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von Inka Grabowsky, 13.06.2022

Dieser Theater-Sommer wird wild und heiss

Dieser Theater-Sommer wird wild und heiss
Frauen vs. Männer: Im Kreuzlinger Seeburgpark beginnen die Proben für die diesjährige Produktion des See-Burgtheaters. | © Mario Gaccioli

Die Open-Air-Bühnen im Thurgau und den Nachbarregionen werden in den kommenden Wochen intensiv bespielt. Wir stellen die acht spannendsten Produktionen dieses Sommers vor. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Ab 17. Juni: Mysterienspiel im Parkhaus

Wer noch nie im Parkhaus Zecchinel in Tägerwilen war, findet nun einen passenden Anlass: Die Künstlerin, Tänzerin, Performerin und Choreografin Micha Stuhlmann interpretiert das Gebäude als einen «Ort des Rituals auf Zeit». Für die Suche nach Verbundenheit zu spirituellen Kräften im Kreislauf vom Leben und Sterben muss man nicht immer in die Höhle von Lascaux oder nach Stonehenge pilgern.

Stuhlmann inszeniert hier mit vielen Mitstreiter:innen die «Chronik eines Aussterbens oder Der innere Klang» als zeitgenössisches Mysterienspiel. Das Performance-Musik-Projekt entstand im Rahmen des kantonalen Wettbewerbs «KosmosMusikThurgau». Am normalerweise profanen Ort laden zwanzig Performer und Performerinnen zu einer rituellen Reise, begleitet von Licht- und Videoinstallationen sowie bisher ungehörten Klängen. 

Das Abenteuer beginnt zur Goldenen Stunde (vulgo um 20.30 Uhr) auf dem Oberdeck des Parkhauses und führt nach der Blauen Stunde (21.30 Uhr) im Zwischendeck und Keller wieder nach oben unter den Sternenhimmel mit Lounge.

Die Termine: Ab 17.6. jeweils Freitag und Samstag, Dernière am Sonntag 3.7.


Ab 18. Juni: Theater Konstanz mit Grusel-Uraufführung

Das Konstanzer Stadttheater adaptiert für das «Theater auf dem Münsterplatz» den Stummfilm Nosferatu aus dem Jahr 1922 (der sich seinerseits ja bereits bei Bram Stokers Dracula bedient hatte) auf hiesige Verhältnisse. Diesmal droht der adlige Vapir Orlok - statt aus Wisborg wie im Original - aus Konstanz ein Irren- und Leichenhaus zu machen. Das soll vor der Kulisse des Münsters für zwei Stunden des «genüsslichen Schauderns, des schrägen Amüsements und des grossen Melodramas» sorgen.

Die Blaskapelle spielt neue Kompositionen von Sebastian Androne-Nakanishi. Der Absolvent der Zürcher Hochschule der Künste ist immerhin der «Komponist des Jahres» bei den ICMA (International Classical Music Awards).

Die Termine: «Nosferatu. Eine Schauermär für lebendes Ensemble und Blaskapelle in vierzehn, teilweise schrecklichen Bildern von Stephan Teuwissen» läuft vom 18. Juni bis 23. Juli auf dem Münsterplatz. Tickets: www.theaterkonstanz.de


Ab 24. Juni: „Giovanna D' Arco “ in Sankt Gallen

Die St. Galler Festspiele auf dem Klosterhof sind wegen Cancel-Culture ins Gerede gekommen. Wegen des Ukraine-Kriegs war ihnen «Die Jungfrau von Orléans“ von Tschaikowski zu heikel. Stattdessen läuft nun «Giovanna d’Arco»  von Giuseppe Verdi – der gleiche Stoff, ebenfalls auf Basis von Schillers Drama, nur weniger kriegerisch und mit mehr Belcanto.

Die Festspiele begründeten, auch wenn das Thema von Tschaikowskis Werk durch und durch französisch sei, sei es derzeit nicht zu verantworten, mitten in der Stadt im Freien russische Musik, der kriegerische Handlungen zugrunde liege, zum Erklingen zu bringen. Ein Happy End für die Heldin gibt es auch bei Verdi nicht, aber immerhin dürften auf der Bühne die Besatzer sicher vertrieben werden.

Die Termine: Sieben Vorstellungen am 24., 25. und 28. Juni sowie am 1., 2., 6. und 8. Juli – jeweils ab 20.30 Uhr.  Tickets: http://www.stgaller-festspiele.ch/de/


Ab 30. Juni: Gastspiel-Open-Air-Theater in Arbon und Weinfelden

Zwei zusätzliche Chancen auf Open-Air-Theater haben wir im Thurgau noch durch die Tournee von KulturFutur mit dem Live-Hörspiel «Die Bank».  Zwei Schauspielerinnen und eine Kontrabassistin philosophieren (sprachlich etwas eigenwillig) über Mütter und Töchter, über Nähe und Distanz. Das Publikum bekommt Kopfhörer ausgehändigt, um dem intimen Dialog intensiv lauschen zu können.

Zunächst kommen die drei Künstlerinnen am 30. Juni und 1. Juli um 20 Uhr in die Wunderbar nach Arbon (wahrscheinlich in den Garten, zur Not in den Innenraum), dann auf Einladung des Theaterhauses Weinfelden am 27. August um 19.15 Uhr in den Haffterhof in Weinfelden (bei Regen in das Theaterhaus).  Das Ensemble braucht als Requisit nur eine Bank, auf der sich die zwei Frauen - zufällig oder gezielt – Tag für Tag treffen können.


