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von Brigitta Hochuli, 06.09.2011

KULTURGESPRÄCH mit Alex Bänninger

KULTURGESPRÄCH mit Alex Bänninger
Hans Baumgartners farbige Sicht. | © Staatsarchiv Kanton Thurgau.

Der Projektkoordinator der Baumgartner-Feiern zeigt sich im Interview berührt davon, wie der Fotograf „die Waage hielt zwischen Nähe und Distanz, Neugier und Respekt“.

Brigitta Hochuli

Herr Bänninger, diese Woche gibt es mit der Ausstellung im Staatsarchiv und der Buchvernissage nochmals zwei Feiern zu Hans Baumgartner - die fünfte und die sechste. Sind es für Sie persönlich die Höhepunkte des Baumgartner-Jahres?

Alex Bänninger: Die für mich stärksten Momente waren die Schülerinnen und Schüler, die sich begeistert mit Baumgartner auseinandersetzten, und jüngere Menschen, die Abzüge seiner Fotografien kauften.

Herkunft und Welt, Schule im Bild, Bilder vom See, zurück zu den Wurzeln, Fotografie heute, bisher unveröffentlichte Farbbilder - stossen die Themen alle auf gleich viel Interesse? Immerhin gibt es viele Baumgartner-Bilder, die im visuellen Gedächtnis der Thurgauer auch ohne Ausstellung abrufbar sind.

Alex Bänninger: Weniger die Themen bestimmen das grössere oder kleinere Interesse, als das Herzblut, mit dem für die Anlässe geworben wird. Den Thurgauerinnen und Thurgauern, die Baumgartner-Fotografien verinnerlicht haben wie Dietrich-Bilder, bieten die Ausstellungen die willkommene Gelegenheit, den Originalen zu begegnen und Unbekanntes zu entdecken.

Das Baumgartner-Jahr ist vom Angebot her nicht nur gut durchkomponiert, sondern berücksichtigt auch ganz unterschiedliche Aspekte. Liegt das an Baumgartners Sehvermögen oder an Ihnen als Projektkoordinator und Ideenproduzent?

Alex Bänninger: Es ist die Attraktivität des dezentralen Konzepts, dass die Museen und das Staatsarchiv passend zu ihren Kernaufgaben die wichtigsten Aspekte in Baumgartners Schaffen zeigen können.

Was gefällt Ihnen an Baumgartner am besten? Welche Gefühle haben Sie beim Betrachten seiner Fotografien?

Alex Bänninger: Für mich sind in einer wunderbaren Aufnahme die menschlichen und künstlerischen Qualitäten Baumgartners beispielhaft lesbar: 1973 fotografierte er ein behindertes Mädchen liebevoll, würdig und schön. Es berührt mich, wie Baumgartner gegenüber Menschen die Waage hielt zwischen Nähe und Distanz, Neugier und Respekt.

Das Projekt „Thurgauer Fotografie heute“ wurde explizit im Rahmen der Baumgartner-Feiern lanciert. War dieser Bezug sinnvoll?

Alex Bänninger: Wir wollten nicht nur die Rückschau, sondern auch den Blick in die Gegenwart und Zukunft, weil nur diese Perspektive Baumgartner gerecht wird, der als Vorbild am Beginn einer künstlerisch überzeugenden Fotografie im Thurgau steht.

Wo steht Ihrer Meinung nach die Thurgauer Fotografie heute? Ist sie noch förderungsbedürftig?

Alex Bänninger: Sie besitzt Förderwürdigkeit. Eine erfreulich lange Reihe von Thurgauerinnen und Thurgauern prägt die Fotoszene Schweiz und ist in Ausstellungen und Publikationen vertreten.

Im Rahmen der Feier von Hans Baumgartners 100. Geburtstag findet am Samstag die Vernissage des Buches „Vor Ort – Hans Baumgartner, Judith Stadler, Roland Iselin, Christian Schwager – Ein fotografischer Dialog“ statt. Können Sie schon etwas über dieses Buch verraten?

Alex Bänninger: Baumgartner war ein leidenschaftlicher Büchermacher. Da drängte sich fürs Geburtstagsfest eine Publikation geradezu auf. Sie versammelt wichtige Steckborner Aufnahmen von Baumgartner und der drei jüngeren Fotoschaffenden. Wir sehen das Städtchen aus vier Blickwinkeln in vier fotografischen Sprachen. Der Dialog zwischen den Generationen dokumentiert auch den Wandel des Ortes.

Im Zusammenhang mit der Buchproduktion stellt sich auch die Frage nach der finanziellen Seite des Baumgartner-Jahrs. Wie hoch werden die Ausgaben sein?

Alex Bänninger: Sie erreichen die Grössenordnung von 180‘000 Franken. Je die Hälfte ist durch Eigenleistungen und Förderbeiträge gedeckt.

Kommen Sie über die Runden?

Alex Bänninger: Ja, wenn auch etwas ausser Atem. Allerdings hätte ich mich um mindestens 20‘000 Franken zusätzlich bemühen sollen für die Werbung ausserhalb des Kantons. Es ist eine thurgauische Grundschwierigkeit, jenseits der Grenzen Beachtung zu finden. Wir geniessen keinen Bonus, im Gegenteil. Für die Wahrnehmung müssen wir uns stärker als andere ins Zeug legen.

Es verbleiben im Baumgartner-Jahr noch knapp zwei Monate. Ist, um das Interesse hochzuhalten, noch eine Überraschung geplant?

Alex Bänninger: Für das Interesse bis zum Schluss müssen die einzelnen Veranstalter sorgen.

*****

- Vernissage der Ausstellung „Hans Baumgartner – im Auftrag“, Mittwoch, 7. September, 17.30 Uhr, im Staatsarchiv des Kantons Thurgau, Zürcherstr. 221, Frauenfeld

- Geburtstagfeier Hans Baumgartner, Fotograf 1911 - 1996, und Buchpräsentation, evangelische Kirche Steckborn Steckborn, Samstag 10. September, 10.00 Uhr

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