von Philipp Bürkler, 15.05.2016
Auf dem gesanglichen Tummelfeld

«Heicho» heisst das neuste Musical der Oberthurgauer Festspiele. Am Donnerstag, 19. Mai, ist Premiere in Amriswil. thurgaukultur hat mit Heiner Gabele, dem Autor und Hauptdarsteller des Stücks, gesprochen.
Philipp Bürkler
Heiner Gabele, momentan finden die letzten Proben statt, es geht um den Feinschliff des Musicals Heicho. Läuft alles nach Plan?
Ja, momentan sind wir in der Phase, in der alles zusammenkommt. Musik, Big Band, Bühnebild, Kostüme, Bild, Licht und Ton. Bald gilt es ernst. Jetzt geht es vor allem noch um organisatorische Dinge. Wer macht den Vorhang auf, wer schiebt welches Bühnenbild wohin oder wann sind die genauen Einsätze der Musiker? Wir liegen zeitlich sehr gut. Stress haben wir nicht, die Schlussphase ist aber ziemlich intensiv. Wir arbeiten viel fokussierter und konzentrierter als vielleicht zu Beginn der Proben.
«Heicho» erzählt die Story des Thurgauers Hansli Keller. Dieser hat in Hollywood als Filmstar unter dem Namen Johnny K Karriere gemacht. Dann kommt er in sein Heimatdorf Thurgiswil zurück, und es bricht das Chaos aus.
Chaos, weil das ganze Dorf durch seine Rückkehr in Aufruhr versetzt wird. Der Hansli vom Dorf hat als Johnny K in Hollywood schliesslich Weltruhm erlangt. Er ist ein Star.
Warum kommt er denn überhaupt zurück, wenn er doch erfolgreicher Filmstar ist?
Er bekommt einen Anruf, sein Vater liege im Sterben. Kaum angekommen wird er auch noch in einen Erbstreit verwickelt und mit seiner alten Liebe Klärli konfrontiert, die er damals zurückgelassen hatte, als er in die USA auswanderte. Mit seiner Verlobten Kelly, die ihn in die Heimat begleitet, gerät er in einen Streit. Es ist ein Mix aus Emotionen und Begegnungen, die sich im Verlauf des Stücks ergeben.
Hansli scheitert also. Vom grossen Hollywood-Star zum tragischen Fall im Heimatdorf.
Er scheitert während des gesamten Stücks. Hansli durchläuft den Prozess des Scheiterns. Er spürt einen Knick, einen Abwärtstrend in seiner Karriere. Vor seiner Heimkehr arbeitet er in Hollywood an einem Filmprojekt, das einfach nicht auf Touren kommt. Es geht nicht vorwärts. Erschwerend sind noch Geldprobleme und Schulden.
Sieht nicht nach Happyend aus?
Doch. Neben seiner Verlobten Kelly begleitet ihn auch das Filmteam. Hansli dreht seinen Film in der Schweiz zu Ende und nimmt ihn anschliessend nach Hollywood zurück. Dort wird er für seine Arbeit gefeiert.
Warum spielt das Stück im fiktiven Thurgiswil und nicht im realen Amriswil?
Wir haben bewusst einen fiktiven Ort geschaffen. Thurgiswil ist eine Anspielung auf den Thurgau. Wir haben hier ja viele Orte, die auf «wil» enden. Man weiss deshalb sofort, es geht um einen kleinen Ort, ein bisschen verschlafen, ein bisschen verträumt, alles etwas langsamer. Das kleine vertraute Dorf ist ein idealer Kontrast zur glitzernden Hollywood-Welt.
Herr Gabele, sie spielen nicht nur die Hauptrolle, sondern haben das ganze Stück auch selber geschrieben. Wie kam es dazu?
Ich habe das Stück in enger Zusammenarbeit mit Regisseur Marcel Wattenhofer ausgearbeitet. Bei einem ersten Brainstorming klärten wir, in welche Richtung es gehen sollte. Wir waren uns ziemlich schnell über den lokalen Charakter, den Bezug zum Thurgau, einig. Ausserdem nennen wir uns ja auch Oberthurgauer Festspiele. Das Stück spricht auch sehr viele Menschen aus der Region an, weil es sehr viele lokale Aspekte beinhaltet, die jeder kennt, der im Thurgau aufgewachsen ist. Teilweise sind die Facetten persifliert.
«Heicho» ist Ihr zweites Stück nach «Azzuro». Sind die eigenen Erwartungen und Ansprüche beim zweiten Mal höher?
