von Inka Grabowsky, 23.12.2019
Das Ei ist hart

Die Bühni Wyfelde präsentiert ab Silvester klassische Sketche von Loriot in eigener Zusammenstellung. Die Proben erwiesen sich als herausfordernd. Die Erwartungen des Publikums sind gross, und das Team muss sie mit ausgewechselter Regie und kurzfristig eingesprungener Schauspielerin erfüllen.
„Das musst du entschiedener sagen!“ Thomas Götz ist kaum weniger perfektionistisch als weiland Vicco von Bülow alias Loriot. Als Regisseur lenkt diesmal er die Geschicke der Bühni Wyfelde – jedenfalls, wenn er nicht gerade selbst auf der Bühne steht. Dann wechselt Peter Wenk vom Fach des Schauspiels in das der Regie und gibt die nötigen Anweisungen. Die beiden Herren ersetzen in diesem Jahr den Profi von Aussen, der sonst immer die Amateure anleitet. „Das hat diesmal einfach nicht harmoniert“, sagt Produktionsleiterin Marta Wechsler. „Wir mussten uns trennen und haben dann beschlossen, uns davon nicht entmutigen zu lassen. Nach 33 Jahren Silvesterpremieren war es undenkbar, aufzugeben.“
Mit dem Theaterpädagogen Peter Wenk, der den Comedy Express leitet, und mit Thomas Götz, der unter anderem durch seine Show „Ergötzliches“ über einen reichen Erfahrungsschatz verfügt, gab es genug Know-How in den eigenen Reihen. „Für uns ist es einfach zeitlich erheblich aufwändiger geworden als geplant“, sagt Thomas Götz. „Wir haben gemeinsam noch einmal ein ganz neues Konzept geschrieben – und das bedeutete mehr Proben in kürzerer Zeit.“

Schauspielerin Susanne Odermatt ist kurzfristig eingesprungen
Kaum war die Aufführungsplanung wieder auf Kurs, gab es den nächsten Rückschlag. Petra Haas, die sich auf mehrere Rollen vorbereitet hatte, musste im November aus gesundheitlichen Gründen ihr Engagement absagen. Einen Ersatz zu finden, war schwierig. Die Bühni Wyfelde griff auf professioneller Hilfe zurück und fand in Susanne Odermatt aus Frauenfeld eine Schauspielerin, die schnell in die Bresche springen konnte. „Langsam sitzen die Texte“, sagt sie, „ich bin ja auch mit Loriot gross geworden.“
Ihr zur Seite bei den Frauenrollen steht Madeleine Cavegn, die zu Beginn der Proben neu zur Truppe gestossen war. „Ich habe bisher vor allem Freilicht-Aufführungen gemacht“, sagt sie. „Hier haben wir eher eine Kammerspiel-Atmosphäre. Es kommt auf jede Kleinigkeit an. Von allen Mitspielern bin ich sicher die Unerfahrenste. Entsprechend profitiere ich auch am meisten von Tipps und Ratschlägen.“

Videos als Rahmen für die Sketche
Von all diesen Schwierigkeiten sollten die Zuschauer nichts mehr merken. Sie schauen vier Ehepaaren im fiktiven Mehrfamilienhaus beim Bewältigen ihres Alltags zu. Spielszenen wechseln sich mit Filmen ab. „Die Videos haben für das Publikum die Funktion, die kommende Szene einsortieren zu können“, erklärt Peter Wenk. „Sie wissen dann, welches Paar in welcher Wohnung im Mittelpunkt steht.“ Für die Schauspieler haben die Einspielungen praktischen Wert: Jeder verkörpert vier bis fünf Personen und muss blitzschnell Perücke, Brille und Kleidung wechseln, um in seine nächste Rolle zu schlüpfen. Die Filme geben die Zeit dafür.
Die beiden Spielleiter konnten bei der Auswahl der Szenen aus dem Vollen schöpfen und mussten sich doch auf 19 beschränken, um den Abend nicht länger als neunzig Minuten werden zu lassen. Einige Klassiker aber durften einfach nicht fehlen. Mit dem zu harten Ei schlagen sich sogar mehrere Paare herum.

Aus Franz Josef Strauss wird Roger Köppel
Vicco von Bülows Witz ist zeitlos, wann immer er sich über menschliche Schwächen lustig macht. Doch einigen seiner Pointen merkt man ihr Alter an. Deshalb hat die Bühni Wyfelde sie vorsichtig Zeit und Ort angepasst, um das Verständnis zu erleichtern. Wenn sich also in „Frühstück und Politik“ das Ehepaar Blühmel über verbale Entgleisungen des aktuellen politischen Personals echauffiert, dann stammt es nicht mehr aus dem Deutschland der achtziger Jahre, sondern aus der Schweiz von heute. Aus Strauss und Brandt werden Köppel und Levrat.
Nicht angepasst hat die Bühni Wyfelde das Gesellschaftsbild, das Loriot karikiert, auch wenn es nicht mehr unserem Alltag entspricht. „Sein Frauenbild ist schon etwas antiquiert“, sagt Susanne Odermatt. „Die Hausfrau, die er beschreibt, gibt es so bestimmt nicht mehr.“ Der Streit um Enten in der Badewanne oder die korrekte Teilung eines Kosakenzipfels hat jedoch nichts an Aktualität eingebüsst.
Alle Termine im Überblick
Premiere am 31.Dezember um 17.15 Uhr , 2. Vorstellung um 20.15.
danach am 3. – 5. Januar
am 10. bis 12. Januar
am 16. bis 19. Januar
und vom 22. bis 25 Januar.
Tickets buchbar unter https://buehniwyfelde.ch/produktion/
https://buehniwyfelde.ch

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