von Inka Grabowsky, 03.05.2021
Ein Lebenszeichen aus der Kultur

Die Kulturbühne 2021 in 17 Gemeinden der Region rund um Wil – von Aadorf bis Niederbüren, von Lommis bis Kirchberg – hat begonnen. Noch bis zum 9. Mai präsentieren sich Kulturschaffende aller Sparten unter dem Motto „gemeinsam vielfältig“.
Ruth Wolgensinger, die Präsidentin des Vereins „Kunstkreis Wil“ ist zufrieden. Zwanzig Mitglieder haben je ein Werk für die Ausstellung im Cinewil geschaffen, speziell zum Thema Kino, denn hier läuft während der Kulturwoche eine Reihe zum Thema „Starke Frauen“. „Wir stellen ja auch sonst aus, aber durch die Kulturbühne und den Raum hier im Foyer des Kinos bekommen wir doch ein anderes Publikum.“
Am anderen Ende der Stadt, im Hof zu Wil, bereiten sich währenddessen sieben weitere bildende Künstler auf ihre Vernissage vor. Unter dem Titel „Malerische Diversitäten im Hof“ zeigen Markus Ebner, Arthur Wyss, Zora Lüthi, Rolf und Klara Klaus, Dani Steinemann und Marlene Hess ihre Werke. „Für mich ist die Kulturbühne wichtig, weil sie mir eine gute und günstige Plattform bietet“, sagt Rolf Klaus, der eiserne Werkzeuge zu Skulpturen umformt.

Die Kulturbühne bringt ein neues Publikum
Dani Steinemann hat eine eigene Galerie in Rossrüti und deshalb die Plattform eigentlich nicht nötig. „Aber ich habe natürlich schon meinen Kundenkreis eingeladen.“ Er präsentiert seine neuen Gemälde zum Thema „Da zeigen die Sterne ihr diamantenes Licht allen, die Augen haben es zu sehen!“
Auch Arthur Wyss ist etabliert und nicht auf eine zusätzliche Ausstellung mehr oder weniger angewiesen. „Aber wenn es gar keinen Effekt hätte, würde man es nicht machen“, sagt er. Ihm wurde für seine farbenprächtigen Werke in Arcyl und Gouache das blaue Zimmer im historischen Hof zugewiesen – mit allen Vor- und Nachteilen: „Es darf nichts an die Wände gehängt werden, deshalb habe ich eine eigene Aufhängevorrichtung gebastelt. Und mein eigenes Licht habe ich auch mitgebracht.“

Künstler und die Machtfrage
Sehr passend fand Christoph Häne, der ehemalige Präsident des Verbands Regio Wil den historischen Ausstellungsort. Der Hof sei das Machtzentrum des Abts des Klosters St. Gallen mitten in der Stadt gewesen, sagt er in der Laudatio.
Die Symbolik könne man weiterführen. Künstler seien der Macht ausgesetzt, hätten Macht im Sinne von „Fertigkeit“ und übten Einfluss auf die Betrachter ihrer Werke aus. „Es gibt so viele, die im Hintergrund schaffen, denen geben wir eine Bühne“, betont Häne. „Ich freue mich, dass ihr Kulturschaffende bereit seid, den Vorhang vor eurer Arbeit zu öffnen.“

Das Glas ist halbvoll
Nicht alles, was für den Eröffnungstag der Kulturbühne geplant war, erwies sich unter den gegebenen Bedingungen als durchführbar. Allein in Wil fielen etwa der Improtheater-Workshop, das Konzert „Wil Rockt“ und die Kunst-Karaoke-Aktion der Pandemie zum Opfer.
„70 Prozent unserer Veranstaltungen können stattfinden, wenn zum Teil auch etwas reduziert“, sagt aber Michael Sarbach, der Präsident des Organisationskomitees der Kulturbühne . „Wir sind alle zufrieden, dass überhaupt etwas läuft.“
Auch für die Kulturschaffenden, deren Events abgesagt werden mussten, weil sie zu viele Menschen auf zu engen Raum zusammengebracht hätten, hat er einen Trost: „Es geht uns doch vor allem um das Sichtbarmachen von Kultur. Und wer in unseren Publikationen, dem Programm oder dem Booklet aufgeführt ist, der sendet ein Lebenszeichen.“

Uraufführung des momoll Jugendtheaters
Ein sehr kraftvolles Zeichen sendet das momoll Theater Wil am 30. April an der Eröffnungsfeier zur Kulturbühne. Vor wenigen Tagen hatte das Stück „Schlummerland“ Premiere. 13 Jugendliche spielten in der Walpurgisnacht – also tatsächlich der Nacht auf den 1. Mai - eine Art „Sommernachtstraum“ im Frühling, diesmal mit ökologischem Hintergrund.
Die Elfenkönigin will in der Wiler Version Mensch und Umwelt versöhnen und ermöglicht deshalb einigen Mädchen und Jungen, die sich in ihren Wald verirrt haben, Einblicke in die Naturmystik. Sie hält sie in einem gemeinsam erlebten Traum gefangen, bis sie vernünftige Zukunftspläne schmieden. Vom Verschwörungstheoretiker über die Esoterikerin bis zum Pragmatiker lässt sich jeder Typus Mensch bekehren.
Die 50 zugelassenen Zuschauer sitzen auf Abstand in der Lokremise, ausgerüstet mit Wolldecken und Hygienemasken. Die Nachfrage nach Karten ist so gross, dass es eine Zusatzvorstellung gibt.
Die Organisationsstruktur
Massgeblich am Projekt Kulturbühne beteiligt ist der Verein ThurKultur, dem über die Kantonsgrenzen hinweg 22 Gemeinden aus St. Gallen und dem Thurgau angehören. Er wurde 2011 gegründet. Die Gemeinden zahlen pro Jahr einen Franken pro Einwohner an den Verein. Die Kantone zahlen einen weiteren Franken.
Aus diesem Budget fördert ThurKultur Künstler oder Veranstaltungen. „Einige Gemeinden haben in diesem Jahr für die Kulturbühne noch einen extra Betrag zur Verfügung gestellt, so dass wir Kulturveranstaltern nötigenfalls unter die Arme greifen können“, so Mike Sarbach in seiner Eröffnungsrede.

Wie die Kulturbühne die Veranstalter vernetzt
Ebenfalls hilfreich ist das Engagement des Hauptsponsors Raiffeisen, der Rolf Peter Zehnder Stiftung, der TKB Jubiläums Stiftung, des Migros Kulturprozents und der Dr. Heinrich Mezger-Stiftung. „Auch im Rahmen der Kulturbühne sind alle Veranstalter eigenverantwortlich“, erklärt Sarbach. „Wir bringen die Kulturschaffenden lediglich zusammen und vernetzen sie. Ausserdem sind wir für die gemeinsame Werbung und das Streaming verantwortlich.“
Vor allem aber sorgt das OK dafür, dass im gegebenen Zeitraum möglichst in allen Mitgliedsgemeinden etwas gezeigt wird. ThurKultur entsendet Vorstandsmitglieder ins OK der Kulturbühne, ebenso wie die Stadt Wil, die vor drei Jahren die Idee für die erste Kulturbühne lanciert hatte. Wenn es nach den Beteiligten geht, wird in drei Jahren die nächste kommen.
Termine: Das gesamte Programm der Kulturbühne findet sich hier, aktuelle Änderungen gibt es hier.

Von Inka Grabowsky
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