Ich hatte von Beginn weg hohe Ansprüche an mich selbst. Schliesslich sollte das, was ich mache, auch mir selber gefallen. Das war bei «Azzuro» genauso wie bei «Heicho». Die Gefahr besteht eher darin, dass man sich wiederholt. Wenn man schon mehrere Stücke geschrieben hat, kann man einerseits aus dem Fundus schöpfen. Andererseits ist es gefährlich, dass man wieder das Gleiche macht. Wichtig sind neue Charaktere und die Entwicklung einer neuen Story. Solche Stücke leben stark von Klischees. Klischees sind aber limitiert und irgendwann ausgeschöpft. Wir haben uns Mühe gegeben, etwas Neues zu machen.
Ich stelle mir vor, lustige Pointen sind eine Herausforderung, weil man nicht weiss, wie das Publikum auf die Komik reagiert.
Ob eine Pointe ankommt oder nicht, merkt man meistens erst, wenn das Publikum da ist. Eine Pointe ist auch abhängig davon, wie sie gespielt wird. Das Publikum lacht vielleicht auch nicht, weil der Witz zeitlich nicht synchron mit dem Ablauf ist. Das Timing ist sehr wichtig. Manchmal gibt es aber auch Lacher an Stellen, wo wir es gar nicht erwartet hätten.
Eine Herausforderung ist bestimmt auch die Zusammenarbeit mit den Kinderchören. An jeder Vorstellung steht eine andere Schulklasse, ein anderer Kinderchor auf der Bühne.
Wir haben im Stück einen Slot, also einen Leerraum, der von den einzelnen Klassen «aufgefüllt» wird. Klar, die können natürlich nicht wirklich mit uns proben, die üben ihre Stücke während des Schulunterrichts mit ihren Lehrern. Die Klassen werden von uns instruiert. Ausser einer Probe mit der Band wird mit den Schülern nicht geübt. Sie kommen auf die Bühne, sind vielleicht nervös oder etwas überdreht und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Es wird bestimmt ein spannender Moment im Stück, wenn die Schulklassen ihren Auftritt haben.
Neben dem Schreiben von Musicals singen Sie auch eigene Pop-Balladen. Was ist da gesanglich der Unterschied zwischen Pop- und Musical?
Bei meinen eigenen deutschen Pops-Songs habe ich meinen Stil. Da singe ich eigentlich immer in der gleichen Art. Bei Musicals hingegen habe ich verschiedene Genres von Songs, die ich interpretiere. Das gibt mir die Möglichkeit, mit der Stimme zu spielen. Das ist eine tolle Erfahrung, ab und zu völlig anders mit der Stimme zu arbeiten. Musicals sind ein Tummelfeld, in dem man sich stimmlich austoben kann.
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Zur PersonHeiner Gabele ist 1977 in Arbon geboren und in Amriswil aufgewachsen. Im Alter von sieben Jahren begann er Klavierunterricht zu nehmen und im Alter von zwölf schrieb er erste eigene Klavierstücke. Mit 16 Jahren nahm er seine erste EP mit drei eigenen Songs auf. 1997 gewann Gabele den 4. Platz beim Musikwettbewerb «Swiss Top» bei Schweizer Radio DRS.
Nach der Matura nahm Heiner Gabele sein Architekturstudium an der ETH Zürich auf und produzierte gleichzeitig eine Reihe von elektronischen Instrumental-Tracks. Seit 2002 steht er regelmässig als Musical- und Operettendarsteller auf Schweizer Bühnen, unter anderem in HAIR, GREASE, KAUFHAUS, A LITTLE SHOP OF HORRORS, FLASHDANCE, DIE BANDITEN.
2011 debütierte er mit seinem ersten eigenen Stück «AZZURRO». «Heicho» ist 2016 sein zweites Musical.(pb) |
Tickets für «Heicho» gibt es bei starticket.ch
Spieldaten, Pentorama, Amriswil
Donnerstag, 19. Mai, 20 Uhr (Premiere); Freitag, 20. Mai, 20 Uhr; Samstag, 21. Mai, 20 Uhr; Freitag, 27. Mai, 20 Uhr; Samstag, 28. Mai, 20 Uhr; Sonntag, 29. Mai, 17 Uhr; Donnerstag, 2. Juni, 20 Uhr; Freitag, 3. Juni, 20 Uhr, Samstag, 4. Juni, 20 Uhr.

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