14.02.2012
Kulis KulThurbetrachtung 22

Jahrelang wollte ich nichts mit virtuellen Computerwelten zu tun haben, mied alle sozialen Netze im Web. Facebook? Sicher nicht, die Pubertät habe ich hinter mir, es müssen nicht alle wissen, mit wem ich verkehre und ob ich mit jemandem zusammen bin. Ausserdem finde ich das dauernde Gelaber über den eigenen Seelenzustand via Smartphone von unterwegs eher peinlich.
*
Nun habe ich es getan. Als Kuli @kulikulthuri habe ich mich als interessierter Beobachter des kulturellen Alltags bei Twitter geoutet. Drei Zahlen bestimmen nun mein Leben: Wie viele Leute folgen mir, wie vielen Leuten folge ich, wie viele Tweets (Gezwitscher) habe ich schon in den Äther gesetzt? Fabio Cancellara hat 105‘000 Follover, er folgt dagegen nur 31 Leuten und hat um die 500 Mal gezwitschert. Dann gibt es Enno von Friedland, der schon über 8‘000 Sätze ins Netz gesetzt hat, dies meist im Akkord, drei bis vier Sprüche innerhalb von zehn Sekunden, mal geistreich, mal weniger. Da halte ich mich lieber zurück. Eine Frage alle zwei bis drei Tage, die in der gebotenen Kürze nicht zu beantworten ist.
*
Mein Ziel war es, am Schreibtisch Thurgauer Kulturschaffende zu treffen und dann gemütlich zu debattieren. Virtual Culture eben. Thurgauer habe ich bei Twitter wenige getroffen, zu meinen 65 Followern gehören die Firma A. Vogel, Journalisten der TZ, einige IT-Berater und andere schräge Vögel. Ich selber folge genau einhundert Leuten, das ist meine Obergrenze. Anfangs waren es mehr, dann habe ich die Quassler, die Sprücheklopfer und Cancellara gestrichen.
*
Abend um halb zehn, Twittersitzung. Da spricht mich Ingrid an, ob ich Cortison nehme, Dimitris zeigt allen, dass Athen brennt, Zora erklärt die Finessen des neusten Tatort, Patrick empfiehlt umzuschalten und Manuela fragt, wie man den Höllen des Lebens unversehrt entkommen soll. Sibylle empfiehlt der SVP, mal in Bücher reinzuschauen und zum Schluss schreibe ich an Evi, dass die Flugzeuge aus Schweden höchstens für die Sauna taugen (mein Tweet Nr. 144). Später schreibt Rahel über die Zärtlichkeit des Einzelnen und darüber, dass der Mensch keine Schneeflocken aus dem Boden stampfen kann.
Und dann merke ich, dass ich 101 Leuten folge, schaue schnell nach und schmeisse einen raus. Sorry! Aber so sind die Regeln.
Kuli
Ähnliche Beiträge
Kulturjournalismus in Nöten: Ein Diskussionsbeitrag
Die Medien löschen der Kultur die Lichter. Sie wird für die Öffentlichkeit ausgeblendet. Das kulturaffine Publikum, das Orientierung sucht, tappt zunehmend im Dunkeln. mehr
Die Qual der Wahl
Wie wir arbeiten (7): Wer entscheidet über die Themen und Texte im Magazin von thurgaukultur.ch? Redaktionsleiter Michael Lünstroth gibt Einblicke. mehr
Die Zukunft bleibt fern
Zum 30. Geburtstag veranstaltete das Ostschweizer Magazin „Saiten“ einen Kongress zum Kulturjournalismus der Zukunft. Gute Idee. Aber wie der aussehen könnte, verriet die Tagung leider nicht. mehr

 
         
             
             
            