Seite vorlesen

von Claudia Koch, 01.09.2020

733 Lehren aus dem Homeschooling

733 Lehren aus dem Homeschooling
Homeschooling hat alle an den Rand des Leistbaren gebracht. Wie es Kindern und Jugendlichen damit ging, zeigt jetzt eine Ausstellung in Amriswil. | © Canva

Wie haben Kinder und Jugendliche die Corona-Zeit erlebt? Das Schulmuseum Amriswil zeigt jetzt in einer bemerkenswerten Ausstellung sehr persönliche Antworten auf diese Frage.

Was tun, wenn ein Ausstellungsverbot einem Museum voraussichtlich das ganze Jahr vermiest? Man geht in die Offensive und wird kreativ, so, wie es das Team des Schulmuseums Mühlebach in Amriswil getan hat. «Kurz nach Beginn des Lockdowns hatte unsere Vermittlerin Yvonne Joos die zündende Idee, schweizweit einen Mal- und Schreibwettbewerb zu lancieren», sagt Museums-Co-Leiterin Frauke Dammert. Über Social Media Plattformen, persönliche wie auch berufliche Kontakte wurden Schulkinder der Volksschule vom Kindergarten bis zur 9. Klasse aufgefordert, ihren Arbeitsplatz und -alltag während des Lockdowns entweder zu malen oder in Worte zu fassen.

«Wir haben innert zwei Monaten ohne Projektgelder und ohne Projektsitzungen eine Ausstellung hochgezogen.»

Frauke Dammert, Co-Leiterin des Schulmuseums Amriswil (Bild: Claudia Koch)

Mit 20 Einsenden hätten sie gerechnet, 50 wären schon toll gewesen, doch von den 733 Zeichnungen und Aufsätze waren sie glatt überwältigt, sagte Frauke Dammert an der Vernissage zur Eröffnung der Ausstellung. Die logische Konsequenz daraus war, eine Ausstellung zusammenzustellen.
 
«Wir haben innert zwei Monaten ohne Projektgelder und ohne Projektsitzungen eine Ausstellung hochgezogen», so Frauke Dammert. Präsentiert werden dabei die prämierten Bilder und Aufsätze, die von einer Jury, darunter der Psychiater Dr. Alfons Bieger und Sozialwissenschaftler Matthias Peters von der Bildschule Frauenfeld, ausgewählt wurden.

Die prämierten Zeichnungen und Aufsätze können im Untergeschoss im Schulmuseum Mühlebach in Amriswil bestaunt werden. Bild: Claudia Koch

Schülerinnen und Schüler gewähren Einblicke in ihren Corona-Alltag

Was die Geistes- und Sozialwissenschaftlerin Frauke Dammert, die seit Januar die Co-Leitung des Museums innehat, besonders spannend findet, ist der persönliche Blick, den die Schülerinnen und Schüler in ihr Familienleben gewähren. «Sie präsentieren uns das Privateste, ohne das Chrüsimüsi auf dem Pult vorher aufzuräumen», sagt Frauke Dammert. Entsprechend vielfältig und detailliert sind die Zeichnungen ausgefallen, von denen die Hauptgewinner im Untergeschoss des Schulmuseums zu begutachten sind.

In einer Endlosschlaufe werden auch die übrigen Einsendungen via Beamer auf eine Leinwand präsentiert. Darunter sind immer wieder Zeichnungen zu sehen, auf denen das Virus gemalt wurde: mal witzig, mal aggressiv mit spitzen Zähnen, oft in bedrohlich roter Farbe. Auch die Aufsätze, meist von Sekundarschülerinnen und -schülern geschrieben, gehen detailliert auf den Schulalltag zu Hause ein. Ein gemeinsamer Nenner daraus: Den meisten fehlt, sowohl bildlich wie auch schriftlich festgehalten, der Kontakt zu den Schulkameradinnen und -kameraden.

Die hohe Anzahl an Einsendungen kann sich Frauke Dammert nur damit erklären, dass sich ganze Schulhäuser am Wettbewerb beteiligt haben. «Wir haben viel Lob von Lehrpersonen erhalten, die die willkommene Idee mit ihren Schulkindern gleich umsetzten», so Frauke Dammert. Die meisten Einsendungen, in der Überzahl Zeichnungen, stammen aus dem Thurgau, bis hin zu solchen aus den Kantonen St. Gallen, Zürich, Aargau oder Solothurn.

