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von Samantha Zaugg, 28.09.2020

Corona-Crush

Corona-Crush
«Bisschen Corona müssen wir halt schon machen»: Lara Stoll bei der Premiere ihres neuen Programms «Gipfel der Freude» im Theaterhaus Thurgau. | © Leonardo Biasio

Lara Stoll feierte mit ihrem neuen Programm Premiere in Weinfelden. Der Titel «Gipfel der Freude» ist dabei nicht zu viel versprochen.

Ein Gipfel ist eine gute Sache. Normalerweise. Obwohl beim Gipfel den Lara Stoll geworfen hat ist man nicht ganz sicher. Er stammt zwar aus einer Freilandgipfelzucht bei Wiesendangen, aber Lara Stoll hat ihn vor dem Wurf ausgiebig angefasst, und das ist ja ein schwieriges Thema. Im Moment ist ja überhaupt vieles schwierig, Pandemie, Sie wissen schon. Gut also, dass es Zerstreuung gibt, zum Beispiel eben das Programm von Lara Stoll, Gipfel der Freude.

Obwohl, bisschen Corona müssten wir halt schon machen, sagt Lara Stoll. Aber es würden schon auch andere Themen Platz haben, Magendarmgrippe zum Beispiel und Pack-Choi und Pizza, und auch sonst noch allerhand.

Die ganze Schweiz verliebt in einen Mann. Hach!

Aber eben. Zuerst Corona. Stoll schwelgt in Lockdownerinnerungen, denkt zurück an die Zeit als alle Schweizerinnen und Schweizer scheinbar einen kollektiven Crush hatten. Und dann erst noch auf die gleiche Person, nämlich auf Daniel Koch. Obwohl, vielleicht sei es auch gar kein Crush gewesen, sondern eher ein mutiertes Stockholm-Syndrom.

Schliesslich sehnt sie sich den Lockdown zurück. Homeoffice (also Serien schauen) sei ja schon ziemlich toll und dann kann man Momos bestellen und im Bett bleiben. (Wenn Sie nicht wissen, was Momos sind, seien sie nicht besorgt, sie sind in bester Gesellschaft) (Und googeln sie nicht, die Auflösung kommt demnächst) Jedenfalls nimmt Stoll eine Gitarre und singt den Lockdown-Song.

Lara Stoll bei ihrem Auftritt in Weinfelden. Bild: Leonardo Biasio

 

Unsicherheiten im Verkehr durch Geschwindigkeit kompensieren

Es folgt ein Stück über Langzeitbeziehungen und die Herausforderungen damit: Autofahren zum Beispiel. Gerade in der Stadt Zürich ein schwieriges Thema. So erzählt Stoll, wie sich ihr Oberkörper beim Fahren verkrampft, als sei er das Metallgestell eines Corbusier Stuhls. Die Lösung: Unsicherheit im Verkehr durch Geschwindigkeit kompensieren. Der Freund fährt dann auch nicht mehr mit, Problem gelöst. Dann erzählt sie was über Pack-Choi, über den Hass beim Stabsauger versorgen, ein Gedicht über Pferde und Rösser und immer mal wieder was über ihre Mutter. Darum erzähle ich dann auch noch was über meine Mutter. Aber erst später.

Es folgt ein Block über die Pizza, die nicht kam. Während Millennials das Problem sofort verstehen, dürften Personen über dreissig rätseln. Ja aber sag mal, warum ruft sie den Lieferservice nicht einfach nochmals an? Ist doch gar kein Problem! Das Ding ist, Essen bestellen funktioniert neu ohne jegliche soziale Interaktion. Bestellt wird online, bezahlt über die Kreditkarte. Super, denn viele Millennials leiden, wie Stoll selbst, unter Telefon- beziehungsweise Sozialphobie.

Das Büchseninterview: Auf dem Balkon von Lara Stoll

Momo, aber nicht die von Michael Ende

Jedenfalls zeigt der Block, es ist ein Millennialprogramm. Ein weiteres Beispiel dafür sind eben die Momos. Ich behaupte, Leute über dreissig, die nichts mit Zürich zu tun haben, haben keinen blassen Schimmer, was Momos sein sollen. Um das zu belegen: Whatsapp an meine Mutter. Sie sagt, einzige Momo, die sie kenne ist die von Michael Ende. These bestätigt. Und hiermit zur Versprochenen Auflösung: Momos sind tibetanische oder nepalesische Teigtaschen, sie sind sehr fein und es gibt sie mit Fleisch, Käse, oder Millennial Style, natürlich auch vegan.

So hätten wir das, zurück zum Programm. Das beschäftigt sich zwar mit dem Leben und Leiden der Millennials, heisst aber nicht, dass es für ältere oder jüngere Zuschauerinnen deshalb nicht interessant ist. Das Programm, und das ist seine grosse Qualität, ist sehr breit. Es ist schlau und scharfsinnig, gleichermassen auch primitiv und dödelig. In dieser Fallhöhe manövriert Lara Stoll stilsicher durch ihren konzisen Sprachgebrauch, kreiert eine eigene sprachliche Ästhetik, die sie stützt mit Intonation und Performance. Und was man auch noch sagen kann, sie kann wirklich ziemlich gut singen. Zum Schluss wird dann der Gipfel geworfen, Freude herrscht, Premiere gelungen.

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