von Barbara Camenzind, 22.09.2025
Im Auge des Jazz

Abgespeckt, dafür mit einem ausgesucht coolen Programm: Das diesjährige Generations Jazz Festival in Frauenfeld vom 26. bis 28. September verspricht ein sattes Sound-Erlebnis. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Keine Workshops, kein zehntägiges Event, dafür ein kluges Konzept und eine berührende Würdigung. Wie die Organisatoren auf ihrer Homepage schreiben, fielen Sponsoren und Geldgeber aus. 2024 starb der Mitbegründer des seit 1998 stattfindenden Festivals, der musikaffine Anwalt Robert «Röbi» Fürer.
Aus der Not eine Tugend machend, bündelt der künstlerische Leiter Dominik Deuber das Programm zu einer dichten Struktur: mit Geiger Tobias Preisig und Pianist Stefan Rusconi als quasi «Inhouse-Heroes» in verschiedenen Besetzungen und ausgesuchten Gast-Acts. Die Links bei den Bandnamen in der folgenden Vorschau führen zu Hörbeispielen.
Freitag, 26. September: Avantgarde vom Feinsten
Stell dir vor, es treffen sich drei Musiker und sind beste Feinde: «Enemy» mit Kit Downes an den Tasten, Petter Eldh (Bass) und James Maddren (Schlagzeug) ist das faszinierende Beispiel dafür, wie feinster Avantgarde-Jazz funktioniert – mit drei Musikern, die stilistisch aus unterschiedlichen Ecken kommen. Das bedeutet Jazz-Energie pur und spannende musikalische Achterbahnfahrten um 20 Uhr im Eisenwerk.
Egopusher: Der Name fährt ein wie Treppenwitz der Generation X, dabei sind sie präzise aufeinander abgestimmt und hochsensible Klangkünstler. Minimal-Music-Patterns, Loungesound und eine subtile Prise Apokalypse – so könnte man die Musik des Duos beschreiben, quasi die mitteleuropäische Antwort auf Sigur Rós. Schubladisieren lassen sich Geiger Tobias Preisig und Schlagzeuger Alessandro Giannelli, der auch für die Electronics zuständig ist, eh nicht. 22.30 Uhr im Eisenwerk: eintauchen und geniessen.
Samstag, 27. September: Von Kammar Koma zu Kaff
Vergesst alles, was ihr über Kammermusik gehört habt: Kammar Koma, das Projekt von Bassist Petter Eldh, stellt die Töne auf den Kopf und webt sich facettenreich durch die Gehörgänge. Das Spannende daran: Mit jedem Konzert mehrt sich der Klangreichtum.
Mittels Samples verbindet sich Aufnahme mit Live-Auftritt und lässt die Musik in akustischen Schichten wachsen. Kammar Koma ist mehr als nur ein sechsköpfiges Ensemble – es ist eine Musikevolution, die auf eine faszinierende Reise mitnimmt, gut geeignet auch für Leute, die gerne sogenannte Klassik hören. 20 Uhr im Eisenwerk. Hier erklärt Eldh, wie das Sampling funktioniert.
Levitation – das bedeutet «freies Schweben im Raum». Musik zwischen den Welten gibt es um 22.30 Uhr im Eisenwerk mit Thomas Preisig an der Geige und Pianist Stefan Rusconi, die beide schon lange mit dem Generations Festival verbunden sind. Eigentlich sieht das Projekt eine Kirchenorgel vor, man darf also gespannt sein, wie die Musiker das im Eisenwerk umsetzen. Wer dann immer noch nicht genug hat, kann danach zur Afterparty ins Kaff Frauenfeld und ab 23 Uhr in den Morgen tanzen.
Sonntag, 28. September
Mit einer Hommage an Röbi Fürer beenden Tobias Preisig, Stefan Rusconi und ein geheimnisvoller «Special Guest» das Festival um 11 Uhr im Eisenwerk. «What remains is sound» – was bleibt, ist Klang. Musik ist eine flüchtige Kunst. Eigentlich. Was bleibt, ist die Erinnerung an sie, wie an einen lieben Menschen.
Dieses Festival ist meine Konzertempfehlung für den Herbstbeginn. Es wartet mit urbanem Sound auf und verbindet die Genres zwischen freiem Jazz, Grossstadtsound, Avantgarde und Meditation. Hingehen und eintauchen lohnt sich.

Weitere Beiträge von Barbara Camenzind
- Symphonisches Geburtstagsfest (15.09.2025)
- Der Sound der Gleichheit (16.09.2025)
- Ostinato-Festival mit frischen Klängen (19.06.2025)
- Romantik, liebevoll umarmt (10.06.2025)
- Schumanniade in der Kartause Ittingen (02.06.2025)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Musik
Kommt vor in diesen Interessen
- Vorschau
- Jazz
Dazugehörende Veranstaltungen
Ähnliche Beiträge
Bühne frei für Mundart-Kompositionen
Das Fest der Chöre in Frauenfeld geht ab 12. September in die zweite Runde. Erstmals wurde ein Text- und Kompositionswettbewerb ausgerufen. Bekannte Thurgauer Autor:innen habe Ihre Arbeiten eingesandt. mehr
Rock und Pop am Bodensee
Sido, Nemo, Gianna Nannini: Das Summerdays Festival in Arbon bietet in diesem Jahr grosse Namen auf. Richtig inspiriert ist das Programm aber leider trotzdem nicht. mehr
Von Glastonbury nach Kreuzlingen
Mary Middlefield ist der wahrscheinlich spannendste Act beim diesjährigen Kultling-Festival am 8. und 9. August. Aber auch das weitere Programm ist mit gutem Gespür für den Zeitgeist ausgewählt. mehr