Ab 14. Juli: Sex-Streik für den Frieden

Guuiseppe Spina (rechts) freut sich auf das Auskundschaften des Bühnenbilds von Damian Hitz. Bild: Inka Grabowsky

 

Vor rund 2500 Jahren schrieb Aristophanes «Lysistrata». Nun hat Guiseppe Spina das Stück ein wenig an die heutige Zeit angepasst und mit dem See-Burgtheater inszeniert. Im antiken Griechenland spielt das Stück um den Sex-Streik für den Frieden immer noch. Die Kostüme von Joachim Steiner und das Bühnenbild von Damian Hitz werden uns an die Akropolis versetzen.

Ursprünglich hatte sich der Regisseur auf die starken Frauen konzentrieren wollen, doch seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine hat sich der Krieg in den Vordergrund gedrängt. Trotzdem bleibt Lysistrata eine Komödie, wie immer im See-Burgtheater untermalt mit Musik. Diesmal akzentuieren Protestsongs aus den Siebzigern und eine Harfinistin die Szenen.

Die Termine: Es gibt 20 Aufführungen zwischen dem 14. Juli und dem 10. August, Beginn jeweils um 20.30 Uhr. Die Zuschauer sitzen vor Regen geschützt. Tickets: www.see-burgtheater.ch


Ab 10. August: Die Schlossfestspiele Hagenwil

Die Schlossfestspiele in Hagenwil nutzen ebenfalls Stoff aus der Antike. Es gibt «Amphitryon», allerdings nicht die griechische Version, sondern die von Kleist, nochmals aktualisiert von Florian Rexer. Auch bei ihm verführt Gott Jupiter die Sterbliche Alkmene in Gestalt ihres Mannes Amphitrion. Die Kopie füllt seine Rolle besser aus als das Original, was bei Amphitryon zu gewissen Identitätskrisen führt, das Publikum aber zum Lachen bringen soll.

Die Termine: Das Stück läuft von 10. August bis zum 10. September. Tickets über die Website des Festivals.

Auf den ersten Blick nicht ganz passend zur Sommersaison ist das diesjährige Hagenwiler Märchenstück «Frau Holle». Bei einem zweiten Blick erinnert man sich dann aber, das Gold- und Pechmarie im Land jenseits den Brunnenschachts ja Äpfel ernten müssen – und das kann man bei uns bekanntlich ab August.

Die Termine: Am 14. August um 15 Uhr jedenfalls beginnt die Spielzeit von «Frau Holle» in Hagenwil, sie endet am 4. September. Tickets über die Website des Festivals.


Ab 11. August: Der edle Rächer am Greuterhof

Vom 11. bis 27. August inszeniert die Theaterwerkstatt nicht am angestammten Gleis 5, sondern am Greuterhof Islikon «Der Graf von Monte Christo». Regie und Text stammen von Noce Noseda, frei nach Alexandre Dumas. «Wir haben für Sie die Geschichte etwas ausgedünnt!», heisst es hübsch in der Voranzeige. «Uns ist es dabei gelungen, die Komplexität der Intrigen und die Vielfältigkeit der Figuren in ein zweistündiges, spannendes, poetisches und lustiges Theaterstück zu verwandeln.»

Fünf Schauspieler übernehmen 40 Rollen. Das Bühnenbild soll sich auf das Nötigste beschränken, die Kostüme von Joachim Steiner sind zum Auseinanderhalten wohl wichtiger. Eigens komponierte Live-Musik begleitet den Parforce-Ritt durch den 1500 Seiten-Roman. Tickets gibt es hier.


Ab 19. August: Rossini in der Rathaus-Oper

Am 19. August will die Rathaus-Oper im Konstanzer Rathaus-Innenhof Premiere feiern. Geplant ist Rossinis Einakter «L’occasione fa il ladro - Gelegenheit macht Diebe» unter der musikalischen Leitung von Eckart Manke und in der Inszenierung von Daniel Grünauer. Für das Bühnenbild sorgten die Architekten des Renaissance-Baus vor fast 500 Jahren.

Die Handlung ist simpel: Zwei Männer verlieben sich in zwei Frauen und verwechseln zunächst das Gepäck und dann einander. Aber wer geht schon wegen einer plausibel erzählten Geschichte in die Oper. Auffällig sind zwei Personalien: Die Mezzosopranistin Maria Reina Nacarro singt zum ersten Mal mit. Sie übernimmt die Rolle der Zofe Ernestina und hat ein Heimspiel, weil sie in Konstanz wohnt.

Ausserdem zeichnet Joachim Steiner aus dem Team des Stadttheaters Konstanz für die Ausstattung verantwortlich. Das ist deshalb bemerkenswert, weil er auch bei den Sommervorstellungen von Theaterwerkstatt und See-Burgtheater die Kostüme gestaltet. Für das Gastspiel des Theaters Jetzt im Juli und August in Poschiavo (TI) ist er ebenfalls zuständig. Er scheint unverzichtbar für die Theaterlandschaft der Region zu sein.

Die Termine: Die sechs Vorstellungen beginnen jeweils um 20.45 Uhr: 19., 21., 22., 24., 26. und 27. August. Tickets: www.rathausoper.de  

 

 

 

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