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von Brigitte Elsner-Heller, 18.02.2019

«Ich Bäcker! Du Hund!»

«Ich Bäcker! Du Hund!»
Alltagsroutine bei Bäcker Schmidli (Simon Gisler): kneten, kneten, kneten. Im Hintergrund Musiker Daniel R. Schneider. | © Lukas Fleischer

„Gopf, Martha!“, das neue Kinderstück des Theater Bilitz, feierte Premiere. Eine liebevoll angelegte Inszenierung, die zumindest anfangs noch einige Längen aufweist.

Was war damals passiert, an jenem Mittwochmorgen? Die beiden Männer, die schon als Kinder gute Freunde waren und es bis heute sind, wie sie beteuern (auf der Bühne des Theaterhaus Thurgau sind das Simon Gisler und Daniel R. Schneider), erinnern sich gut daran: Wie immer waren sie als Jungs vor der Schule beim Bäcker Schmidli vorbei gekommen, doch alles war anders als sonst. Der Laden war leer und die Backstube offen.

In dem neuen Stück „Gopf, Martha!“ des Theater Bilitz wird der Schauspieler Simon Gisler nun zu Bäcker Schmidli, während der Freund, gespielt vom Musiker Daniel R. Schneider, sich zurückzieht in seine Musizier-Ecke, von der aus er im Lauf des Spiels nicht nur Melodien und Klänge, sondern auch schon mal ein gelangweiltes „Wuff“ oder ein aufgeregtes Bellen einstreuen wird. Denn die Geschichte von Bäcker Schmidli ist auch die von Martha, seinem Hund, der sich in der Backstube langweilt, dafür aber immer im Weg ist.

Erinnerung in Spielszenen

Gisler setzt die weisse Bäckermütze auf, richtet aus zahlreichen Utensilien die Backstube ein, will das Mehl aus der großen Tüte holen – und stellt fest, dass es noch gar nicht fein genug gemahlen ist. Eine gute Gelegenheit, eine Maschine mit Rad leise ratternd in Bewegung zu setzen, die vielleicht auch ein Jean Tinguely als Bub hätte erfunden haben können. Dann wird Teig geknetet und geknetet und geknetet, was seine Zeit braucht (und vielleicht ein bisschen zu viel Zeit für die Kinder, die ab fünf Jahren hier schon dabei sein dürfen). Immerhin wird so nachvollziehbar, dass das tägliche Einerlei in der Backstube dem Schmidli schon manchmal zu viel wird. Zumal Hund Martha sich einen lauen Lenz macht und das Leben einfach nur geniesst. So sieht es jedenfalls Schmidli, der auch noch seine Frau im Rücken hat, die im Laden steht und ihn zur Arbeit antreibt (Daniel R. Schneider leiht auch ihr die Stimme).

Wie dem auch sei: Nachdem ein Tablett mit Brötchen durch die Gegend geflogen ist (die Kinder im Publikum werden dazu lebendig und geben Hinweise, wo noch etwas liegt), weil Martha mal wieder im Weg war, geraten Herr und Hund in Streit. Schmidlis aufgebrachtes „Ich Bäcker! Du Hund!“ gerät allerdings ins Wanken, was dazu führt, dass Herr Schmidli auf einmal ein bisschen bellt. Rollentausch!

Fantasie ist gefragt im neuen Kinderstück des Theater Bilitz. Im Bild Daniel R. Schneider und Simon Gisler. Bild: Lukas Fleischer

 

Es geht auch anders – oder nicht?

Simon Gisli legt die Bäckermütze ab und damit den Bäcker zum geruhsamen Schlaf an den Bühnenrand, während nun Martha ihrerseits anfängt, mit den Fäusten – nein, natürlich den Pfoten! – den Teig zu bearbeiten. Bald erfüllt Mehlstaub den (Bühnen-)Raum, nimmt das Chaos in der Backstube zu. Eine lebendige Szene, die den Kindern so viel Spass macht wie den Erwachsenen, die bei der Premiere in der Mehrzahl sind. Natürlich nimmt die Geschichte ein gutes Ende, eines, das beiden, Schmidli und Martha, ein bisschen mehr Freude im Leben bringt, obwohl der Bäcker Bäcker bleibt und der Hund Hund.

Fantasie ist gefragt

Nett anzusehen ist die Sorgfalt, mit der die Bühne mit Requisiten ausgestattet wurde, ohne unübersichtlich zur werden (Bühne: Gabor Nemeth). Was bei einem Stück über einen Bäcker und seinen Hund zu erwarten gewesen wäre, ist natürlich ein Hund, sozusagen ein „echter“, ein Wuschel aus Plüsch oder Ähnlichem. Überraschend ist daher, dass die Regisseurin Agnes Caduff, die das Stück gemeinsam mit Simon Gisler und Daniel R. Schneider entwickelt hat, ganz darauf verzichtet hat und lediglich pantomimisch und über Körpersprache den Hund in der Fantasie aufleben lässt. Während der Bäcker noch durch seine Mütze gekennzeichnet war, weist nun kein Requisit auf seine Existenz als Felltier hin, als Simon Gisler zu Martha wird (wo doch die Ausstattung der Bühne noch recht naturalistisch ausfiel).

Die Aufmerksamkeit der Kinder ist also durchaus gefordert über diese 45 Minuten Theater hinweg. Ob die Perspektiv- und Rollenwechsel, der Schwenk zwischen gespielter Erinnerung und Erzähler, für Fünfjährige schon nachvollziehbar sind, lässt sich als Erwachsener kaum beurteilen. Da heisst es wohl: ausprobieren.

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