von Inka Grabowsky, 10.06.2015
Anrührend und humorvoll
Tim Krohn las im Bodman-Haus in Gottlieben aus aktuellen und unveröffentlichten Werken. Ausserdem gestattete er dem Publikum Einblicke in die wirtschaftliche Seite des Literaturbetriebs.
Inka Grabowsky
„Aus dem Leben einer Matratze bester Machart“, vergangenes Jahr bei Galiani erschienen, hat in deutschen Kulturredaktionen begeisterte Kritiken hervorgerufen. Und auch die Zuhörer im romantischen Dachstock des Bodman-Hauses lachten an den richtigen Stellen, als Tim Krohn den Beginn seiner Geschichtensammlung vorlas. Als er einräumt, dass er den Titel der Fehlleistung des Setzers verdankt, sichert er sich Sympathien.
Auch auf seine Protagonistin „bester Machart“ kam er durch Anstoss von aussen: „Eigentlich wollte ich den Auftrag einer Matratzenfirma haben, die für ihre Kunden ein Buch über das Produkt herausbringen wollte. Dabei ist mir aufgefallen, dass alles Wichtige im menschlichen Leben auf Matratzen abläuft – von der Zeugung über die Geburt bis zum Tod.“
Den Auftrag hat er zwar nicht bekommen, aber die Anregung war sichtlich fruchtbar. In dem Bestseller werden Schlaglichter auf acht Jahre zwischen 1935 und ‘92 geworfen. „Ich schreibe hier vertikal durch die Zeitgeschichte“, so Krohn. In seinem neuen Buch „Nachts in Vals“, das im August erscheint, bewege er sich horizontal. „Menschen in unterschiedlichsten Lebensaltern verbringen in der Therme Vals eine Nacht, die jeweils ihr Leben verändert.“
Vertikal durch die Zeitgeschichte: Lesung „Aus dem Leben einer Matratze bester Machart“. (Bilder: Inka Grabowsky)
Für jeden Markt geeignet
Der gebürtige Deutsche, der in Glarus aufgewachsen ist, das Zürcher Bürgerrecht besitzt und jetzt im Müstairtal lebt, findet seine Leser im gesamten deutschsprachigen Raum. „Interessanterweise stossen meine Texte regional auf sehr unterschiedliche Resonanz“, sagt er. „Die ‚Matratze’ wurde in Deutschland viel begeisterter aufgenommen als in der Schweiz.“ Umgekehrt seien die ‚Quatemberkinder’ oder „Vrenelis Gärtli“ im Norden eher unbekannt.
„Die Schweiz hat ein sehr lesewütiges Publikum. Wenn es gut läuft, verkauft man 20- bis 40'000 Exemplare eines Buches. Wenn man so etwas in Deutschland erreicht, jubeln die Verleger. Und dort verkauft sich kaum ein Buch über 19.95 Euro.“ Den österreichischen Lesern kann sich Tim Krohn im Juli in Klagenfurt präsentieren. Er wurde eingeladen, beim Literaturwettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis teilzunehmen.
"Ich schreibe nun Geschichten, weil jemand sie braucht“: Tim Krohn.
Auch kommerziell kreativ
Solche Auftritte sind natürlich gut für das Renommee im Kulturbetrieb. Doch der Fünfzigjährige hat sich gerade davon unabhängig gemacht und seinen eigenen Marktzugang geschaffen. „Als Buchautor bekommt man sein Honorar üblicherweise lange, nachdem man gearbeitet hat. Ich brauchte aber jetzt Geld, um mein Haus so umzubauen, dass meine Mutter bei unserer Familie wohnen kann. Also habe ich – wohl als erster – mein jüngstes Buchprojekt über Crowdfunding finanziert.“ Das habe hervorragend funktioniert, so Krohn.
Die ersten 111 von geplanten 777 Geschichten seien verkauft. „Man kann bei mir einen von 900 Begriffen aussuchen, die menschliche Regungen bezeichnen, und ich schreibe dann einen Text dazu. Das Ganze ist aber für mich nicht nur wirtschaftlich interessant. Der Kontakt zu den Bestellern der Geschichten ist mir wichtig. Ich schreibe nun Geschichten, weil jemand sie braucht.“
***
Tim Krohn hören und lesen:
Die ersten Texte zu "den menschlichen Regungen" sind am 24. Mai veröffentlicht worden. Eine ist gratis online zu hören: hier
Man kann sich auch ein Stück des Romans „Aus dem Leben einer Matratze bester Machart“ von Tim Krohn vorlesen lassen: hier
Und hier gibt es eine Leseprobe von „Aus dem Leben einer Matratze bester Machart“ als pdf.
Von Inka Grabowsky
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