Julika Dammert , Tochter der Museums Co-Leiterin, filmt die Vernissage für die Live-Übertragung auf Instagram. Bild: Claudia Koch

Das Virus ist noch da, aber auch wieder ein Stück Normalität

Auch Beat Brüllmann, Chef des Amts für Volksschule Thurgau, ist in seinem Grusswort voll des Lobes ob der Idee wie auch der Wettbewerbseinsendungen. «Die Erwartungen, den Fernunterricht in Bild und Wort festzuhalten, sind mehr als übertroffen worden», so Brüllmann. Für die Schulen sei der Lockdown mit nur gerade drei Tagen Vorbereitung zum Fernunterricht eine enorme Herausforderung gewesen. Inzwischen herrsche weitgehende Normalität, obwohl das Virus den Schulalltag weiterhin prägt.

Um die Leere zu symbolisieren, die im März durch den Lockdown hervorgerufen wurde, befindet sich inmitten des Raumes eine Installation: weisse Platte, darauf ein weisses Pult mit weissem Bürostuhl und weissem Papierkorb. Das sprichwörtlich «weisse Blatt», auf das 733 Schülerinnen und Schüler auf ihre ganz persönliche Art ihren Schulalltag zu Hause gemalt oder beschrieben haben.

Termine: Die Ausstellung «#ZUHAUSEMACHTSCHULE – Homeschooling in der Corona-Zeit in Bild und Text» dauert bis 12. Dezember und kann jeweils mittwochs und sonntags von 14 bis 17 Uhr besucht werden. Einzeleintritte sind kostenlos, Führungen auf Anfrage unter www.schulmuseum.ch  Das Betriebsteam sucht ehrenamtliche MitarbeiterInnen, Kontaktaufnahme unter info@schulmuseum.ch oder Telefon 071 410 07 01.

Beat Brüllmann, Chef des Amtes für Volksschule Thurgau, überbringt Grussworte und lobt die Vielfalt der eingesandten Zeichnungen und Aufsätze. Bild: Claudia Koch

 

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Wissen

Kommt vor in diesen Interessen

  • Bericht
  • Geschichte
  • Bildung
  • Gesundheit

Ist Teil dieser Dossiers

Werbung

Hinter den Kulissen von thurgaukultur.ch

Redaktionsleiter Michael Lünstroth spricht im Startist-Podcast von Stephan Militz über seine Arbeit bei thurgaukultur.ch und die Lage der Kultur im Thurgau. Jetzt reinhören!

#Kultursplitter - Agenda-Tipps aus dem Kulturpool

Auswärts unterwegs im April/Mai - kuratierte Agenda-Tipps aus Basel, Bern, Liechtenstein, St.Gallen, Winterthur, Luzern, Zug und dem Aargau.

Kultur für Klein & Gross #20

Unser Newsletter mit den kulturellen Angeboten für Kinder und Familien im Thurgau und den angrenzenden Regionen bis Ende August 2024.

Kunstwettbewerb: Skulptur für SOPHIA-Garten

Die Spitalstiftung Konstanz und die Werner-Schupp-Stiftung Konstanz schreiben einen Kunstwettbewerb aus. Vorschläge für den SOPHIA-Garten können bis zum 30. Oktober 2024 eingereicht werden.

Kongress Kulturjournalismus

Das Ostschweizer Kulturmagazin Saiten stellt am 21. September die Zukunft des Kulturjournalismus ins Zentrum.

igKultur Ost aktuell

Aktuelle Infos aus dem Ostschweizer Kulturuniversum: Stärkung der igKultur Ost – Sektion Thurgau, Kultur und Tourismus, Kulturstammtisch, ...

Ausschreibung für eine lokale Koproduktion im Phönix Theater

Bewerben können sich Gruppen und Künstler:innen mit Schwerpunkt Tanz und eindeutigem Bezug zum Thurgau.

Ähnliche Beiträge

Wissen

Ein Stück Bahngeschichte kehrt zurück

113 Jahre alter Thurgauer Eisenbahnwagen soll zurück in die Heimat. Ein Verein will sich jetzt um die Aufarbeitung des Kulturdenkmals kümmern. mehr

Wissen

Warum wir mehr Musikunterricht an unseren Schulen brauchen

Musik ist das allgegenwärtigste Medium unserer Zeit. In unseren Schulen fristet das Fach trotzdem oft ein Nischendasein. Dabei könnte es viel zum Lernerfolg junger Menschen beitragen. mehr

Wissen

Sein Innenleben macht es zu dem, was es ist

Neue Ausgabe unserer Rätselserie «Das Ding». Heute geht es um ein Gerät, das sich im Museum für Archäologie in Frauenfeld befindet. mehr