von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 18.06.2019
Die Macht der Bilder
Vor zwei Jahren wurde die Bildschule Frauenfeld gegründet, heute lernen hier 55 Kinder und Jugendliche den Umgang mit visuellen Medien und Kunstwerken. Die Initiatoren wollen aber noch mehr. Am Samstag zeigen Schülerinnen und Schüler, in einer Werkschau, was sie im vergangenen Jahr gelernt haben.
Während Musikschulen heute längst selbstverständlich sind, suchte man etwas Vergleichbares für den Bereich Kunst und Gestaltung lange vergebens. Eigentlich ist das paradox: Gerade in unseren bildersüchtigen Zeiten müssten Kinder und Jugendliche rechtzeitig über Macht und Wirkung von Bildern aufgeklärt werden. Klar, es gibt den Kunstunterricht in den Schulen und danach dann irgendwann ein entsprechendes Kunststudium - aber davor und dazwischen? Lange Fehlanzeige.
Das ändert sich seit einigen Jahren. Es entwickeln sich zunehmend so genannte Bildschulen in der Schweiz. Diese Schulen wollen unter anderem Antworten auf diese Fragen geben: Was ist Kunst? Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Was heisst gestalten? Was bedeutet es, ein Werk zu betrachten? Zehn dieser Schulen gibt es mittlerweile im ganzen Land - die einzige im Thurgau sitzt in Frauenfeld. Der Trägerverein hat sich 2017 gegründet, im Herbst 2018 starteten die ersten Kurse in den Räumlichkeiten in der P&R-Halle am Bahnhof. „Wir wollen den jungen Menschen einen Ort geben, in dem sie ihre Kreativität ausleben können und sie gleichzeitig ein breites Wissen über die verschiedenen visuellen Sprachen oder Ausdrucksmöglichkeiten erhalten“, sagt Silvia Peters, Präsidentin des Vereins Bildschule Frauenfeld.
„Wir machen keine Bastelkurse, wir wollen Kunst vermitteln.“
Silvia Peters, Präsidentin Bildschule Frauenfeld
Sie kennt sich aus im Bereich der Kulturvermittlung: Peters arbeitete als Kulturvermittlerin im Kunstmuseum Thurgau, später in den Museen der Stadt Winterthur. Mit der Schulgründung hat sie sich auch selbst einen Traum erfüllt: „Ich habe schon lange gedacht, dass es so etwas wie eine Bildschule bräuchte und hatte immer grosse Lust, selbst mal so etwas zu initiieren“, sagt Silvia Peters. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 16 Jahren. In verschiedenen Semesterkursen (2 Stunden pro Woche) erhalten sie eine altersgerechte Ausbildung im kreativen Gestalten. Wichtig ist Silvia Peters dabei besonders eines: „Wir machen keine Bastelkurse, wir wollen Kunst vermitteln“, formuliert sie den Anspruch an ihrer Schule. Pro Kurs können maximal 10 Kinder teilnehmen.
Das Angebot ist breit: Keramikwerkstatt, Figuren modellieren, Comics zeichnen, Fotografie und Papierkunst sind nur einige der angebotenen Themen. Lehrerinnen und Lehrer sind aktive Künstler und Künstlerinnen, Designer oder Kunsthandwerker mit pädagogischer Ausbildung oder Erfahrung. Fredi Bissegger war schon dabei, ebenso wie der Fotograf Gunnar Remane, die Illustratorin Sarah Gasser oder Judith Peters, Künstlerin und Tochter der Schulgründerin. Neben den Semesterkursen gibt es auch mehrtägige Workshops in den Ferien.
Ein Stipendienfonds soll jedem die Teilnahme ermöglichen
Die Preise variieren: Die Semesterkurse (jeweils zehn mal zwei Stunden) kosten 250 Franken, die mehrtägigen Workshops zwischen 115 und 120 Franken. Den Initiatoren der Frauenfelder Bildschule ist es aber wichtig, dass grundsätzlich jeder die Möglichkeit haben sollte, einen Kurs zu besuchen. Unabhängig von den eigenen finanziellen Möglichkeiten. Zu diesem Zweck haben sie ein Stipendienfonds eingerichtet: „Ein ungenannt sein wollender Gönner hat uns einen namhaften Beitrag dafür geschenkt mit der Auflage, dass Reduktionen des Kursgelds auf unkomplizierte Art erhältlich sind. So verzichten wir auf ein Gesuchsformular und Einsicht in die Steuererklärung“, erläutert Präsidentin Peters. Wer davon profitieren möchte, kann sich ganz formlos per Mail info@bildschule-frauenfeld.ch oder unter Telefon 052 721 42 45 melden.
In allen Kursen gehe es erstmal darum, „die Fähigkeit zum vertieften Sehen“ zu fördern, erklärt Silvia Peters, „denn schauen ist nicht gleich sehen.“ Daneben gibt es vier weitere Ziele, die sich die Bildschule auferlegt hat: Schöpferisches Denken und kreatives Schaffen anregen, die Entwicklung eigener Ideen in den Vordergrund stellen, finden und fördern gestalterischer Begabungen sowie die Vermittlung „lebenslanger Freude an schöpferischen Prozessen“.
Der Verein hat inzwischen 115 Mitglieder
Die Struktur der verschiedenen Schweizer Bildschulen ist unterschiedlich. Manche sind einer gestalterischen Hochschule angegliedert, andere, wie die Bildschule Frauenfeld, sind privat als Verein organisiert. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die finanziellen Möglichkeiten. Die Frauenfelder Bildschule finanziert sich neben den Kursgeldern auch über Mitgliederbeiträge des Vereins, private Spender, Stiftungen und Zuschüsse von Stadt und Kanton. Aktuell hat der Verein Bildschule Frauenfeld 115 Mitglieder. Im gerade abgelaufenen Frühjahrssemester waren 55 Kinder und Jugendliche eingeschrieben. Ziel ist es, in den nächsten Jahren weiter zu wachsen.
Silvia Peters hofft, dass Bildschulen eines Tages so selbstverständlich werden wie Musikschulen es heute schon sind: „Bei uns schärfen die jungen Menschen ihre Sinne und ihre Urteilskraft. Sie lernen auch, die heutige Bilderflut zu analysieren und sich kritisch und selbstbewusst damit auseinanderzusetzen.“
Termin: Am Samstag, 22. Juni, 9.30 bis 11 Uhr zeigen die Schülerinnen und Schüler der Bildschule in einer Werkschau, was sie im vergangenen Semester gelernt haben. Die Bildschule Frauenfeld im Internet: www.bildschule-frauenfeld.ch Weitere Informationen rund um die Bildschulen gibt es auch auf der Website der „Konferenz Bildschulen Schweiz, dem Netzwerk der Schweizer Bildschulen: https://bildschulen.ch
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