaft möglich gewesen“ wäre. Dass das Filmgesetz und somit die Verpflichtung für Streamingdienste wie Netflix einen Prozentsatz (4 %) in das Schweizer Filmschaffen zu investieren, ausgenommen wurde, hält er für falsch. „Das ist für uns Kulturverbände eine essentielle Verpflichtung auf die wir auch weiter bestehen werden“, so Meszmer.
„Eine mutigere Kulturbotschaft wäre möglich gewesen.“
Alex Meszmer, Geschäftsführer Suisseculture (Bild: Sascha Erni)
Was das Covid-19-Gesetz für die Kulturbranche bedeutet
Das Covid-19-Gesetz wurde am 25. September in einer Schlussabstimmung von beiden Kammern des Parlaments gutgeheissen. Für 2021 stellt der Bund den Kantonen 100 Millionen Franken für die Unterstützung von Kulturunternehmen zur Verfügung. 20 Millionen Franken werden dem Verein Suisseculture Sociale für die Unterstützung von Kulturschaffenden und 10 Millionen Franken für die Unterstützung von Laienkulturvereinen zur Verfügung gestellt.
Die Taskforce Culture schreibt dazu in einer Medienmitteilung: „Die Kulturbranche begrüsst die Entscheide des Parlaments zum Covid-19-Gesetz zum grössten Teil. Eine Weiterführung der Unterstützungsmassnahmen für die Kultur ist für den Erhalt der kulturellen Vielfalt unverzichtbar. Kulturschaffende, Veranstaltende und Dienstleistende rund um den Kulturbetrieb passen sich der neuen Situation an und versuchen, wenn immer möglich, wieder Kultur anzubieten. Doch eine Normalisierung des Kulturbetriebes ist immer noch in weiter Ferne, und zehntausende Personen und Unternehmen bleiben wirtschaftlich existenziell bedroht.“
Problematisch sieht die Taskforce hingegen, dass die Kulturschaffenden zukünftig von der Ausfallentschädigung des Bundes ausgeschlossen sind und die Kurzarbeit für temporär Angestellte nicht weitergeführt werden soll: „Im Kulturbereich arbeiten viele Personen in befristeten, projektbezogenen Kurzanstellungen. Sie sind ohnehin schon in prekären Verhältnissen tätig und erfüllen die Bedingungen für ein Arbeitslosentaggeld nicht. Ihnen bleibt nun als einzige Unterstützung innerhalb der Bundesmassnahmen die Nothilfe bei Suisseculture Sociale. Der Vorschlag, die Rahmenfrist in der Arbeitslosenversicherung zu verlängern, um kurzzeitig befristet angestellten Personen den Zugang zur Arbeitslosenversicherung zu ermöglichen, fand im Parlament leider auch kein Gehör.“
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