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von Brigitta Hochuli, 03.10.2010

Volles Haus für Nelly Dix

Volles Haus für Nelly Dix
Musikerin und Verlegerpaar an der Vernissage im Bodmanhaus: Christine Forster, Ekkehard Faude und Elisabeth Tschiemer (v.l.). | © Brigitta Hochuli

Brigitta Hochuli

Vier alttestamentarische Figuren bevölkern mit ihrer Entourage das neue Buch aus dem Libelle Verlag: Judith, Kain, Jonas und Noah. Vereinigt hat sie der Lengwiler Libelle Verlag von Ekkehard Faude und Elisabeth Tschiemer erstmals im Erzählband "Ach meine Freundin, die Tugend ist gut, aber die Liebe ist besser". Sehr jung, in den Jahren 1945 bis 1947 hat die 1923 in Düsseldorf geborene, die wichtigsten Kinderjahre in Dresden verbringende Nelly Dix die Geschichten in Hemmenhofen am Unteresee für die Familie geschrieben. Jung ist auch die Kreuzlinger Musikerin und Musikdozentin Christine Forster, die am Sonntag Gedichte der älteren, 1893 geborenen, Amerikanerin Dorothy Parker vorsang und auf der Gitarre begleitete. "Eine sophisticated music", wie Faude die Kompositionen nannte.

Bibel aufs Unerlöste befragt

Ekkehard Faude las von Judith und Noah und erntete im Bodman-Haus nicht zuletzt dank seines unaufdringlich interpretierenden Tons viele, viele Lacher. Denn der biblische Stoff war für Nelly Dix, die Tochter des berühmten Malers Otto Dix, ein lebensnaher. Faude hat recht, wenn er die Bearbeitung subversiv nennt. "Die junge Frau nimmt sich die bekannten Geschichten und befragt sie aufs Unerlöste, Abgedrängte in ihnen, erfindet Nebenfguren, inszeniert, was vergessen wurde." Ihre Lesart lege manche Ideologien in der Bibel erst offen und eröffne aktuelle Horizonte. So etwa löse dieser Blick aus Judith Konturen einer Frau, die sich illusionlos als Schachfigur in einem politischen Männerspiel begreife.

Klingend noch nach 60 Jahren

Nelly Dix war belesene Autodidaktin, kam zu den biblischen Bildern auch durch die Malerei ihres Vaters, lebte, die Folgen des Krieges ertragend, weit weg von den Metropolen, geschweige denn vom "Wanderzirkus der preisgekrönten Autoren" oder gar "regionalen Platzhirsche, die mit Ellenbogen und dreister Betriebskenntnis sich ihre Privilegien sichern", "Äonen entfernt, ausgestattet zu sein mit dem Abschluss-Diplom eines Writing-Programs". Die junge Begabte schrieb ihre Texte zum "Entzücken und Staunen von Menschen", die sie kannte. "Wer dazu den Referenzrahmen literarischer Überlieferung so leichthin einspielt wie diese Nelly Dix, bringt Texte zustande, die auch 60 Jahre später noch ins Klingen kommen", sagt ihr Verleger. Wir haben ihren Klang gehört, probiert und empfehlen ihn weiter, liebe Leserin, lieber Leser!

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Die Vernissagerede von Ekkehard Faude kann nachgelesen, ein zweiter Band mit Erzählungen von Nelly Dix vorbestellt werden. Weitere Informationen zum Verlagsprogramm sind erhältlich auf www.libelle.ch oder von info@libelle.ch.

www.libelle.ch

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